Ostalgie

Freitag, 15. Februar 2008

Wer erst in den Verhörungszimmern der Staatssicherheit saß, dem dämmerte es bald, daß es keinen Ausweg aus dieser Zwangslage gab. Als Verunreiniger der "Neuen Gesellschaft", als einer, der die "westliche Dekadenz" in die DDR trug, konnte der Festgenommene sicher sein, solange festgesetzt, verunsichert, eingeschüchtert und drangsaliert zu werden, bis er zu Zugeständnissen bereit war. Dabei spielte es keine Rolle, ob diese wahr oder erfunden waren. Maßgebend war zu diesem Zeitpunkt des Einbrechens nur noch, daß die Weiße Folter endlich ein Ende findet. Die Verhörspezialisten gaben der Partei die Geständnisse, die sie hören wollte.

Zur allgemeinen Strategie der Stasi gehörte es, dem Verdächtigen den Eindruck zu vermitteln, man könne ihn jederzeit von Frau und Kindern wegholen, um ihn zu vernehmen. Ausreichend um überhaupt auf der Liste der Gedankenschnüffler zu landen, war es schon, wenn man einer gesellschaftlichen Organisation der DDR oder der SED die Mitgliedschaft verweigerte. Eine Verweigerung als inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig zu werden, galt ebenso als höchst suspekt. Wer sich mit der Stasi anlegte, hatte mit Berufsverbot, Exmatrikulation, Verdienstabzug oder Bildungssperre zu rechnen. In vielen Fällen nahm man verdächtigen Eltern die Kinder weg und brachte sie bei linientreuen Genossen unter.

So geschah es auch im Falle Christian Dertingers. Sein Vater Georg Dertinger, Außenminister der DDR, wurde 1953 mitsamt seiner Familie verhaftet. Georg Dertinger wurde in einem Schauprozess wegen angeblicher "Spionage und Verschwörung" zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Sein jüngster Sohn Christian kam bei einer SED-treuen Pflegefamilie unter (die Familie eines Stasi-Mannes, der mit dem "Fall Dertinger" betraut war). Nachdem Christians Mutter, die ebenfalls zu Zuchthaus verurteilt wurde, wieder auf freien Fuß war, wurde er der Pflegefamilie wieder entrissen. (Die Pflegemutter erholte sich nie mehr von dieser Trennung und starb bald darauf.) Seiner Mutter vollkommen entfremdet, mußte er einen Neuanfang bestreiten.

Während der "Fall Dertinger" einige Berühmtheit erlangte, blieb das Leiden vieler Unbekannter in Schweigen gehüllt. Wahllos bemächtigte sich die Stasi der sogenannten Weißen Folter, also solchen Foltermethoden, die die Psyche eines Menschen angreifen und keine unmittelbar sichtbaren Folgen hinterlassen: Schlafentzug, Isolation, Konfrontation mit gezielt eingesetzten Falschinformationen, Reizentzug, dauerndes Stehen beim Verhör, Scheinhinrichtungen. Zum Abschluß konservierte die Stasi Geruchsproben jedes Verdächtigen in einem Einweckglas, um den Betreffenden über Gerüche zu identifizieren.

Kürzlich sprach sich die niedersächsische Landtagsabgeordnete Christel Wegner (LINKE) für eine Neuauflage der Stasi aus. Sie solle die antirevolutionären Umtriebe in Schach halten. (Wo diese Dame eine Revolution erblickt, ist bis zur Stunde ungeklärt.) Diese Forderung muß ein brutaler Schlag ins Gesicht desjenigen sein, der die Menschenverachtung in Stasi-Kellern hat ertragen müssen. Den Verklärern der DDR innerhalb der LINKEN kann man nur empfehlen, sich zu Innenminister Schäuble zu begeben, um mit ihm eine Einheitsfront aufzubauen. Er bastelt bereits munter an einer neuen Staatssicherheit, inklusive Geruchsprobenkonservierung, als Hommage an die DDR.

1 Kommentare:

Anonym 16. Februar 2008 um 19:40  

Aber sie liebten doch alle Menschen!

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