De dicto

Dienstag, 29. April 2008

„Das kleinste Problem von Hartz-IV-Empfängern ist das Untergewicht. [...] Wer als Hartz-IV-Empfänger die Kraft für ein Ehrenamt hat, sollte vielleicht auch mal die Kraft aufbringen, sich um Arbeit zu bemühen, und dort seine ersten Aktivitäten hineinlegen. [...] Ich bin seit 35 Jahren in der SPD, weil sie sich am meisten für eine aktive Zukunftsgestaltung einsetzt. Dazu gehört aber auch, dass man über den richtigen Weg diskutiert!“
- Thilo Sarrazin (SPD), Berliner Finanzsenator, bei "Anne Will", zitiert aus der BILD-Zeitung -
Zum Gesagten sei angemerkt: Das alles und noch so einiges mehr, was hier keine Zitierung fand, ist also in Augen des Berliner Finanzsenators Sarrazin Ausdruck fruchtbaren Diskutierens, ist legitime Form demokratischen Ringens um "richtige Wege". Nun darf man selbst vermuten, was Sarrazin unheilschwanger als den "richtigen Weg" begreift. Die Historie, gerade auch der deutsche Teil selbiger, bietet viele Beispiele von "richtigen Wegen", die man einzuschlagen habe. Alleine dieses unpräzise Schwadronieren um nicht definierbare Heilsziele macht den Senator verdächtig. Und tatsächlich: Wenn man die verächtlich-zynische Masche dieses Herrn mit den Maschen vergleicht, die in braun-uniformierter Vergangenheit gleichermaßen zynisch und ehrabschneidend wirkten, dann muß man den "neuen, richtigen Weg" als einen eigentlich "alten, falschen Weg" einstufen.

Es ist schon mehr als dreist, sich als Stimme der Vernunft zu verkaufen, die um Erkenntnis bemüht ist, dabei "unbequeme Wahrheiten" ausspricht, denen natürlich hinter vorgehaltener Hand zugestimmt wird - (Die BILD dazu: "
Und viele sagen: Na und, der hat doch recht!") -, während man im selben Atemzug jene diskreditiert, die sich selbst nicht zu helfen wissen. Hört man sich dann noch an, wie Sarrazin zur Begrenzung der Managergehälter steht, die seine Partei in halbherziger - d.h. in guter sozialdemokratischer Nicht-Fisch-nicht-Fleisch-Manier - ersonnen hat, so wird vollends sichtbar, welche Sorte Sozialdemokrat in diesem Mann schlummert. Wertlose Symbolpolitik sei dies, daher zu unterlassen. Jeglicher Idealismus scheint einem fatalistischen Nihilismus gewichen zu sein, zumindest in Fragen, die jene betreffen, die sich noch wehren können, die sich auf Millionengehälter stützen können, wenn es um ihre Belange geht. Den Wehrlosen aber, die keine Lobby in dieser Gesellschaft (mehr) haben, drückt man eine verbale Frechheit nach der anderen aufs Auge, ergänzt die "praktischen Frechheiten" - also das System der sterilen Armenverwaltung - durch Hetztiraden. Ja, man gibt ihnen gar Speisepläne vor, die unausgegorenes Halbwissen offenbaren und deutlich machen: Wer nicht arbeitet, nicht arbeiten kann oder will, der soll hungern, soll in einer Gesellschaft, in der es volle Lebensmittelregale gibt - die irrationale Rationalität -, Brühe schlürfen und trockenes Brot kauen.

Einst berichtete die BILD mit einer offensichtlichen Spur von Verächtlichkeit von den "Sozen", die dem Land nur Kosten aufbürden und keine rechte Politik - sic! - zu machen wissen. Heute feiert die BILD auch Sozialdemokraten, läßt einerseits "kantige Hardliner" wie Sarrazin oder vormals Clement hochleben, tut andererseits betrübt, weil der Bundestag ohne Peter Struck bald farbloser sei. Die Sozialdemokraten sind zu einem konservativen Faktor geworden, den auch die BILD-Zeitung nicht mehr lächelnd beiseite schieben kann. Wer sich an Reformen wagt - die selbst die schwarz-gelbe Koalition nicht umsetzten wollte (Man denke an den Spitzensteuersatz, der damals 51 Prozent betrug, während er unter Rot-Grün auf 42 Prozent abgesenkt wurde!) -, so wie es die Schröder-Regierung tat, der kann ja gar nicht so teuer und stümperhaft Politik machen, wie man es der SPD früher nachsagte. Nein, wer so verfährt, der ist konservativer als die Konservativen und daher auch für die BILD erwähnens- und lobenswert. Und wer es versteht, eine platte Hetzkampagne als Weg der Erkenntnis an den Mann zu bringen, der wird in der BILD zum fähigen und tatkräftigen homo politicus, zum politischen Heroen verklärt; zum Hoffnungsträger einer Nation, in der sonst nur angeblich schlaffe Politikernaturen, die teilweise noch dem veralteten Menschenbild der Aufklärung nachhängen, ihren Dienst nach gutmenschlicher Vorschrift tun. Beamtennaturen wie Sarrazin haben den "neuen Typus Mensch" verinnerlicht, daher gelten sie im Hause Springer als die zukünftigen Männer, die dieses Land formen werden.

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