In nuce

Mittwoch, 13. Februar 2008

Alleine die Forderung nach türkischsprachigen Schulen ängstigt die deutsche Politik dermaßen, daß sie meint, die Türkei vor der Einmischung in die Innenpolitik warnen zu müssen. Die 117 deutschen Schulen außerhalb der Bundesrepublik, bleiben bei dieser Debatte Tabuthema. Und während englischsprachige Schulen nicht nur geduldet, sondern geradezu gewollt sind, versteift man sich darauf, türkische Schulen zu diabolisieren. Warum dies so ist, fragen sich auch andere Freidenker und übernehmen ein Fazit, welches sich in der Süddeutschen Zeitung fand: "[...] dass es hier nicht um die Sprache und Kultur, sondern um die Abwehr einer Unterschicht geht."

Nach längerer Pause hetzt die BILD-Zeitung erneut gegen Langzeitarbeitslose. Aufgerechnet wird erneut das zur Verfügung stehende monatliche Niedriglohneinkommen einer Familie mit den Regelsätzen einer Bedarfsgemeinschaft. Dabei zieht die BILD nicht das Kindergeld vom Regelsatz des Kindes ab, sondern addiert es einfach hinzu. Kindergeld gilt aber als Einkommen und wird vom Regelsatz abgezogen. Gleichermaßen erwähnt die BILD nicht, daß eine Familie, die von einem Niedriglohn leben muß, entweder mit ALG2 aufstocken oder Wohngeld beantragen kann. (Außerdem bedient sich die BILD mehrerer Tricks, um den Leser von der fadenscheinigen These, wonach ALG2 ausreichend sei, zu überzeugen.) Bei dem BILD-Beispiel (1.500 Euro Gesamteinkommen im Monat) dürfte der Aufstockungsbetrag zwischen 200 und 300 Euro liegen. Somit hat der Arbeitende also sehr wohl mehr in der Tasche als der ALG2-Bezieher. Nur paßt dies nicht ins Konzept. Denn BILD fordert - zum einen - härtere Sanktionen und ignoriert den bereits existierenden Maßnahmenkatalog. Zum anderen folgt man spezieller BILD- und Lobbylogik: Nicht der Arbeitende verdient zu wenig, sondern der Arbeitslose bekommt zuviel. Anders also: Nicht bestmöglicher Wohlstand für jeden, sondern Armut für alle! Wer BILD liest, bleibt eben der Dumme. Heute geht die BILD-Kampagne weiter. "Mutige" Sachbearbeiter, die weder abgebildet noch genannt werden wollen, sprechen von ihrem harten Alltag mit Faulenzern und Schmarotzern. Kein Wunder also, wenn derartig medial aufbereitete Kleingeister-Paraden bewirken, daß immer mehr Bürger Arbeitslose als Last empfinden. Der Lebenswert des Einzelnen richtet sich mehr und mehr nach dem, was er zu leisten imstande ist; der Mensch als ökonomischer Faktor und nicht als unantastbarer Würdeträger.

Der Spiegel ist versucht, den Begriff "Neoliberalismus" zu erklären und macht dabei den "Anti-Neoliberalen" klar, daß die soziale Marktwirtschaft ein Produkt neoliberalen Denkens ist. Das mag man sogar noch so stehenlassen. Ebenso die Einsicht, daß die Väter der sozialen Marktwirtschaft einen starken Staat forderten. Was dies aber mit den sogenannten Neoliberalen unserer Zeit zu tun hat, läßt Reiermanns Artikel offen. Vielmehr beendet er abrupt mit einer fadenscheinigen Argumentation: Neoliberal sei eben das, was man sich gerade darunter vorstellen will. Man fragt sich: Gingen dem Verfasser die Blätter oder die Gedanken zuende?

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