Vorwärts zur MAPOLA

Donnerstag, 20. März 2008

Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sich der allgemeine Privatisierungswahn auch im Bereich der Kinderbetreuung niederschlägt. Erschreckend ist dennoch, dass unser kostbarstes Gut - so nennt die Politik in schmeichlerischer Wortwahl gerne unsere Kinder - in die Hände eines Unternehmens geraten soll, welches Kinder als Objekt seiner eigenen Profitmaximierung betrachten muß, will es denn am freien Markt nicht untergehen. Einmal mehr fordert die Union einen Vorstoß zur Förderung privater Betreuungseinrichtungen; einmal mehr wird ersichtlich, wie sich Konservatismus mit sprödem Zeitgeist anreichern läßt, wenn es nur dem totalen Markt dienlich ist. Was einst der Weihrauch im Kopfe des christlich motivierten Zeitgenossen verdrehte und erweichen ließ, schafft heute der freie Markt und seine schwammigen Dogmen von Privatisierung und Deregulierung.

Es ist wohl hierzulande keine Dystopie mehr, sich ein Bildungswesen zu ersinnen, welches von Konzernen wie McDonalds oder Coca-Cola unterstützt wird. Anstatt Schuluniform wird das Firmenlogo sichtbar am Leib getragen; statt der üblichen Pausenmilch gibt es koffeinhaltige Limonade, statt Pausenbrot einen Hamburger zum bezahlbaren Schülerpreis; wer die "guten und edlen Absichten" des Sponsors mit Füßen tritt, wer kein Firmenlogo dulden mag oder lieber doch Milch trinkt, macht sich zum Schulfeind. Was sich hier als Szenario ausnimmt, ist an manchen Schulen der Vereinigten Staaten Alltag. Dort wird Sponsorenabtrünnigkeit zuweilen auch mit Schulverweis und Suspendierung geahndet. Fälle, in denen Schüler T-Shirts mit dem Logo des Sponsors zu tragen haben, gibt es bereits in Deutschland. Hierbei wird gewiss keine Rücksicht auf das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 (1) GG) genommen.

Und in dieser Weise hievt sich auch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ins Bildungswesen. Diese arbeitgeberfinanzierte Organisation schickt sich an, Unterrichtsmaterial für die Themengebiete "Arbeitsmarkt, Bildung, Selbstständigkeit, Soziale Sicherung, Schlanker Staat und Neue Arbeitswelt" in die Hauptschulen zu schleusen. Man wird nie müde, die eigene Ideologielosigkeit in Szene zu rücken. Die neoliberalen Thesen zeichnen sich ja nur durch Pragmatismus, nicht aber durch ideologische Ansatzpunkte aus, heißt es da unisono aus dem Munde arbeitgeberorientierter Initiativen. Doch in gleicher Weise wie einst die großen, unheilschwangeren Ideologien des 20. Jahrhunderts, wissen auch die Reformer, dass man über dem Weg engagierter Jugendarbeit zum Erfolg gelangt. Indem man junge Menschen bedrängt, ihnen erzählt, dass nur der schwache Staat Stärke und nur der anpassungsfähige Bürger Rechte habe, züchtet man sich einen neuen Menschentypus heran. Die Kaderschmieden kommunistischer Färbung und die aktiven Jugendprogramme im nationalsozialistischen Deutschland haben sicher andere Imperative in die Köpfe junger Menschen geprügelt, wie es die neoliberale Schule heutzutage tut. Aber das Prinzip, die Jugend mit immer gleichen Thesen geistig zu ermatten, sie damit form- und prägbar zu machen, ist kein neues, sondern ewiges Gebot jeglicher Massenideologie.

In ähnlicher Weise fungiert SAP-Gründer Hector, der der Karlsruher Universität eine "Rekordspende" von 200 Millionen Euro zukommen ließ. Um dem verliehenen Eliteprädikat gerecht zu werden, bedarf die Karlsruher Universität elitärer Professoren, die nicht ganz billig zu haben sind. Hier soll Hectors Spende greifen: Als eine Art Kombilohnmodell sollen die Karlsruher Professoren staatliche Bezüge nebst hectorianischer Generosität auf ihr Konto überwiesen bekommen. Es versteht sich von selbst, dass man nicht nur bezahlen, sondern auch Einfluß geltend machen will: "Über die Vergabe entscheidet ein Kuratorium mit Vertretern aus Wirtschaft und Universität." - Auch hier soll sich also ein Wandel von einer Bildungseinrichtung zu einer wirtschaftlichen Zuchtanstalt vollziehen. Relevant sind vorallem betriebswirtschaftliche Studiengänge, in denen die Wirtschaftseliten (und solche die es gerne mal wären) an die Interessen ihrer baldigen Brotgeber herangeführt werden. Was einst die NAPOLAs (Nationalpolitische Erziehungsanstalten) waren, sollen heute die MAPOLAs (Marktwirtschaftspolitische Erziehungsanstalten) übernehmen.

Das Bildungswesen wird mehr und mehr einem wirtschaftlichen Totalitarismus unterworfen, welcher sich dasjenige zur Maxime erhebt, was dem Markt dienlich ist. Selbst die "herrschende Philosophie" (sofern man sie so bezeichnen kann) wirft sich devot zu Boden, um den Zeitgeist zu seinem (Un-)Recht kommen zu lassen. Nur deswegen lassen sich quasi-philosophische Ansatzpunkte erdenken, die da lauten: Wettbewerb ist solidarisch. Hier vollzieht sich ein philosophischer Rückfall ins Mittelalter. Seinerzeit diente die Philosophie dazu, die kirchlichen Glaubensdogmen hinreichend zu begründen und sie auf eine profanere Stufe zu stellen, um damit die letzten Zweifler gefügig zu machen.

Nicht mehr Jura, BWL, VWL, Journalistik etc. wird an den Universitäten gelehrt, nicht mehr Mathematik, Deutsch, Geschichte an den Hauptschulen. Es wird der homo oeconomicus gelehrt, in all seiner Facettenlosigkeit, in all seiner beamtengleichen Trockenheit, in all seiner Treue zum System; es wird der Apparatschik gelehrt, der Agenda-Mensch mit all seinem elitär-vulgären Leistungsprinzip; es wird unser über Jahrhunderte entstandenes Bildungsideal geleert.

2 Kommentare:

Andi 20. März 2008 um 14:15  

Mein lieber Roberto,
dieser Einfluß beginnt nicht erst in den Schulen. Schon die öffentlichen Kindergärten müssen ihr sark eingeschränktes Budget durch wohlwollende Industriemagnate auffüllen lassen, was dann zu solch tollen Errungenschaften führt, wie wirklich pädagogisch wertvolle Lernprogramme für Schulanfänger, die jedoch leider extrem microsoftlastig sind, damit der junge Mensch schon früh lernt, wo er später seine multimedialen Interessen zu befriedigen hat. Dabei ist die Art der Beeinflussung der Kinder dermaßen plump, daß es fast schon weh tut.

Der Kindergarten kann nun jedoch einen modernen PC für Verwaltungsarbeiten sein Eigen nennen und die sattatlich subventionierte Kiste mit Win95 endlich in den längst überfälligen Ruhestand versetzen.

Nur ein Beispiel ...

Anonym 20. März 2008 um 23:09  

Lieber Roberto,
ich komme mir zwar vor wie der Pawlowschen Hund, wenn ich mal wieder bei diesem Beitrag protestiere, aber dennoch: Deine Aufregung über die Schulfinanzierung durch ein paar Kapitalisten klingt für mich wie das Echauffieren darüber, dass ein Kind in den Ozean pinkelt.
Sorry, aber das deutsche Bildungssystem ist nach wie vor ein staatliches Monopol. Durch die SAP-Millionen wird es nicht zu einer Institution des Marktes. Schuluniformen sind ein Auswuchs des Etatismus. Es ist nicht der Markt, der Vielfalt und Selbstentfaltung im Schulwesen zerstört, sondern der Staat.
http://www.paxx.tv/?p=106
http://www.paxx.tv/?p=446
http://blog.freiheitsfabrik.de/?p=1090

Ich halte auch die Vorstellung für absurd, dass Vater Staat in seinen Schulen Werbung für den freien (!) Markt betreiben würde - damit würde er sich ja ins eigene Fleisch schneiden. Das ist so offensichtlich, dass sich sogar die sonst kritik- und denkfaulen Neoliberalen echauffieren: http://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23161FE44/Doc~E76F5E90BABA4496EACDACC57DD763257~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Zu guter Letzt: Das Gerede vom "kostbaren Gut" finde ich nicht "schmeichelhaft", sondern menschenverachtend.
http://www.paxx.tv/?p=442

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