De dicto

Samstag, 3. Mai 2008

"Ohne Frage waren die Männer des 20. Juli Helden. Sie riskierten ihr Leben, um Hitler zu töten. Über ihre Motive und Vorstellungen sagt das noch nichts."
- Stern, Stefan Schmitz am 2. Mai 2008 -
Zum Gesagten sei angemerkt: "Über die Motive und Vorstellungen" verliert der Stern freilich kein Wort, würde es doch nicht in diese Form der Berichterstattung passen, die zwischen Heldenverehrung und profaner Hagiographie anzusiedeln ist. Nur wenn man diese "Motive und Vorstellungen" unerwähnt läßt, sie quasi aus dem Nachruf von Boeselagers ausblendet, kann man das Heldenprädikat aufrechterhalten. Das Gedenken an die Wehrmachtsoffiziere, die Hitler beseitigen wollten, animiert durch den Tod des letzten dieser "gewissenhaften Allianz", wird zum Selbstzweck des Artikels, entzieht sich jeglicher Kritik, trägt nicht zu Schaffung von Klarheit bei, sondern mystifiziert die Vorgänge im militärischen Untergrund der damaligen Tage. Die Bombe und die Männer darum werden zum Sujet einer eindimensionalen Auslegung von Historie. Diese Einseitigkeit, die die beteiligten Wehrmachtsoffiziere des 20. Juli zu versteckten Volkshelden stilisiert - ob willentlich oder nicht -, genährt auch durch die popularhistorischen Ergriffenheitsdokumentationen des Guido Knopp, ist das beliebteste aller Oppositionsmärchen, wonach die Deutschen aktiven und regen Widerstand leisteten. Der deutsche Soldat sei eben nicht gewissenloser Waffenträger gewesen, der wie der pawlowsche Hund anschlug, wenn man ihm nur ein Befehl oder Erlass verlesen oder verkünden konnte, sondern mit Gewissen und Verantwortungsgefühl ausgestatteter, aufgeklärter, freiheitlich gesinnter Mensch und Kosmopolit.

Der Holocaust, so liest man über Boeselager, sei das Hauptargument gewesen, Hitler zu liquidieren. Und ebenso, wie die Weiße Rose das Abschlachten der eigenen Volksgenossen an der Ostfront als Antrieb ihrer Oppositionsarbeit ansah, so war auch dies ein Grund innerhalb der Wehrmacht, warum man sich zu diesem Schritt - dem Bruch des Treueeides auf den Führer - entschlossen habe. Als Hitler von Erfolg zu Erfolg eilte, die Fesseln des Versailler Vertrages reihenweise abwarf, in Nachbarländer einmarschierte, Aufrüstung betrieb, da schwiegen die "Heldenoffiziere" noch, da gaben sie sich noch ganz hitlerianisch, folgten ihrem Messias zwar nicht so blind wie die Parteijünger, aber doch in ungesunder Kritiklosigkeit. Der Überfall auf Polen wurde nicht kritisiert, weil es einem Verstoß gegen den Briand-Kellogg-Pakt gleichkam, sondern weil er zu früh erfolgte, weil man die deutsche Wehrmacht noch nicht für bereit hielt, ein Ringen mit halb Europa bestreiten zu können. Vollends erblindet war man aber für die innenpolitischen Mißstände: Das Liquidieren von Oppositionellen und Andersdenkenden wurde gekonnt überspielt, die Ermordungen der SA-Oberen sogar begrüßt. Als man sich zur Umfunktionierung der "Operation Walküre" entschloß, war es niemals das Motiv der Umstürzler, Hitlers Politik zu revidieren, sondern das Erlangte zu erhalten und Friedensverhandlungen mit den Allierten anzustreben. Nicht Bescheidenheit trieb diese "Helden" zum ehrenvollen Umsturz, sondern die Einsicht, dass nur ohne Hitler die territoriale Expansion des Deutschen Reiches abgesichert werden kann. Eine Militärregierung sollte die Geschicke des Reiches vertreten und gegebenenfalls, sofern die Westallierten dazu bereit wären, beim Kampf gegen den Bolschewismus mitwirken. Selbst hier nahmen sich die Attentäter Hitler zum spiritus rector, indem sie seinen Irrtum aufgriffen, wonach die Allierten untereinander zerstritten wären und die USA und Großbritannien früher oder später das Dritte Reich benötigen werden, um gegen Stalin vorzugehen.

Demokratie, Individualismus und Freiheit waren die Leitmotive dieser Offiziersriege nicht. Aber man kann auch aus falschen Prämissen richtige Schlüsse ziehen - zumindest teilweise. Anspruch auf Heldenverehrung hat dieses "richtige Fehlverhalten" allerdings nicht. Da können Magazine, Fernsehdokumentationen und Tageszeitungen verklären was sie wollen, um sich einen Lichtblick in brauner Dunkelheit zu konstruieren. Als Helden taugen die Militärs des 20. Juli nicht. Sie waren vielmehr Repräsentant einer anderen Form von Diktatur...

5 Kommentare:

Stefan Sasse 3. Mai 2008 um 14:14  

Ich möchte aber darauf hinweisen, dass Hitlerermordnungs- und Putschpläne seit seiner Machtübernahme im Militär kursierten und es 1938 und 1939 fast zu solchen gekommen wäre. Vergleiche hier Haffner.

ad sinistram 3. Mai 2008 um 15:32  

Es sei aber auch darauf hingewiesen, dass dieser "frühe Widerstand" ein schüchterner war, der sich nie so richtig traute, den Treueeid zu umgehen. Ein preußischer Soldat - und die Herren Offiziere waren vornehmlich preußisch gedrillt - hinterfragt nicht das Politische, sondern tut das, was man ihm aufgetragen hat. An dieses Leitmotiv hielten sie sich, man kann sogar sagen, dass selbst während der Ausführung des Attentats immer noch die Zweifel dominierten. Viele Mitwisser äußerten sich zweifelnd, mit schlechtem Gewissen, in der falschen Gewißheit, einen fehlerhaften Weg bestritten zu haben.

Es hat erst viel passieren müssen, es haben erst viele Erfolge Hitlers ausbleiben müssen, viele Gebietsverluste eintreten, viele eigene Tote zu beweinen sein müssen, bis man sich durchrang, Hitler zu ermorden. Und selbst in der Ausführung war man nicht felsenfest von der Richtigkeit dieser Tat überzeugt. Vergleiche hier Fest.

Anonym 5. Mai 2008 um 05:08  

"Ein preußischer Soldat - und die Herren Offiziere waren vornehmlich preußisch gedrillt - hinterfragt nicht das Politische, sondern tut das, was man ihm aufgetragen hat."

Kleiner Einwand:
Ein "preußischer" Soldat hinterfragt sehrwohl, er soll ja auch selbstständig entscheiden können.
Das gilt zumindest für das Schlachtfeld.
Das "blinde" Ausführen von Befehlen findet man eher in anders geprägten Armeen wieder.

ad sinistram 5. Mai 2008 um 07:56  

Ein "preußischer" Offizier umgeht keine Schwüre, die er abgelegt hat. Diese Vasallentreue, in die sich die Wehrmachtmilitärs gefangen sahen, der abwesende Mut und die mangelnde Kritikfähigkeit, offenbarten sich als die schwerwiegendsten Hemmnisse, Hitler zu beseitigen. Obwohl der Treueeid auf den Führer verfassungswidrig war, fühlten sich die Offiziere daran gebunden.

Dies ist eben nicht die angesprochene aufgeklärte Haltung des Wehrmachtsoffiziers, der in seinem Handeln sehr wohl noch preußisch gesittet war, sondern tiefstes Führer-Vasallen-Verhältnis, geradewegs aus dem Mittelalter entsprungen; geradewegs passend für einen Staat, der bis 1918 feudale Zustände in sich barg.

Anonym 8. Mai 2008 um 14:25  

Nur hinzugefügt: die Wehrmacht unterlag nicht der Missionierung der NSDAP und war die einzige Organisation, die Hitler Einhalt hätte gebieten können, ohne eine Auseinandersetzung mit der SS u.ä. fürchten zu müssen. Bezeichnend ist für mich die Fritsch-Blomberg-Affäre von 1937/1938, als sich die Wehrmacht durch Verleumdung ihrer Fürhungsspitze widerstandslos berauben ließ und Hitler selbst das Oberkommando übernehmen konnte. Allerspätestens ab hier hat die Generalität ihren Anspruch auf "Ehre" verloren.

Ohne die individuelle Tapferkeit von Stauffenberg in Zweifel zu ziehen: hier hat der mutige Teil einer Kaste ihre Felle davonschwimmen gesehen. Es war die reine Schadensbegrenzung. Besser als die Fortführung des Krieges jedoch allemal.

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