Der Tag, der unser Leben veränderte

Mittwoch, 26. Oktober 2016

Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einst war. Heute vor fünfzehn Jahren hätte sich unser aller Leben schlagartig verändert. Das las man bereits vor fünfundvierzig Tagen - der Hinweis darauf geschah wie jedes Jahr mal wieder verfrüht. Denn am 11. September vor fünfzehn Jahren hat sich wenig in unser aller Leben verändert. Für die Familien der Toten schon - für die Skyline New Yorks auch - und auch für die Versicherungen, bei denen Schadensfälle eintrudelten. Aber für den Rest der Menschheit veränderte sich zunächst herzlich wenig - manche waren emotional verändert, aber letztlich lief der Rest der Welt wie eh und je geschmiert. Man ging arbeiten, sorgte sich um das Abendbrot und bibberte der nächsten Ausgabe von »Wer wird Millionär?« entgegen.

Richtig ist es so: Heute vor fünfzehn Jahren änderte sich etwas. Heute vor fünfzehn Jahren erblickte der USA PATRIOT Act das Licht der Welt - die Mutter aller Anti-Terror-Gesetze, die in der westlichen Welt folgen sollten. Als der Kongress dieses Machwerk verabschiedet und der damalige US-Präsident es per Unterschrift aktiviert hat, dieses Machwerk, das uns nach Guantánamo und zu Waterboarding lotsen sollte, war es einer dieser historischen Augenblicke, in dem sich die Welt, wie sie war, aus unserer Realität verabschiedete. Sie war urplötzlich ein Tummelplatz von Terroristen, von sieben Milliarden potenziellen Terroristen. Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich nicht fürchten! So lautete die neue Losung. Und der überwachte Bürger antwortete brav und ängstlich, dass er wirklich, ganz ehrlich nichts zu verbergen habe. Dabei ist es nur gut, nur menschlich, dass es Dinge gibt, die man verbirgt. Persönliche Geheimnisse: Plötzlich waren sie das Vorzimmer zum Terrorismus.

Nicht der 11. September war es, der unser aller Leben wandelte - es war jener 26. Oktober vor fünfzehn Jahren. Vor diesem Tag hatte man unveräußerliche Menschenrechte, durfte Geheimnisse haben; man war der Bürger seines Staates - danach beäugten Staatsrechtler den Bürger mit einem Feindstrafrecht. Missliebige Bürger ernteten vorher vielleicht Zorn, Unflätigkeiten einiger dümmlicher Zeitgenossen - jetzt konnte es aber in Gewahrsam enden, auf der pittoresken Insel Kuba gar, fern jeglicher Bürgerrechte, fern jeglicher juristischen Beratung. Staaten der westlichen Welt nahmen sich ein Beispiel daran, fertigten sich ihren PATRIOT Act nach gegebenen Zuständen an. Terrorismusbekämpfungsgesetze, die nicht bindend in Gefangenenlager weisen, aber ein Klima des Misstrauens erzeugt haben, eine Überwachungsindustrie befeuerten und jeden Bürger zum personifizierten Verdachtsfall erklärten.

Dieser 26. Oktober, er war auch das Fanal zur Überwachung Europas. Anti-Terror-Pakete mit tollen Features erblickten bald darauf das Licht der Welt. Sieh her, Amerika, das ist unsere »bedingungslose Solidarität«, die wir dir versprachen! Schnüffeleien aller Art wurden betrieben. Nicht gegen Terroristen, nein, gegen G8-Gegner zum Beispiel - und gegen Parksünder oder Hundehalter, die den Kackhaufen ihres Wuschels nicht aufgehoben haben, wie das britische CCTV mittlerweile als scharfes Auge gegen Ordnungswidrigkeiten betrieben wird - oder gegen Leser, die Bücher ausleihen oder kaufen, die auf einem Index stehen. Telefone hört man ab, auf Festplatten greift man zu, über Militär mit polizeilicher Befugnis fabulierte man. Vor fünfzehn Jahren änderte sich unsere Welt schlagartig. Aus Bürger wurden mögliche Verbrecher, das Gemeinwesen wurde zum Objektträger mikroskopischer Terrorexpertisen.

Nichts ist mehr, wie es einst war. Auch damit wirbt die Marketingstrategie des 11. September, die der Überwachung und Angriffskriegen dient. Diese werbewirksame Strategie des Terrors, die nicht die Welt veränderte, sondern die Gesetzgebung neu markierte. Es war auch nicht der Terrorismus, der unsere Welt veränderte - es waren die Schlüsse, die man aus diesem Anschlag zog, die alles anders machten. Am 11. September fand auch kein Anschlag auf die freie Welt statt - den gab es erst am 26. Oktober. Verübt wurde der vom Kongress und seinem obersten Cowboy, später von anderen nationalen Parlamenten.

Nicht mit Flugzeugen verändert man das Gefüge des Zusammenlebens. Man verändert es mit Gesetzen. Keine Bande Terroristen, die mit Teppichmesser die Macht über Flugobjekte erwirken, könnte die Welt und unser aller Leben verändern, selbst wenn sie wollten. Das können nur Parlamentarier, die mit Gesetzesentwürfen unter dem Arm geklemmt, die Unfreiheit, die Kontrolle, die Gesellschaft im offenen Vollzug verabschieden. Der wirkliche Terror gegen die freie Welt wurde ab dem 26. Oktober wirksam - vorher waren es nur Scharmützel an der Freiheit. Unfrei haben uns nicht Terroristen gemacht, diese Macht hätten sie gar nicht - unfrei haben uns die gemacht, die zu unser aller Wohle entscheiden sollten.

Männer und Frauen in Anzug haben unser Leben verändert. Keine Suren rezitierenden Fanatiker. Nicht der 11. September ist Gedenktag einer Gesellschaft, die in präventiver Lauerstellung lebt - der 26. Oktober sollte es sein. Ein Gedenktag an die Zeit, da Diskretion und Datenschutz noch ein wenig mehr galt. Stets wenn Daten erhoben, wenn Datenschutzrechte enthebelt werden, sollten wir an den 26. Oktober denken. Wenn sie Kontotransaktionen überprüfen wollen, um offiziell Terroristen zu entlarven, inoffiziell aber Hartz IV-Empfänger durchleuchten, dann sollten wir an den 26. Oktober denken. Wenn sie Arbeitsmarktdatenbänke ins Leben rufen und alle Arbeitnehmer vorab des Steuerbetrugs bezichtigen, dann sollten wir an den 26. Oktober denken. Dann sollten wir an den Tag denken, der unser aller Leben nachhaltig veränderte.

Der USA PATRIOT Act ist mittlerweile abgelaufen. Guantánamo gibt es aber noch immer. Noch immer sind wir alle unter Generalverdacht. Dieser Tag damals, er hat nachhaltig die Strukturen der Gesellschaft modifiziert und Innen- wie Außenpolitik neu ausgerichtet. Heute vor fünfzehn Jahren war nichts mehr, wie es vorher mal war. Oder um es mit der »Bild«-Ausgabe vom 12. September 2001 zu sagen: Der große Gott, er stand uns nicht bei.

5 Kommentare:

Braman 26. Oktober 2016 um 16:02  

BILD: Der große Gott, er stand uns nicht bei.

Wie wahr. Der große Gott (Das regierende Großkapital) rieb sich die Hände=> endlich ein Anlass dem Pack die bürgerlichen Freiheiten (die nur uns zustehen) zu beschneiden ohne Proteste befürchten zu müssen.

MfG: M.B.

Anonym 27. Oktober 2016 um 09:48  

Dass die Vorlage zum PATRIOT-ACT bereits lange in Dick Cheyneys Ordner lag, sollte auch noch betont werden. 911 war nach dem PNAC Project of a New American Century das lang gewünschte neue Pearl Harbor, mit dem als Katalysator endlich die Rüstungsausgaben drastisch erhöht und jeder politische Widerstand gegen die von den NEOCONS im PNAC beschriebene US-Vorherrschaft erstickt werden kann. Der terroristische Krieg gegen den Terror ist ein synthetischer Krieg, für den eine False Flag Attacke mit 3000 Opfern der Auslöser war. Die Sprengung des WTC zeigt der freie Fall von Gebäude 7, das symmetrisch als erstes Stahlskelettgebäde angeblich allein aufgrund eines Brandes völlig zerstört wurde. Vgl www.beat.to/jenseits

Hartmut 27. Oktober 2016 um 12:32  

@Braman

Daraus speist sich ja wohl vor allem die Verschwörungstheorie(???). dass Nine Eleven nicht auf das Konto bärtiger Osama bin Ladens geht, wobei andererseits auch diese Leute gewusst haben dürften, dass nicht ihre zwei fliegenden Dominosteine der bis dahin noch mehr oder weniger existierenden Demokratie der westlichen Welt einen ausreichenden Schlag versetzen können, sondern dass dieser Anstoß diese Welt selber dazu bringt, die restlichen Steine umzuschmeißen.
Wie auch immer, es war für alle innerhalb und außerhalb der westlichen Demokratie, denen dieselbe ein Dorn im Auge ist, ein Riesenerfolg.

Braman 27. Oktober 2016 um 16:21  

@Helmut

meinst Du Osama, den CIA Agenten, den Verbündeten des M I K? So wie jetzt die Nachfolgeorganisation von AlQuaide, der IS uns seine Untergruppen?
Zitat von Herrn Flegelskamp (flegel-g.de)zum Thema:Verschschwörungstheorie.
Ich weiß, eine Verschwörungstheorie ist auch meine Annahme bzgl. der Bilderbergtreffen. Na und? Wir leben in einer Zeit, in der eine Verschwörung die andere jagt. Immer dann, wenn eine kleine Gruppe von Menschen etwas ausheckt oder beschließt, ist das eine Verschwörung und jeder, der versucht, den Hintergrund dafür zu finden, MUSS dazu erst einmal theoretisch das, was er definitiv weiß und das, was man ihm dazu erzählt, ordnen und dann theoretisch die Bruchstücke wie Puzzleteile miteinander verbinden, die aus öffentlichen Verlautbarungen erhaltenen Puzzle-Teile, die aber nicht in das Gesamtbild passen, aussondern und fehlende Teile durch Annahmen ersetzen. Die Annahmen sind Verbindungen theoretischer Natur. Ob man für alle seine theoretischen Verbindungsstücke auch Beweise findet, ist zumeist fraglich.

MfG: M.B.

Unknown 27. Oktober 2016 um 16:55  

@Hartmut In keinem dieser Kommentare, kann besser ablesen, was viele in der westlichen Welt, durch permanente Indoktrination offensichtlich tag täglich mit der Muttermilch im Westen aufgesaugt haben und trotz Internet aufsaugen. "Wir der Westen" wären die "Guten" Man müsste erst einmal näher definieren was gut oder was böse ist. Ich möchte an dieser Stelle einmal Georg Orwell zitieren, der schon in den 80ziger Jahren folgendes sagte:" Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten – dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.“ (George Orwell, 1984)

Man beginnt im Westen immer mit Zweitens? Alleine seit dem Ende des 2 WK, hat der Westen mehr als 40 illegale Kriege auf Grund von Lügen zu verantworten. Sprich sie waren und sind Völkerrechtswidrig weil ohne UN Mandat.

Solange aber der Westen mit seinen gerade einmal 10% der Weltbevölkerung den Rest der Welt als seine Kolonien betrachten, Völkerrechtswidrige Kriege führen, Ausbeutung, Kolonialismus und Ressourcenverschwendung zu verantworten haben. Westliche Drohnen, Bomben und Wirtschaftsterror die Mehrheit der Welt ins Elend stürzen, mit Millionen getöteten, solange sollten wir die Ursachen und Wirkung im Westen nicht verwechseln. Wie schreibt Jean Ziegler in seinem Buch sehr treffend: "Der Westen ein Imperium der Schande"

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