Krieg bedeutet Frieden, Freiheit ist Sklaverei und Unwissenheit ist Stärke

Dienstag, 11. März 2008

Seit Jahren wirft man denen, die die sogenannten Anti-Terror-Gesetze kritisieren, vor, sie würden schlimmste Panikmache betreiben, einen apokalyptischen Staat herbeiphantasieren und diesen politisch instrumentalisieren, regelrecht eine Dystopie beschwören, die eben durch solche Gesetzesmaßnahmen erst verhindert, nicht verwirklicht würde. Diesbezügliche Gesetzespakete als Teufelswerk zu stilisieren, wurde und wird als blinder Aktionismus dieser Apokalyptiker gesehen. Denn den einzig wahren Aktionismus bedarf es nur in der Frage der schnellen Umsetzung und in der effektiven Anwendung solcher Gesetze. Wir sollten einsehen, dass man diese Kritiker zurecht gemaßregelt hat. Denn wir brauchen diesen Schutz, wir müssen uns wahrlich vor dem weltumspannenden Terrorismus schützen. Er lauert überall, kann uns jederzeit ins Unglück stürzen.

Und um dieses Schutzbedürfnisses willen, verabschiedete kürzlich der Senat und das Repräsentantenhaus ein neues Geheimdienstgesetz. Prompt folgte die Antwort der Terroristen und machten damit ersichtlich, wie dringend nötig diese Kontrollgesetze doch eigentlich sind: "US-Präsident George W. Bush hat sein Veto gegen ein Verbot der umstrittenen Verhörmethode "Waterboarding" eingelegt, bei der die Gefangenen das Gefühl haben zu ertrinken. Solche gesetzlichen Vorgaben würden die Hände des Auslandsgeheimdienstes CIA im Kampf gegen "abgehärtete Terroristen" binden, sagte Bush am Samstag in seiner wöchentlichen Radioansprache." - Die Methoden der Terroristen sind wirklich ausgefeilt und von höchstem technologischem Anspruch. Sie stürmen nicht nur mit ordinären Teppichmessern Flugzeuge, sondern sie haben sich "alternative Methoden" entworfen, die gefangenen Personen vorgaukeln, dass man ihnen das Leben rauben würde, wenn sie nicht kooperierten.

Dies ist die vielzitierte freiheitliche Demokratie, welche die westliche Welt - allen voran die Vereinigten Staaten - dem gesamten Erdenrund angedeihen lassen will. Man verurteilt und verfolgt muslimische Fundamentalisten, die sich terroristischen Mitteln bedienen, wendet aber gleichermaßen Terror an, wenn es sich der eigenen Sache als dienlich erweist. Aber Terror ist erlaubt, wenn er im Sinne unserer Ideologie, der Ideologie der freiheitlichen Gesellschaft, die sich lediglich als "Freiheit der Renditen" manifestiert, angewandt wird. Niemand denkt an die ETA, wenn man vom internationalen Terrorismus spricht. Nein, der internationale Terrorismus ist jener, der kulturell - und somit soziologisch - bedingt die "Freiheit der Renditen" nicht haben will. Die ETA bombt zwar, erschießt, bedroht, erpresst und foltert, aber all diese Tätigkeiten nehmen sich milde aus, solange sie das kapitalistische Wesen unserer Gesellschaft axiomatisch abnicken. Die qualitative Unterscheidung nimmt sich folgendermaßen aus: Die baskischen Separatisten lassen aus nationalistischen Gründen Bomben detonieren, stellen das System aber nicht in Frage und morden demgemäß nicht aus Gründen ideologischer Andersartigkeit. Daher ist das Tun westlicher Folterknechte nicht als unmenschlich, sondern als notwendig zu bewerten. Und daher verfolgen die geheimdienstlichen Inquisitoren, wie einst die Ochrana, nicht nur Andersdenkende, sondern - wie im Falle al-Masris - auch Andersaussehende.

Wer beschützt die Menschen also vor dem wirklichen Terror? Vor dem Terror, der legitimiert durch Volksvertreter, Parlamente und Gesetze wütet? Vor dem Terror, den man als notwendiges Übel, als unvermeidlichen Teil des Systems begreift? Vor dem Terror, der Krieg meint, wenn er Frieden sagt; der Sklaverei meint, wenn er Freiheit sagt; der Unwissenheit als Grundlage seiner Stärke ansieht? Vor dem Terror, den man kaum erkennt, weil er als staatliche Institution auftritt? Vor dem Terror, den man nicht kritisieren kann, weil man sonst selbst unter Verdacht gerät?
Terror ist eben Ansichtssache...

6 Kommentare:

Anonym 11. März 2008 um 16:23  

Vor dem Terror, den man nicht kritisieren kann, weil man sonst selbst unter Verdacht gerät?
Na und? Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei....
Das Ende für dieses unwürdige System kommt. Ich ziehe es vor, nicht zu den Tätern zu gehören.
Daniel Rotzinger

Anonym 11. März 2008 um 18:53  

Bravo, Roberto. Dem bleibt kaum noch etwas hinzuzufügen.

Mit allzu sicheren Todesprophezeiungen für das kapitalistische System wie im Kommentar über mir wäre ich dagegen etwas vorsichtiger. Denn eben dieses hat sich in der Vergangenheit höchst wandlungs - und wehrfähig gezeigt, zum Beispiel indem radikaler Protest in Pop und somit in Profit verwandelt wurde (Che Guevara - Shirts, die Allgegenwärtigkeit von roten Sternen usf.).

Andi 12. März 2008 um 07:53  

Meine Herren,
ich würde diese Thematik nicht auf die leichte Schulter nehmen! In Zeiten, in denen hinter fast jedem Baum ein Terrorist lauert, sollte man mit solchen Aussagen etwas vorsichtiger sein. Die USA ging bereits, wie wir alle wissen, mit gutem Beispiel voran. Der "Patriot Act" muß auch in Deutschland Einzug halten. Dieses Opfer muß jeder seiner eigenen Sicherheit zu Liebe breit sein einzugehen. Wer frei sein will, muß sich halt ein wenig einschränken lassen können. Wir sollten dankbar sein, daß es weitsichtige Politiker gibt, die sehr um unser Wohlergehen besorgt sind.

Also: Klappe halten und staatskonform denken und vor allem, Klappe halten!

Dominik Hennig 13. März 2008 um 20:17  

Bravo, bravissimo! Warum nur lese ich bei meinen "neoliberalen" (oder auch klassisch liberalen) Bloggerkollegen so selten eine so fundierte wie prononcierte Kritik am warfare-etatistischen Orwellianismus?

Aber warum werden diese wohltuend hellsichtig-strahlenden Momente linker Staatsfeindlichkeit immer wieder durch verquer-marxististischen Voodoo-Ökonomismus an anderer Stelle verdunkelt?

Man sehnt sich nach den Tagen von Proudhon und Bastiat zurück.


Linkslibertäre Grüße
DDH

Anonym 14. März 2008 um 00:46  

Linke Agitation gegen den Polizeistaat - skurril. Ihr seid doch sonst mit die Ersten, die die wirksamste Institution zum Schutz der Freiheitssphäre des Einzelnen, nämlich Privateigentum, mit Staatsgewalt niederwalzen. Begleitet vom tosenden Applaus für die Schaftstiefelträger des institutionalisierten Staatsterrors.

scrutograph 14. März 2008 um 23:53  

Und was soll an den Taliban und El Quaida im Vergleich zu baskischen Nationalisten so ganz besonders renditefeindlich sein?

Die islamistischen Terroristen sind von ihren - auch finanziellen - Möglichkeiten einfach eine viel größere Gefährdung für den Westen als die ETA.

Rendite bedeutet Leben. Anti-Renditismus ist lebensfeindlich.

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