Hessische Stammtischparolen

Freitag, 4. Januar 2008

Roland Kochs rassistischer Auswurf, mit dem er in den letzten Tagen um sich spuckte, bezog sich auch auf einen Fall von Gewaltanwendung in Berlin-Schöneberg. Ein 51-jähriger Mann bat zwei Jugendliche, sie mögen damit aufhören, Feuerwerkskörper auf dem Bahnsteig zu zünden, vorallem auch, weil sich eine junge Frau und ihre Tochter bedroht fühlten. Daraufhin wurde der Mann zusammengeschlagen. Koch ist währenddessen damit beschäftigt, den deutschen Sittenwächter zu mimen, der die deutsche "Hausordnung" - wie er es nennt - in den Köpfen ausländischer Mitbürger verankert wissen will.

Integration ist der Euphemismus, wenn dem die politische Klasse wirbt. Die Debatten um integrative Maßnahmen sind nie frei von Pression, die man an den "Fremden" - um den Jargon der Exklusion zu nutzen - ausüben würde, wenn sie nicht spuren, wie es der deutsche Rohrstock gerne hätte. Es fällt schwer, dem Grundgesetz Sympathie abzuringen, wenn im Nacken der Zuchtmeister auf seinen möglichen Einsatz wartet. Sprachkurs oder Ausweisung, Beachtung deutscher Sitten oder Ausweisung, Spuren oder Ausweisung - ist das integratives Denken? Will jemand in eine Gemeinschaft aufgenommen sein, wenn man ihm schon vorher mit dem Ausschluß droht?

Der sogenannte Sechs-Punkte-Plan, den sich Koch in einer schlaflosen Nacht erdacht haben mag, wurde von Kriminalexperten als kontraproduktiv zurückgewiesen. Weder eine "Schnupperhaft" noch längere Haftzeiten verhindern Kriminalität. Erziehungslager, rekrutierend aus deutscher Geschichte, weisen in den USA höhere Rückfallraten auf und werden selbst oft gewaltsam betrieben. Immer wieder kommt es zu Mordfällen. Ganz abgesehen davon: Wie soll ein junger Mensch Respekt vor Mitmenschen bekommen, wenn er monatelang würdelos behandelt wird? Eine Militarisierung jugendlicher Gewalttäter löst die Problematik nicht auf, sondern gibt dem Aggressionspotenzial neue Nahrung.

Es wirkt gerade so, als würden sämtliche ausländischen Gewalttäter Koch unterstützen; als würden sie nun Amok laufen, um dessen Thesen zu untermauern. Allen Anschein nach häufen sich die Fälle von Gewaltanwendung. Doch Fälle dieser Art kamen auch schon vor, als die Medien nicht darüber berichteten. Jetzt aber fundamentiert man Kochs Forderungen, die immer schon den Kern innenpolitischer Absichten hierzulande ausmachten, indem man brav jeden Fall von Gewaltanwendung in Szene setzt. Rassistische und fremdenfeindliche Anflüge, über Jahrzehnte gefestigte Ressentiments finden in Kochs Parolen Befriedigung. Der deutsche Stammtisch weiß sich gut aufgehoben, wenn er solche "Wahrheiten" aus offiziellem Munde vernimmt.

Zurück zum eingangs erwähnten Fall, der sich in Berlin-Schöneberg zutrug. Das Opfer war ein Ghanaer, die Täter zwei angetrunkene Deutsche. Freilich wurde nirgends ausdrücklich erklärt, es würde sich in diesem Falle erneut um ausländische Gewalttäter handeln, doch Kochs stetes Bemühen, in volksverhetzender Art und Weise, einen gesamten Bevölkerungsteil zu diskreditieren, erlaubte keine analytische Betrachtung des Falles. Mit derartigen Nebensächlichkeiten kann sich Koch aber nicht aufhalten, immerhin befindet er sich auf Werbetour zur Renaissance traditionell-deutsche Tugenden: Anstand, Disziplin, Fleiß, Ordnung und Pflichtgefühl. Von der Zivilcourage des Ghanaers spricht er nicht, spricht niemand. Womöglich hat sich der Afrikaner nicht an die "deutsche Hausordnung" gehalten.

Bei aller Diskussion in diesen Tagen, handelt es sich nicht um die Opfer, deren Herkunft mannigfaltig ist. Fremdenfeindliche, gar rassistische Anlagen werden in die Debatte geworfen, um dort endlich zur politischen Leitvorgabe zu werden. Nicht mehr zögerlich und mit etwas Schamesröte soll dann das "deutsche Wesen" vom sittenlosen Fremden gesäubert werden, sondern zielgerichtet und ohne falsche Ausreden. Wenn sich dies noch mit Repressalien gegen nichtsnutzige Jugendliche verbinden ließe, würde dies die Herzen der deutschen Stammtischbrüder erfüllen. Alleine dies Vorgehen mit Kochs Kalkül im Bezug auf die Landtagswahl abzutun, so wie es viele Medien tun, ist das Feigenblatt, welches er sich am Ende davorhalten kann. Eine solche Feststellung, weshalb man nur der Wahl wegen so agieren würde, beschwichtigt den kleinbürgerlichen Rassismus, der aus allen Poren dieses Weltbildes kriecht.

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