... we are living in a material world

Donnerstag, 30. Juni 2016

Linker Protest gegen Rassismus, Homophobie oder rechte Alternativen ist gut und sicher notwendig. Es ist ist bloß zu wenig, wenn linker Geist sich in Gegendemonstrationen erschöpft. Die Krise der Linken ist ihr Idealismus.

Klar muss man den Anfängen wehren, gar keine Frage. Einerseits. Andererseits beschleicht einen das Gefühl, dass linker Zeitgeist heute mehr oder weniger eine Sache ist, die sich in symbolischen Protesten gegen Anschauungen richtet, die man selbst weder pflegt noch duldet. Position beziehen, nennt man das dann. Den Faschisten keinen Fußbreit. Das sind die Parolen, die pathetisch klingen, im Kern richtig sind, die mich aber ratlos zurücklassen. Wenn sich linker Geist bloß daran erschöpft, sich als Angebot einer Gegendemonstration in Szene zu setzen, dann reicht das nicht aus, um wieder politische Deutungshoheit zu erlangen. Es ist nicht grundsätzlich etwas dagegen zu sagen, gleichwohl werden ökonomische Gegenkonzepte aus dem linken Lager nicht so beseelt auf die Straße getragen, wie all diese Anti-Rechts-Initiativen. Idealistisch läuft, materialistisch hinkt es.

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Einzeltäter und die Brandstifter

Mittwoch, 29. Juni 2016

Der Mörder von Jo Cox war Einzeltäter. Breivik war auch nur ein Einzeltäter. Mundlos, Böhnhardt: Einzeltäter! Einzeltäter! Zu zweit. Dann nennt man die Sache einen Einzelfall. Denn wenn zwei sich betätigen, wurden sie ja nicht einzeln tätlich. Aber ihr Zusammenwirken bleibt ein vereinzelter Fall. Nur die anderen, fanatisierte Moslems, die sind nie vereinzelt. Die halten wir für ein Kollektiv. Und wenn es auch nur einer ist, dann hat er getötet, weil er als Teil der islamistischen Weltgemeinde agiert hat. Als Produkt von Hasspredigern und Angry Brown Men. Als Erzeugnis von Hetzern, die hassen und das Abschlachten für ein solidarische Sache hinstellen. Und wenn wir besonders wütend sind, dann unterstellen wir solchen Einzeltätern nicht nur, dass sie als Konsequenz islamistischer Doktrination so tätig wurden, wir behaupten ferner, sie tun es, weil sie Moslems seien, Mitglieder einer grundsätzlich gewaltbereiten Religion. Richtig ist zunächst mal nur, dass es Einzeltäter bestenfalls als Ausnahmefall gibt.

Wenn wir Täterschaft nur als physischen Akt begreifen, als Planung, Observation, Einkauf, Auflauern, Übung und letztlich als Bedrohen, Erschießen und Vernichten, wenn wir also nur den rein körperlichen Akt der Organisierung und Ausführung eines Attentates einordnen wollen, so ist letztlich jeder Anschlag klar das Werk eines Einzeltäters. Auch wenn er es im Namen einer organisierten Terrorbande getan hat, so bleibt es immer nur eine Einzeltat. Folgt man dieser Einteilung stringent, dann war das Dritte Reich auch nur eine massive Ansammlung von Einzeltätern und Hitler aus dem Schneider. Wir haben doch nichts gewusst. Wir müssen Terror allerdings als mehr als das erfassen. Terror ist in letzter Konsequenz die Handlung eines oder mehrerer einzelner Täter, die jedoch im Kontext einer Gemeinschaft, ihrer Vorstellungen, Vorurteile und Affekte agieren.

So genannte Einzeltäter mögen zwar bei der Ausführung ihrer Tat auf sich alleine gestellt sein, aber bei der Grundsteinlegung sind sie es nie. Wie komme ich auf die Idee, einen Massenmord an Schwulen zu begehen? Doch nicht, weil man einzeln der Ansicht ist, dass homosexuelles Leben minderwertig ist. Man muss sich doch Ansichten erwerben. Muss sich inspirieren lassen vom Stimmengewirr der Gesellschaft und sich aufwiegeln lassen von denen, die bestimmte Erkenntnisse dogmatisieren und daraus Gesinnung basteln. Man muss sich zum Mörder werden, wenn man die Nähe zu Homophoben sucht, die es in den Evangelikalen Staaten von Amerika reichlich gibt, aber es ist eben auch nicht ausgeschlossen, dass immer mal einer zum Mörder wird, wenn man ihm steckt, dass die Schwulen gerade dabei sind, die Grundfeste der Gesellschaft einzureißen. Bei dem Mörder von Jo Cox war es nicht so viel anders. Kriegt man über Jahre von Rechten und Konservativen vermittelt, dass in der Linken der Keim der nationalen Selbstzerstörung schlummert, dann weiß man wo mit der Suche nach der Basis radikaler Lynchjustiz anzusetzen ist.

Einzeltäter gehen alleine zur Tat, aber werden vorher begleitet von Massen, die diese Täter geistig vorbereiten. Der Täter glaubt gewissermaßen, er vollbringt einen sozialen Akt der Selbstaufopferung, indem er tut, was alle ja irgendwie thematisieren, ohne Nägel mit Köpfen zu machen. Nehmen wir nur das Trio der NSU, das  ja immer auch glaubte, es würde in weitesten Sinne im Namen einer schweigenden Mehrheit etwas tun, was getan werden muss. Diese schweigende Mehrheit gestaltete sich in den letzten Jahren so, dass sie sich als meinungsunterdrückte Mehrheit verkaufte, »Das wird man doch nochmal sagen dürfen!« und »Das ist wohl politisch inkorrekt!« waren und sind so Phrasen dieser Denke, die in den Sarrazinismus gipfelten, als man so tat, als dürfe der arme Mann nicht seine Meinung feilbieten dürfen, obgleich derselbe arme Mann von Talkshow zu Talkshow wanderte und genau dies tat: Seine Meinung sagen. Er musste nur im Rahmen der Meinungsfreiheit Widerspruch ertragen. Was wiederum dazu führte, dass man plötzlich unkte, dass es in Deutschland keine Meinungsfreiheit für die (Auf-)Rechten gäbe. Diese Mechanismen gehören jedoch zu einer anderen Baustelle, daher zurück zum Thema.

Ich jedenfalls möchte nicht wissen, wie oft Mundlos und Böhnhardt mit einem Anflug von Zweifel ihren Alltag bestritten. War es richtig, was sie da planten und umsetzten? Jeden Menschen plagen solche Gedanken, selbst ideologisch unzugängliche Menschen zweifeln zuweilen. Das ist nur menschlich - und da Terroristen nicht Teufel sondern Menschen sind, schlagen auch sie sich mit dieser menschlichen Eigenschaft herum. Ich stelle mir vor, wie die beiden einkaufen gingen, im Hinterkopf die Zweifel verarbeitend, aber im Supermarkt manchem Gespräch anderer Kunden lauschten. Oder im Bus oder der Bahn. Gespräche, in denen man die Gesellschaft als von Ausländern befallen befand, in der die Unerträglichkeit der Überfremdung gebrandmarkt wurde, Multikulti für pervers erachtete - diese typischen Alltagssprüche, die mir meine Bekannten gelegentlich auch unter die Nase reiben. Es waren sicher Stimmen, einer nicht ganz so schweigsamen Mehrheit, die aber nachher gerne immer sagt: Wir haben doch gar nichts gesagt.

Breivik hat nach seiner Festnahme eine Kladde voll wüster Rechtfertigungstexte weitergegeben. Darin sah er sich als terroristisches Kind rechter Hetzer in Europa. Namentlich unter anderem Wilders und Broder. War es also ein Einzeltäter? Natürlich schon, wenn es um die Ausführung geht. Als er mordete, da gab es nur ihn und seine Opfer, ihn und deren Blut. Zuvor war er nicht ganz so alleine und isoliert, fand Bestätigung und Rechtfertigung. Einzeltäter sind nie ganz alleine, wenn sie nach Motiven suchen, die ihr Gewaltpotenzial legitimieren. Sie gehören der terroristischen Organisation schweigender Mehrheiten an, die leider exakt das nicht tun. Natürlich ist niemand als der letztliche Täter dafür haftbar zu machen, Rechtssprechung muss sich an Fakten, nicht an geistigen Einflüssen messen lassen. Bloß so zu tun, als sei immer alles nur die Tat eines durchgedrehten und isolierten Alleingängers gewesen, wird dieses Phänomens nicht gerecht. Gerade sie kommunizieren mit ihrem Umfeld und mancher hasserfüllte Kommentar, den sie wo auch immer aufschnappen, kann schon reichen, um als Ermunterung begriffen zu werden.

Das soll jetzt kein Aufruf werden, dass man auf Gedanken und Worte achten sollte, damit sie nicht zu Handlungen werden. Terroristen haben einen freien Willen, sie müssen ja nicht, sie können immer noch einen Schritt zurücksetzen, bevor sie den finalen Schritt gehen. Nur so zu tun, als habe das gesellschaftliche Klima oder gar der Geist innerhalb einschlägiger extremistischer Gruppen oder Intitutionen, nichts mit solche Attentaten zu tun, das ist eine bürgerliche Bequemlichkeit, die man sich gerade in Zeiten, da man sich den Hass als Grundlage solcher Taten via Internet jederzeit ins Haus holen kann, nicht mehr leisten sollte. Wir sind, was wir sagen, posten, in Tiraden absondern. Nous sommes Komplizen.

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... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 28. Juni 2016

»Habe SPD gegoogelt und kriege dieses:
Ergebnisse für SPD
Meinten Sie: CDU
Stattdessen suchen nach: CDU«
- Gerhard Seyfried am 18. Juni 2016 auf Facebook -

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Oh Freunde, oh Helfer!

Montag, 27. Juni 2016

Schlecht bezahlte Piloten, die bei ihrer Arbeit darüber grübeln, wie sie die Miete für ihre Wohnung aufbringen können, waren schon vor Jahren eine große Sorge von Michael Moore. Er fühle sich sehr unwohl, weil er nämlich wisse, dass Piloten in den Vereinigten Staaten heute relativ schlecht verdienen, er aber trotzdem auf das Fliegen angewiesen sei. Ähnliches dachte ich, als ich hörte, dass jetzt Hilfspolizisten auf dem Plan stehen, die für denselben Bruttolohn machen sollten, was richtige Polizisten für Nettogehalt tun. Die Frustration ist ohnehin groß in diesem Land, die Menschen knapsen so dahin. Wenn man einen Frustrierten jetzt auch noch so einen Job nach dreimonatiger Ausbildung zuteilt, dann geht es mir wie Michael Moore. Und die Typen sollen auch noch bewaffnet werden. Die ersten dieser Art kommen überdies aus dem Bundesland, in dem die AfD immerhin zehn und die NPD fast fünf Prozent erlangen konnte.

Die Reißleine bitte, bevor das hier in antisächsische Polemik abgleitet. Doch dass ausgerechnet in Sachsen, mit diesen oben genannten Zahlen, das Modell der Hilfspolizei Schule macht, kann nur als Symbol stehen. Als Symbol, der zunächst eine Frage vorangestellt werden muss: Wer wird denn einen Job machen wollen, bei dem er nur als schlecht bezahlter Hilfstrottel für die richtige Polizei herhalten, bei dem er zudem weniger Respekt genießen wird und dennoch gelegentlich Kopf und seine Würde hinhalten muss? Werden da Männerträume wahr? Wohl eher nicht. Wenn aber so einer, der von seinem Naturell her ein Kontrolletti und Blockwart ist, momentan nicht unbedingt an einer Traumstelle sein Geld verdient oder arbeitslos ist, dann ist er der Mann der Stunde. Wenn er in Zeiten allgemeiner Frustration - eine Befindlichkeit, die in der nie geschriebenen Präambel der Agenda 2010 als oberstes Gebot steht - frisch ans neue Werk geht, dann ist das eine bedenkliche Entwicklung. Explizit, wenn er nur unzureichende Ausbildung und ebensolche Bezahlung erhält.

Ich möchte so einen gefrusteten Hilfssheriff nicht begegnen, wenn ihm am Vorabend mal wieder ein Licht aufging, dass er sich hier zum kostengünstigen Büttel macht, der die verkorkste Sozial- und Arbeitsmarktpolitik mit dem Hinhalten seines Schädels exekutieren soll. Einer verkorkste Politik übrigens, der er vielleicht kurz zuvor selbst noch unterworfen wurde. So ein Typ, der sich über Jahre eine relativ niedrige Frustrationstoleranz angeeignet hat, in einem Land, in dem es zum Standard wurde, sich redlich frustriert zu fühlen. Nicht etwa, weil man sich den Luxus leisten konnte, auf hohem Niveau frustriert zu sein. Diese Leute gibt es auch, keine Frage. Aber Hilfsbüttel werden sie wohl kaum werden. Sie haben sich in den Frust verabschiedet, weil ihr Leben am unteren Ende der neoliberalen Nahrungskette keine andere Möglichkeit ließ. Und wenn er dann abends den Trichter kriegt, dass es genau so ist und morgen stehe ich dem im Weg ...

Vielleicht ist es eine romantische Vorstellung, aber ich möchte, ganz wie Michael Moore mit den Piloten, dass bestimmte Berufsgruppen so bezahlt werden, dass sie keine Sorgen haben und sich als Verlierer der gesellschaftlichen Entwicklung wähnen müssen. Wenn einer einen Vogel hochzieht, der sich innerlich wie ein Looser fühlt, dann ist das tatsächlich eine ungute Situation. Er wird nicht gleich aus Frustration auf ein Hochhaus steuern. So theatralisch muss es ja nicht enden. Aber es reicht ja schon, wenn er nicht bei der Sache ist. Ich bilde mir auch ein, dass Polizisten, die sich nicht als Teil der Working Poor kategorisieren, etwas entspannter in den Dienst gehen. Natürlich ist gute Bezahlung kein Qualitätskriterium. Es gibt auch grandios entlohnte Ärzte, die ganz beschissene Arbeit leisten. Aber so grundsätzlich glaube ich schon, dass anständige Bedingungen die Wahrscheinlichkeit verringern, dass da jemand den Knüttel als Ventil missbraucht. Und wenn diesen Dienst dann Leute tun, die nicht vorher über Jahre demoralisiert wurden, dann mag diese Wahrscheinlichkeit noch steigen.

Und nun haben wir nicht mal darüber geredet, wie man dem Kontrolletti in nur drei Monaten gewisse Standards eintrichtern will. Dinge wie eine Schulung zum persönlichen Auftreten, Deeskalierungstraining, oder rudimentäre Rechts- und Gesetzeslehre. Was man halt so braucht, wenn man Recht exekutieren soll. Oder reicht es, dass da jemand in Lohn und Brot kommt, der genug Frust hat, um für Recht und Ordnung zu sorgen? Muss man eigentlich schon protestgewählt haben, weil man so die Schnauze voll hat, um bessere Chancen zu haben? Oh Mann, ganz offen gesagt, wenn ich mir vorstelle, dass da in dieser angehenden AfD-Republik Leute zum Polizeidienst herangezogen werden sollen, die als Stunde patriotischen Widerstands den Moment ansahen, da sie dieser blauen braunen Bande ein Kreuzchen schenkten, dann wird es mir ganz anders. Das meinte ich nicht, als ich forderte, dass der Staat den Straßenterror in den Griff bekommen müsse. Hätte mir jemand gesagt, dass man ihn in potenziellen Staatsterror kanalisiert, dann hätte ich mal brav meinen Mund gehalten. Wie demnächst, wenn der Abschaum mit Waffe vor mir steht und mir in der Tasche wühlen möchte.

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So ein einfaches Spiel!

Freitag, 24. Juni 2016

Fußball ist ein einfacher Sport. Man braucht einen Ball, zwei nicht zu steife Beine und ein bisschen Platz, bevorzugt eine Wiese, vielleicht noch zwei Stangen, die als Pfosten fungieren. Kaum Ausstattung, kaum Regeln. Diese Simplizität gilt letztlich als die Quelle des Erfolges dieses Spieles. Fußball ist ein einfacher - und wie man dieser Tage feststellen muss - gleich noch ein vereinfachender Sport. Was man von Fans nun lesen muss im Schatten des runden Leders, beweist nicht nur die Einfachheit dieses Sports, sondern auch einer Mehrzahl derer, die diesem Sport dieser Tage Spalier stehen. Ob nun gefühlte Ausweisung für deutsche Randalierer oder die Interpretation einer Mannschaft zu einer Einheit wider aller niederträchtiger Entwicklungen im Staate: Läppische Deutungen machen diese traurigen Zeiten zu einem Fest, wo es doch momentan recht wenig Staatsübergreifendes zu feiern gibt auf diesem Kontinent der Selbstauflösung und Zerfleischung.

Die Bilder deutscher Schlachtenbummler mit Reichskriegsflagge gingen nicht um die ganz große Welt aller Qualitätsmedien; man zeigt dergleichen Großmannssucht, die der Kleinmut sucht, um »den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz seyn könnte« (Schopenhauer) zu übermannen, nicht mit so viel voyeuristischer Genugtuung wie prügelnde Russen und Briten. Die aber, die in den sozialen Netzwerken sich darob empörten, denen war ganz schnell klar: Das waren gar keine richtigen Fans. Die standen nicht für Deutschland. Ja, Gauleiter und Konsorten, das haben sie schon vor dem Turnier bewiesen, seien gar keine richtigen Deutschen. So einfach ist dieser Sport. Da hat man sich vorher den Mund fusselig geredet, woher dieser Rechtsruck kommt, welche Ursachen er hat und ob das deutscher Zufall sei, eine Art Betriebsunfall der Demokratie - oder ob das stringente Konsequenz aus deutschen Verhältnissen sei. Letzteres sei der Fall, bewertete man. Egal wo man politisch auch steht, man war sich darüber im Klaren, dass es die deutschen Verhältnisse widerspiegele. Aber kaum ist da das runde Synthetikleder im Spiel, schon regelt sich alles ganz locker und ohne viel Kompliziertheiten.

So ein einfaches Spiel! Dann sind das eben keine richtigen Deutschen, die gehören nicht zu uns. Wir bürgern sie flugs aus. Was diese Neonazis können, mit ihren ewigen Abschiebungsforderungen, das kann der Fan, der zum Turnier apolitisch dem Proletariersport frönen will, schon lange und besser. Er macht die mentale Ausbürgerung gar nicht erst von Papieren abhängig, sondern von seiner opportunistischen Moral und von einem idealistischen Bild, wonach deutsche Fans anständige Leute zu sein haben und eben keine Hautköpfe, die per Blitzkrieg in Frankreich einmarschieren. Wer das tut, der ist eben ein Fremdling unter Bekannten.

Dieses ganze romantische Bild eines Deutschland, das nur von den besten Attributen vertreten wird und dessen negativen Seiten quasi ausgebürgert werden, gipfelt dann auch noch in einer Überhöhung der Nationalmannschaft. Boateng ist plötzlich ein politischer Botschafter, eine Figur, neben der alle wohnen wollen, obgleich es zweifellos klar ist, dass man als schwarzer Normalverbraucher nicht eben diese Liebe empfängt. Wer afrikanisch aussieht, der muss im Regelfall nicht mit zu vielen Wohnvorschlägen kämpfen, sondern eher mit zu wenigen. Der schwarze Star ist urplötzlich der Diplomat des Anstandes, nur weil der graue Star ihn per Aufwiegelungsinterview zu einer solchen Funktion verhalf. Die Mannschaft steht nun plötzlich als politischer Indikator bei ihren Anhängern, als Gradmesser für das gelungene multikulturelle Projekt innerhalb der deutschen Gesellschaft.

Ausgrenzung, Dönermorde, Kanzlerinnen, die Multikulti für gescheitert erklärten - alles vergessen. Die Mannschaft ist jetzt Botschafter eines weltoffenen Deutschland. Die alternativen Neurechten seien eben nicht der deutsche Geist. Aus mehrfachen Millionären, aus geschulten PR-Leuten, die sich ansonsten jede politische Meinung verkneifen, aus Typen, die der Bildzeitung ihr Leben verklickern, werden in einer Zeit, da sich der Fan ein unbeschwertes Fußballfest herbeisehnt, Abgesandte der Sittlichkeit. Ach, Fußball, du einfaches Spiel. Mit dir wird alles so schrecklich einfach. So schrechlich vereinfacht.

Man braucht einen Ball, zwei nicht zu steife Beine und ein bisschen Platz, bevorzugt eine Wiese, vielleicht noch zwei Stangen, die als Pfosten fungieren. »Wirft man einen Stein, so ist das eine strafbare Handlung. Werden tausend Steine geworfen, ist das eine politische Aktion.« Nimmt man ein Stückchen Wiese mit fünf, sechs Kerlen und steckt zwei Stangen in den Boden, so ist das ein Spiel. Besetzt man einen ganzen Rasen mit 22 Männern und ordentliche Toren mit Netz, so ist das eine politische Aktion. Denn man unterhält, wo man Gesellschaftliches neu regelt. Und die, die sich die Illusion guter Unterhaltung bewahren wollen, vereinfachen einfach die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit und verklären Deutschland zu einem an sich anständigen Ort. Alles Unanständige gehört ja nicht zu Deutschland. So herrlich einfach, dieses Spiel ...

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Ein Account namens Gabriel

Donnerstag, 23. Juni 2016

Sigmar Gabriel ist auf einem guten Weg. Täglich rückt er ein Stückchen weiter nach links. Er weiß worauf es ankommt. Sigmar Gabriel? Ja, der Facebook-Account dieses Namens. Dachtet ihr etwa, der Vize-Kanzler sei gemeint?

Letzte Woche fiel dem obersten Sozialdemokraten auf, dass es ungerecht sei, dass »Arbeit stärker besteuert wird als Kapitaleinkünfte«. Dass Vermögende eine kleinere Steuer- und Abgabenlast haben, als Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, fand er obendrein ungerecht. Außerdem gäbe es Bäckermeister mit höheren Steuersätzen als Starbucks, was er auch als ungerecht empfindet. Letzteres ist übrigens kein Kunststück, denn Starbucks zahlt phasenweise überhaupt keine Abgaben. Es könne nicht mehr sein, folgert Gabriel aus dieser Schieflage, dass »die normalen Bürger alleine das Gemeinwohl in Deutschland bezahlen«. Applaus! Der Mann findet endlich wieder sozialdemokratische, ja richtig linke Themen. Das wurde mit Likes honoriert und die Claquere riefen ihm Durchhalteparolen zu und stärkten ihm den Rücken. Sichma, der mit den Schwatten, der ist eben doch ein richtiger Sozi.

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Wer Taschentücher sucht, sucht keine Antworten

Mittwoch, 22. Juni 2016

Eine Amerikanerin, die so gut wie obdachlos war, der der Mann abgehauen ist und die kein Geld mehr hatte, wurde im letzten Jahr schwanger. Die Frau fand das relativ unpassend und entschloss sich dazu, Adoptiveltern für ihr Baby zu suchen. Nach kurzer Zeit fand sich ein Paar. Zum Geburtstermin reisten die künftigen Eltern an. Nun kam das Kind aber mit einer Behinderung zur Welt, die Adoptiveltern suchten das Weite, man wurde sich nicht handelseinig. »Dann geschah ein rührender Moment«: Die Kindesmutter »entschied, ihr Kind zu behalten.« So berichtet es »Spiegel Online« und nennt das ganze eine »rührende Geschichte«. Rührung - das ist es, was heute den kritischen Journalismus ersetzt hat. Die Rührung ersetzt den Faktenbezug. Und das zeigt letzten Endes auch, dass wir mit der Kritik an Missständen völlig gebrochen haben. Missstände taugen nur noch als herzbrechende Story, nicht mehr als Aufhänger für Gesellschaftskritik.

Man hätte viel zur Konstellation dieses Szenarios schreiben können. Schon alleine aus der sozialstaatlich geprägten Warte eines Europäers heraus. Wenn es darum geht, den kulturellen Unterschied zu Völkern aus Erdteilen herauszuarbeiten, die wir als rückständig erachten, legt man doch journalistisch betrachtet auch gerne mal ein wenig Eurozentrismus an den Tag. Hier nicht, hier ist Rührseligkeit geboten, nichts Konkretes zum Leben in den States, in denen man zwecks Absicherung seines eigenen Glückes Schmied zu sein hat. Neoliberales Elysium. Am Ende müsste man bei so einer Story noch den Bogen zu Bernie Sanders spannen. Aber indem man es rührend findet, dass die größte Not bei den Schwächsten der Gesellschaft ab und an doch ein gutes Ende nehmen kann, bleibt der gute Freund hinterm Teich halt doch ein Land, dem man »Unrechtsstaat« nicht aufs Revers picken sollte. Rechtsruck hin, Trump her.

Letztlich ist es doch so, dass sich der moderne westliche Mensch, seit Generationen in Fragen von Ökonomie und Gesellschaft liberalistisch indoktriniert, in einer Geschichte von einer Schwangeren, die auf der Straße landet und die auf sich derart allein gestellt bleibt, dass die Adoption einen Ausweg verspricht, nichts Kritikwürdiges erkennen kann. Er hat es quasi verlernt, sich in solchen Fragen zu empören. Oh, Empörung ist mitnichten ausgestorben! Sie hat sich verlagert. Man lasse einen Schiedsrichter nur mal einen Elfer nicht gewähren, dann empört man sich lautstark und will Konsequenzen. Aber bei Armut, Obdachlosigkeit, bei Schutzlosigkeit, bei all diesen Folgen des schlanken Staates, da ist der Empörungsimpuls weg. Solche Geschichten taugen nur noch als Unterhaltung, als kleine Spalte zur Grundlagenschaffung positiver Energien, als Aufsteiger- und Alles-wird-gut-Erzählung. Ganz nach dem Muster, dass es immer eine Lösung gibt, dass stets ein Lichtlein daherkommt, wenn es nicht mehr zu gehen scheint.

Im Zuge des Attentates von Orlando berichtete ein deutscher Journalist, dass die »Solidarität funktioniert«. Zu der Erkenntnis kam er exklusiv für  »Spiegel Online«. Wieder so was Rührendes in jenen digitalen Blättern. Und immer erst, wenn es zu spät ist, wenn die Katastrophe schon eingetreten ist. Dann findet sich immer einer, der was Ergreifendes fürs Herz parat hat. Alles gut in good old America, selbst in Zeiten des Elends funktioniert die dortige Zivilgesellschaft und ist solidarisch. Sie solidarisiert sich gegen den Schwulenhass der Moslems. Die Homophobie der weißen zornigen Männer, die Ablehnung schwuler und lesbischer Menschen von Seiten der Republikaner, all das kaschiert so eine rührende Geschichte, die jegliche Gesellschaftskritik negiert.

Wer gerührt ist, der will sich die Nase putzen und sucht Taschentücher, wo er nach Antworten suchen sollte. Die rührende Geschichte beruhigt die Gemüter, denn sie macht Hoffnung in einer globalen Lage, in der die Umverteilungshemmnisse hoffnungslose Reaktionen beschwört. Rührend, wie rührend sich der Qualitätsjournalismus immer wieder bemüht, das kleine Glück im großen Unglück zu finden.

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Aus fremder Feder

Dienstag, 21. Juni 2016

»Moralisches Überlegenheitsgefühl ist als Haltung, im Alltag und in der Politik, tausendmal gefährlicher als das Bewusstsein, gelegentlich ein Tunichtgut zu sein.«

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Kleine Leute in ihren noch kleineren Wohnungen

Montag, 20. Juni 2016

Die Gedanken von Barbara Hendricks zur sozialen Wohnungsnot wären an sich ja lobenswert gewesen. Tatsächlich fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Aber trotzdem verraten ihre Ausführungen etwas darüber, wie die gängige Politik über die arbeitenden Menschen denkt oder mindestens wie sie sie gerne haben möchte. Sie hatte behauptet, dass Alleinstehende eh mehr oder weniger nur zum Schlafen nach Hause gingen. Simples Menschenbild: Er soll es kompakt und effektiv halten. Benötigt wenig Raum, viel Arbeit, zwischendrin ein bisschen Schlaf. Lebensqualität ist da kein Kriterium. Dormi et labora. Schlafe und arbeite. Lebe lieber monastisch. Ohne Ansprüche, ganz bescheiden. In den eigenen vier Schuhkartonwänden. 30 Quadratmeter reichen pro Person, glaubt die Ministerin. Rein funktionell betrachtet mag das zutreffen. Aber sind das Perspektiven? Lebt der Mensch also nur, damit er möglichst wenig Platz einnimmt?

Wer Menschen solche Aussichten achselzuckend als eine Normalität verkauft, mit der sie sich abzufinden haben, der braucht sich grundsätzlich doch gar nicht mehr zu wundern, wenn man ihn als verzichtbaren Interessensvertreter bewertet. Wenn man spöttisch auflacht, weil er meint, er müsse sich der Probleme der Bürger widmen. Wer so beweist, dass er vom Leben normaler Bürger keine Ahnung hat, der disqualifiziert sich und nährt Politikverdrossenheit und diese nihilistische Haltung, die dieser Tage in seltsame Alternativpolitik abbiegt, in der man sich aufgerieben zwischen Lügenpresse und Lügenpolitiker wähnt. Solche Aussagen führen dazu, dass Menschen sich bestätigt fühlen, wenn sie zu Alternativen abwandern, die ganz sicher nicht besser sind, die aber eben auch noch nicht über Jahre bewiesen haben, dass sie mindestens so weltfremd sind wie jene, die sich jetzt über Jahrzehnte etabliert haben und 30 Quadratmeter zu einem ausreichenden Lebensraum erklären.

45 Quadratmeter galt lange Zeit als Faustformel für den Wohnraum von alleinstehenden Langzeitarbeitslosen. Diese Zahl ist insofern überholt, dass Sozialgerichte die gängige Praxis, leistungsberechtigte Singles aus einer 47-Quadratmeter-Wohnung zu pressen, als nicht zulässig einstuften. Dennoch hielten Gerichte eine ungefähre Wohnraumgröße in diesem Rahmen für angemessen. Experten sagten, dass das zwar nicht viel sei, aber durchaus vertretbar. Nun also glaubt Hendricks, dass dieses Mindestmaß, dieser Existenzminimumswohnraum auch schon zu viel sei, weil der moderne Mensch heute, sofern Single und nicht in die Jahre gekommen, ja nur noch daheim pennt, nachdem er sich was in die Mikrowelle geschoben hat. Das ist vielleicht wirklich der traurige Alltag von Menschen, die leben um zu arbeiten, die mehr auf Arbeit und beim Pendeln sind, als in erholender Freizeit. Statt solchen Entwicklungen entgegenzuwirken, glaubt sie sich als pragmatische Politikerin, weil sie vor diesem Lebenstakt kapituliert und das Beste aus dem Schlechten machen möchte.

Bei einem Leben auf 30 Quadratmeter bleibt die Lebensqualität auf der Strecke. Wohin mit Gästen? Kann mal jemand übernachten? Man wohnt, isst, schläft in einem Raum. Ist das der Luxus einer Gesellschaft, die täglich reicher wird? Jeder gekaufte Putzeimer wird zum Problem. Wohin mit dem Teil? Klar, man kann so leben. Es ist funktionell. Ein erweitertes Hotelzimmer mit Küchenzeile. Aber wie soll man da sesshaft werden, zur Ruhe kommen, sich wohlfühlen? Man bewohnt, man haust nur, wo man eigentlich leben sollte.

Solche Wohnräume als wegweisend zu postulieren und gleich noch für einen Bau solcher Wohnboxen werben, das zeugt vom Einknicken der Politik vor dem, was sie Sachzwänge nennt. Statt diesen Zwängen den Puls zu fühlen, den Wohnraum stärker per gesetzlichen Eingriff zu verbilligen, den sozialen Wohnungsbau neu aufblühen zu lassen, ersinnt man pragmatische Lösungen wie jene, den teuren Wohnraum einfach zu minimieren, damit er eben nicht mehr ganz so teuer ist. Man reduziert ja schließlich auch das Hackfleisch für den falschen Hasen, wenn es nicht im Angebot ist, tut stattdessen etwas mehr Semmelbrösel hinein.

Im Grunde ist es doch so: Wenn die Vertreter der Politik so tun, als sei nichts dabei, fortwährend die Verschlechterung der Lebensverhältnisse der kleinen Leute als ganz normale Dynamik hinzustellen, die man einfach so zur Kenntnis nehmen muss und aus der man das Beste zu machen habe, dann muss man sich nicht wundern, dass die Menschen abwandern. Sei es nun auf die falsche Seite, zu politischen Gauleitern oder eben in einen Eskapismus von der Wahlurne. Insbesondere wenn diese Überbringer solcher pragmatischen Lösungsansätze aus einem Lager kommen, das vormals mal als Anwalt kleiner Leute galt. Wer nun diese kleinen Leute in noch kleinere Wohnungen stecken will, der meint es sicherlich nicht ansatzweise ernst mit dem sozialdemokratischen Neuaufbruch.

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Ohne Geschichte

Freitag, 17. Juni 2016

In seinem letzten Buch sorgte sich Neil Postman, weil unserer Welt eine Erzählung fehlt. Also etwas, woran man sich als zeitgenössischer Mensch festhalten könnte. Jede Zeit hatte mehr oder weniger eine Geschichte, die den Menschen als perspektivisches Movens allen Treibens hier unten gewahr wurde. Nicht alle diese Geschichten waren der große Wurf, manche hielten die kleinen Leute exakt bei diesem Attribut. Gott und seine Angestellten zum Beispiel. Trotzdem war es ein Ordnungselement, das den Menschen eine gewisse Orientierung erlaubte. Doch dann kam die Aufklärung, ein Projekt von überwältigender Inspiration. Sie sollte die neue Erzählung werden, eine auf leidenschaftliche Vernunft (ein Oxymoron als Ideal) gründende neue Einstellung zur Welt und allem, was darin idealistisch wie materiell vorhanden ist. Die Postmoderne und explizit die Dekonstruktion, die im letzten Jahrhundert dazu überging, die Realität zu leugnen, weil diese sprachlich nicht aufzuschnappen sei, so ärgerte sich Postman seinerzeit, habe den aufklärerischen Geist (der ohnehin im Niedergang war) vollends erstickt. Er war so ein leidenschaftlicher Vernunftsmensch, dieser Neil Postman.

Kann gut sein, dass er übertrieben hat mit der Ablehnung dieser neueren Denkrichtung, für die er »Baudrillard, ausgerechnet einen Franzosen« verantwortlich macht, einen Landsmann der großen Aufklärer. Vielleicht gingen auch die Gäule mit ihm durch, als er dort den »Bann einer schweren Depression« witterte, der die dekonstruktionistische Realität (schon wieder ein Oxymoron) befallen habe. Aber so vollkommen daneben hat er nun damals auch wieder nicht gelegen. Ja, uns fehlt eine Geschichte, sei es nur ein gesellschaftliches Narrativ, das uns als Gemeinschaft in einem gewissen Ethos eint. Wir haben zwar die neoliberale Lehre, aber die eint ja nichts, die versprengt die Gruppen, die Interessensbände und subjektiviert ohne auch nur objektiv sein zu wollen. Doch »eine Erzählung [...], die unserer Welt Ordnung und Sinn gibt - eine Geschichte von Transzendenz und mythischer Kraft«, an der mangelt es uns. Postman aber war sicher, »dass wir eine Geschichte brauchen, die uns erklärt, weshalb wir hier sind und was unsere Zukunft sein wird, und viele andere Dinge mehr, darunter auch, wo Verbindlichkeit ihren Ort hat«.

Die Aufklärung hat keine Strahlungskraft mehr. Eine neue muss her, urteilte Postman seinerzeit. Stimmt schon. Aber wie soll man einfach mal eine neues intellektuelles Movement in die Wege leiten. Dummheit bewegt sich. Das lässt sich dieser Tage von Tea Party bis Montagsmärsche ganz gut erkennen. Aber wie will man die Menschen bestärken, wieder wissen zu wollen, anhand von Wissbegierigkeit die allgemeine Situation zu verbessern? Letztlich braucht es Perspektiven für die Menschen, einen Ausblick auf eine gesellschaftliche Richtungsangabe. Das hatten ja selbst so unzureichende Systeme wie der real existierende Sozialismus. Bei dem war weiß Gott vieles fehlerhaft und pervertiert. Aber dass es ein Ziel des Gemeinwesens geben musste, wenigstens theoretisch, weil es in der Praxis oft scheiterte, das war den Machthabern schon klar. Progressivität musste sein. Wenn die Leute nicht wissen, wofür sie schuften, wofür sie jeden Morgen aufstehen, dann wickelt sich Gesellschaft ab, wie es eine Feder tut, die die Spannung verloren hat und die erst langsam und dann mit einem großen Schnalz vom Bolzen springt.

Was bietet uns der Status Quo im Hinblick auf das Wohin? Arbeitsplätze prekarisieren, Löhne stagnieren. Arbeitslosigkeit manifestiert sich und der Niedriglohnsektor greift sich jeden, der stolpert. Überall wird gespart. Kommunale Freizeit- und Kulturangebote geraten an den Rand ihrer Finanzierbarkeit oder schließen tatsächlich gleich komplett. Es fehlt an Sozialarbeitern und an Angeboten für junge Leute; ganze Stadtteile verwahrlosen oder werden für den Großteil der Menschen in die Unerreichbarkeit gentrifiziert. Für was Staatsbekenntnisse abgeben, wofür noch Solidaritätsgedanken pflegen, wenn sich die Zukunft in diesem wirtschaftspolitischen System ohnehin nur als graue Masse aufbaut, als ein Zustand, über den keiner mehr spricht, weil jedermann in der Gegenwart geschäftig am Bestellen kurzfristiger Planungen fuhrwerkt, um es wenigstens für den Moment noch über die Runden zu schaffen.

Politik hat aber mehr zu sein. Sie muss Perspektiven eröffnen, muss Zielvorstellungen konkretisieren und den Menschen Vorschläge machen, wie eine Zukunft aussehen könnte und umsetzbar ist. Sie muss nicht wie ein Genie visionär sein, aber wenigstens Anhaltspunkte für eine künftige Gesellschaft haben, muss Verbesserungen und Erleichterungen postulieren und sich fragen, ob die Wertvorstellungen von gestern und heute auch noch morgen Gültigkeit besitzen. Das ist es, was Postman meinte, als er fragte, »wo Verbindlichkeit ihren Ort hat«. Aber selbst da sind wir ja nicht mit uns im Reinen, denn selbst die Demokratie ist perspektivisch betrachtet kein Zustand, den wir als Muss in eine potenzielle Zukunft überführen wollen. Marktkonform soll sie sein. Dabei bleiben demokratische Grundvorstellungen auf der Strecke. Und damit auch eine Geschichte, die wir als Gesellschaft benötigen, eine die uns sagt, dass Demokratie unabänderlich ist und alles dafür getan werden muss, dass sie erhalten bleibt für die Zukünftigen.

Nach so vielen Jahren neoliberaler Politik bleiben Bürger zurück, die eigentlich gar nicht so richtig wissen, welchem Leitfaden wir in Richtung Zukunft folgen. Was geplant ist und wie wir leben wollen. Man lebt heute so dahin. Ohne eine Geschichte zu haben. Eine Erzählung, die uns lotst. Postman fürchtete sich in seinem letzten Buch vor dem, was an die Stelle einer Erzählung geplant war. Virtualität eben. Damals war Facebook und Konsorten noch Zukunftsmusik. Eine, die kein Ersatz sein konnte für ein gesamtgesellschaftliches Konzept. Seine Ängste hätten sich tatsächlich mehr oder weniger bestätigt. Er starb jedoch, bevor es richtig damit losging. Eine zweite Aufklärung hat die virtuelle Realität nicht gebracht. Ganz so, wie Postman es ahnte. Und seit vielen Jahrzehnten stückwerken wir vor uns hin, kurzfristige Lösungen hier, Wertepragmatismus dort, wenn es nur auf die Schnelle den Laden am Laufen lässt. Austerität, Prekarisierung, Gentrifizierung - was sind das für Perspektiven? Kein Wunder, dass man nach Alternativen sucht. Auch nach falschen. Besonders nach falschen.

Wir brauchen eine Erzählung, die die ökonomische Verteilung und Bildungsbewusstsein paart, damit nicht alles auseinanderbricht. Bleiben wir noch lange ohne eine Geschichte, ist das alles hier bald Geschichte.

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Eine ziemlich linke Angelegenheit

Donnerstag, 16. Juni 2016

Selten hat sich die Linke so blenden lassen, wie beim bedingungslosen Grundeinkommen. Parteilich organisierte und nicht organisierte Linke müssen aufwachen. Dieses Projekt ist nicht links. Es ist das Gegenteil davon.

Nach der Volksbefragung in der Schweiz zum bedingungslosen Grundeinkommen gab es auf linker Seite zwei Temperamente, die in die Diskussion eingriffen. Sanguiniker rangen mit Melancholikern – anders gesagt: Die einen waren guter Laune, weil sie glaubten, langsam aber sicher würde sich da ein Bewusstsein für dieses autarke Projekt formieren. Die anderen waren verbittert, weil die Schweizer (als Stellvertreter aller Menschen gewissermaßen) wohl nicht bereit dazu wären, ihrer Befreiung eine Stimme zu geben. Egal wie die Betroffenheit nach dem Votum auch aussah, hier hängt man einer Idee nach, die sich zwar irgendwie links anfühlt, die ja unbestritten auf den ersten Blick einem emanzipierten Ausbruch aus der zähen Wirklichkeit der Lohnabhängigkeit gleichsieht und somit wie ein Akt der Befreiung wirkt. Ja, das bedingungslose Grundeinkommen sieht gut aus, bedient ein linkes Lebensgefühl und man könnte es wirklich mit einer linken Initiative verwechseln. Aber Vorsicht, es ist das Gegenteil von dem, was es vorgibt zu sein.

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Posttraumatische Belastungsstörung

Mittwoch, 15. Juni 2016

© Abraham Pisarek
»Wer Dingen die Relevanz nehmen will, stellt es ins Internet«, schrieb Matthias Grabow noch vor einigen Jahren in seinem Roman »Hanna«. Damals hat diese Sentenz noch gestimmt. Internet - das war eine Parallelwelt. Eine unbeleuchtete Schublade. Seither hat sich viel verändert. Zwar gewinnt nichts Relevanz nur über das Net. Aber es geht den Umweg über die althergebrachten Medienangebote. Was heute ins Internet gekritzelt wird, ist ein wesentlicher Bestandteil der traditionellen Medien geworden. Tweets sind keine vergänglichen Körnchen in einem Sandkasten unzählbarer Körner mehr. Sie sind News. Ohne diese Entwicklung wären viele aktuelle Ereignisse und Zustände nicht denkbar. Die AfD zum Beispiel. Vor einigen Jahren hätte sie sich selbst ihre Relevanz genommen, weil sie größtenteils nur das Produkt digitaler Hasskampagnen darstellt. Wenn man dann aber die Petrys und Gaulands via Twitter und Konsorten bei Anne Will platziert, schafft man Relevanz ohne Not und macht groß, was kleiner sein könnte.

Salopper gesagt: Seitdem man dazu überging, die sozialen Netzwerke auszuschlachten, Tweets zu zentralen Themen von Morgenmagazinen, Talkrunden und Nachrichten zu machen, seitdem Auslassungen bei Facebook dazu hergenommen werden, um den neuesten Skandal, Eklat oder Gänsehautmoment zu generieren, hat man auch solchen Gruppierungen den öffentlichen Raum geöffnet, die vorher in einer geschlossenen Gesellschaft miteinander verbittert und wütend über die Welt schwadronierten, die dort einen Stammtisch auslebten, den sie offenbar im echten Leben nicht hatten. Sie kotzten sich aus, hetzten untereinander und kaum jemand nahm davon Notiz. Eine nennenswerte Relevanz gab es nicht, denn was die Leute so ins Netz tippten, das kümmerte diejenigen nicht, die von sich behaupteten, sie wären Teil der Qualitätsmedien. Bis vor einigen Jahren war das so. Eine Äußerung in den Netzwerken, die die Welt umdeuten, war nicht mehr als eben das. Internet war wie Papier: Geduldig. Heute ist es wie Kino, ein aufgeblähter Blockbuster, laut aber nicht tiefgründig. Die Absonderungen kommen zur Bedeutung, weil plötzlich Journalisten deuten, was jemand in seine Tastatur gekloppt hat.

Wer heute zu Relevanz kommen will, der stellt ins Internet. Das ist der Unterschied, der Wandel der letzten Jahre. Pegida und die AfD sind wesentlich Erzeugnisse sozialer Netzwerke. Alles hätte sich relativ verlaufen, wäre man nicht verstärkt dazu übergegangen, die Statements voller verbaler Gewalt im Fernsehen nochmals zu Wort kommen zu lassen. Diese Alternative für Deutschland wäre eine mehr oder weniger große Spinnerfraktion geblieben, die vielleicht in Spartenkanälen auch das Fernsehen belegt hätten, aber nicht die großen Sender und ihren ach so großspurigen Bildungsauftrag. Die Störchin hätte bei Facebook über die Internationalisierung der Deutschen Nationalmannschaft verschwörungstheoretisiert und kaum jemand hätte es zur Kenntnis genommen. Nur die eigene Netzgemeinde, Plemplem quid pro quo. Jetzt aber weiß selbst die Oma, die im Grunde nie online ist, dass es da eine Frau von Storch gibt, die wohl ständig komische Dinge verbreite und dabei glubscht wie ein überfahrener Frosch. Eine Person, die noch vor Jahren halbwegs unbekannt geblieben wäre, erreichte jetzt als Internetpersönlichkeit, dass sie via Will, Plasberg und Maischberger zur relevanten Meldung wird und letztlich Aufmerksamkeit generiert. Und davon, was der Bachmann von Zeit zu Zeit so ins Netz seiert und wie sogar die Tagesthemen darüber berichten, als gäbe es keine Realität mehr ohne Virtualität, reden wir jetzt mal überhaupt nicht.

Nicht viel anders neulich bei Gauland, nachdem er sein Interview mit der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« online »berichtigte« und sich seine Parteikameraden inklusive Standartenführerin ebenfalls virtuell äußerten. Jede Regung aus dem digitalisierten Lokus dieser Partei wurde plötzlich zur Meldung. »Die AfD kritisiert ...!«, »Petry berichtigt ...!«, »Storch twittert ...!« Zu guter Letzt sitzt dieser Mann dann im Sonntagabend in einer Talkshow, weil man ja all das Gezwitscher als Weiterführung der Realität mit anderen Mitteln betrachtet. Ja, da sitzt ein grauer Mann, der so viel Charisma hat, wie der Bonjour-Tropfen bei einer sich abzeichnenden Gonorrhoe und kaut auf Ansichten herum, die besser dort aufgehoben blieben, wo man sie wegklicken und blockieren könnte. So bieten man also ihm und seinen Kumpanen ein Forum, das man gar nicht feilbieten müsste. Und das nur, weil mehr als die Hälfte des fabrizierten Hypes aus dem Breitbandkabel in jenen Teil der Welt sickert, der auch ohne Datenstränge noch recht gut tickerte, wenn man ihn nur nicht mit Seichtigkeiten aus der Sphäre sozialer Netzwerke anreichern würde. Was einer postet, müsste kein Gegenstand sein. Aber in der Postdemokratie ist der Post (der »Powst«) mittlerweile so von Bedeutung, dass uns die daraus resultierende powsttraumatische Belastungsstörung gar nicht mehr juckt.

Die AfD ist das traurige Kind einer Konstellation, die nicht erlaubt den Vater konkret zu benennen, weil es viele von der Sorte gibt. Die Mutter, dieses Vakuum langer Jahre neoliberaler Politik, hat sich mit so vielen ins Bett gelegt, dass der Überblick fehlt. Mit einer Sozialdemokratie, die alles preisgab, um als Alternative gegen elitäre Politik auszuscheiden. Mit Bildungsverdrossenheit, die urplötzlich zu einem Statussymbol wurde. Und letztlich mit einer Medienwelt, die dazu überging, soziale Netzwerke nach Schlagzeilen zu durchforsten. Grabows eingangs genannte Sentenz war so richtig seinerzeit, sie gefiel mir außerordentlich, deswegen habe ich sie mir gemerkt. Jetzt muss er sich eine neue einfallen lassen. Das Beste wird es sein, er twittert es sofort. Und dann teile ich es. Die Welt ist alles, was der Post ist. Die Welt ist die Gesamtheit der Tweets und der Hashtags.

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... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 14. Juni 2016

»Wirtschaftswissenschaft ist die einzige Disziplin, in der jedes Jahr auf dieselben Fragen andere Antworten richtig sind.«

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Arbeitet ihr mal länger, ich kann nicht mehr!

Montag, 13. Juni 2016

Bundespräsidial betrachtet wurden wir ganz schön aufgehalten. Fünf vergeudete Jahre. Die moralische Instanz, die dieses Amt darstellen kann, hätte für das Allgemeinwohl einen Präsidenten benötigt, der gegen den neoliberalen Kurs rhetorisch zu Felde zöge. Eine Person, die eine Kurskorrektur anmahnte. Gauck allerdings war das nicht. Er sonnte sich als unbequemer Präsident, der es sich neben den politischen Entscheidungsträgern nur zu bequem gemacht hatte. Er war ein großes Missverständnis und in letzter Konsequenz eine durch und durch bigotte Gestalt, die savonarolisch Freiheit predigte, aber politische Freiheit für entbehrlich hielt, wenn sie nur den wirtschaftlichen Interessen im Wege steht. Für die Ängste, die die Prekarisierung bei den Menschen verursacht, für die Furcht vor Arbeitsplatzverlust und Arbeitslosigkeit, zeigte er kaum Verständnis. Und dass er jetzt mit Rücksicht auf sein Alter zur Entscheidung kam, lieber nicht mehr zu einer erneuten Amtszeit zu schreiten, zeigt uns vielleicht ein letztes Mal in seiner Karriere als Bundespräsident, wie scheinheilig dieser Mann die Welt und seine Stellung darin wahrnimmt.

Er befürchtet, er packe es nicht mehr. Altersbedingt. Also lässt er die Finger davon. Das ist in seinem Alter nachvollziehbar. Solche Fälle gibt es viele in unserem Land. Dann muss man eben aufhören. Oft noch vor dem Renteneintrittsalter. Die Strafe folgt prompt. Man bekommt die Bezüge gekürzt. Wer sich in diesem Land ängstigt, altersbedingt nicht mehr mithalten zu können, wer verbraucht von vielen Jahren des Sichverdingens ist, der kann es machen wie Gauck. Diese Freiheit gibt es. Wer die Verantwortung für seine Handicaps übernimmt und sich diese Freiheit nimmt, muss bloß finanzielle Einbußen bei seiner Rente akzeptieren. Freiheit in Verwantwortung halt - das Thema seiner Präsidentschaft. Gauck nahm sich seinerzeit die Freiheit, pastoral für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit einzustehen. Ohne sie gehe es nicht, erklärte der Mann, der seine Lebensarbeitszeit eben offiziell für beendet erklärt hat. Schon interessant, wie dieser Mann als gutes Beispiel vorangeht, wie er Wein säuft und Wasser predigte. Die moralische Präsidialinstanz war halt immer nur eine doppelmoralische.

»Arbeitet mal alle schön länger, ich kann nicht mehr, ich bin raus!« Natürlich, Gauck ist ja auch schon ein Mittsiebziger. Aber darum geht es nicht. Was hier den ganzen Charakter seiner Person herauskehrt ist eben, dass es ungezählte Menschen gibt, die nicht mehr können und denen der Pastor der neoliberalen Kirche eiskalt diktierte, dass sie sich auf noch längere Arbeitszeiten einstellen sollten. Man soll bitte nicht falsch verstehen, hiermit soll nicht gesagt sein, dass er weitermachen soll in seinem Alter. Selbstverständlich steht jemanden, der es nicht mehr packt, auch die Freiheit des Abgangs zu. Aber nicht deswegen, weil er Bundespräsident ist, sondern weil er eine Menschenwürde besitzt. Und die besitzt der Maurer wie die Kindergärtnerin.

Nicht in diesem Land, dem Gauck jetzt fünf Jahre als oberster Repräsentat vorstand. Da gibt es vielleicht keine Stände im klassischen Sinne, aber schon so eine gewisse Abstufung im klassistischen Stile. Der in die Jahre gekommene Präsident sagt den in die Jahre gekommenen Arbeitern, dass sie noch anpacken müssen, dreht sich um und bekennt, er könne nicht mehr und beende daher sein Gastspiel an der Spree. Ein Irrtum, der uns fünf Jahre raubte und dem Neoliberalismus weitere fünf Jahre den Anstrich einer vernünftigen Haltung verlieh. Das ist der Unterschied zwischen den klassischen Calvinisten und den neuen Typus der Chicagoer Schule: Die Alten tyrannisierten das Umfeld mit ihrer Moral und legten denselben Maßstab an sich an. Die Neuen schwingen dieselben Reden wie einst die Alten, haben sich aber in eine von Moral befreite Parallelgesellschaft verkrochen. Hoffentlich bleibt der Mann dann auch im Ruhestand. Er hat genug Unsinn in diesem Leben verzapft.

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Das war die Grüne

Freitag, 10. Juni 2016

Ich habe sie alle gelesen. Alle! Ob nun »Durch unsichtbare Mauern«, »Das waren die Grünen«, »Ulrike Meinhof« oder »Zeit des Zorns«. Alle! Oder fast alle. Einige habe ich wahrscheinlich nicht gelesen oder doch nur zum Teil. Es war nicht alles schlecht. Vor einigen Jahren schrieb ich ja schon mal, dass die Frau, um die es geht, jetzt verstärkt gesinnungsterroristischen Müll fabriziere und sektiererisch auftrete, aber gleichwohl auch wertvolle antifaschistische Arbeit leiste. Was man auch an ihrem Werk sehen könne. (Ich blieb ihr gegenüber loyal und nannte seinerzeit ihren Namen in jenem Text nicht.) Heute muss ich sagen: Nicht mal das stimmt mehr. Ihr Werk ist Ausdruck eines intellektuellen Verfalls. Wenn sie sich heute in ihren Büchern auf Denker bezieht und sie zitiert, dann wirkt selbst ein solches Zitat deplatziert. Denn wir wissen doch alle: Es gibt neben Jutta Ditfurth für Jutta Ditfurth niemanden mehr, dem sie zutrauen würde, die Wahrheit so metaphysisch erfasst zu haben, als dass er würdig wäre, auch nur als Fußnote in ihr Werk einzugehen. Ihre Bücher zeigen auf, dass Fundimentalismus (das Wort steht absichtlich so da) zwar grundsätzlich notwendig ist, wenn die Realpolitik zum Beispiel mal wieder Menschenrechte als Tand abtut, dass er aber als Entwurf eines entspannten Lebens völlig überzogen ist. Überzogen bis zu einer Pendanterie, die als Frau Ditfurth um die Ecke kommt.

Nun wissen wir also von ihr, Jens Berger ist ein nicht besonders kluger Autor und die NachDenkSeiten sind NachHetzSeiten. So postete sie es bei Facebook. Die Website hatte sich kritisch mit dem Tortenwerfer auseinandergesetzt und letztlich nach dem Sinn sich selbst links stehender Gruppierungen gefragt, die glauben sie könnten von Storch mit Wagenknecht gleichsetzen. Letztlich ist eine Torte immer nur eine Torte und einer, der Torten in Gesichter stürzt, immer bloß einer, der Torten in Gesichter stürzt. Weder ist das sonderlich kriminell noch sonderlich revolutionär. Der Streit, wie man eine solche Aktion moralisch einzuordnen hat, ist keine besonders ethische Herausforderung. Sie ist schlicht infantil; Kinder machen halt gelegentlich Unfug. Als diesen muss man ihn sehen und man sollte sich dann fragen, ob man als Erwachsener vielleicht einen Fehler gemacht hat. Nicht weniger hat Jens Berger getan. Und ja, man hat ganz sicher Fehler gemacht mit den kindlichen Gemütern, die sich da tummeln: Man hat sie nämlich finanziell ausgestattet. Mit Geldern aus dem Äther der Linken. Wegen Solidarität und so. Die Linkspartei braucht politische Konzepte und nicht kindliche Anwandlungen, die meinen, es sei ein linkes Bekenntnis, sich mit Torten auszustatten oder AfD-Abgeordnete daheim aufzulauern. Ich habe mich bereits kürzlich darüber ausgelassen. Distanz zu diesen Gruppen tut not, will man eine linke Option sein, möchte man einen Wandel der öknomischen Verhältnisse erzielen. Mit Antifa und anderen gesinnungsterroristischen Spinnern verliert man Wähler, wird unglaubwürdig und wirkt unseriös.

Natürlich hat Jens Berger einen gravierenden Fehler bei seiner Recherche zu seiner Kritik an der Finanzierung von Projekten solcher Gruppen begangen. Er hat nicht Jutta Ditfurths Anschauungen getroffen, hat sie weder um Rat noch um Hinweise gefragt. Wenn einer links des Mainstreams was schreibt, ohne vorher die alte Dame des deutschen linken Fundimentalismus zu fragen, dann bewegt er sich auf einen schmalen Grat. Was rechts des Mainstreams geschrieben wird, juckt Frau Ditfurth heute immer weniger. Ihr Erzfeind steht links. Und sie ist links und dort will sie das Zentrum sein, die unanfechtbare Koryphäe, eine Person, mit der man weiterhin als Spin-Doctor rechnen muss. Wenn sich also links des TTIP-Kurses ohne ihr Zutun eine geballte Masse an Demonstranten findet, so wie vor einigen Monaten in Berlin, dann kann da was nicht stimmen und die Demo war rechter Antiamerikanismus. Sie hat ja auch eine Handvoll Nazis im Livestream gesehen. Ja doch, die Ärmste musste Livestream gucken und durfte nicht der spiritual leader der ganzen Sache sein. Links, so richtig und rein links ist es nur, wenn Frau Ditfurth als Kopf mitwirkt. Wo nicht Ditfurth vorsteht, da ist nichts Linkes drin. Alles was neben Frau Ditfurth steht, ist grundsätzlich gleich mal rechts.

Die Linkspartei tut dies auch. Wagenknecht sowieso. Lafontaine ohnehin. Wir kennen das ja. Denn die Linke möchte leider nur den Kapitalismus bändigen, nicht aber abschaffen. Die alte Leier vom Wohin. Und statt sachliche Wege anzusetzen, um das Kapital zu bändigen, gibt es dann kluge Ratschläge von Leuten, die Torten werfen und bei Demonstrationen Pyrotechnik einsetzen. Das ist Schwarzblockmentalität, ein bisschen kindisch nach Abschaffung rufen und dann bei Coffee Fellows schnell was schlürfen und ein Selfie mit dem Smartphone online stellen, während hinten die Hundertschaft aufmarschiert. Glaubhafter Antikapitalismus halt. Ditfurth postet ihn bei Facebook. Revolution statt Reform, Nihilismus statt Bekenntnis zu demokratischen Standards. Und wenn es nur ein Gran drunter ist, sind diese Leute nicht mehr dafür zu haben. Das heißt nicht, dass heute alles gut laufen würde. Das Gegenteil ist der Fall. Aber man muss nun auch nicht so tun, als habe die Demokratie sich überlebt und als Gegenentwurf zu einem System der Marktwirtschaft könnte es nur noch Planwirtschaft oder anarchistische Konzepte geben. Man könnte ja auch regulieren. Aber dazu sind sich diese Gesellen dann zu fein. Das braucht nämlich Kenntnisse und vor allem die notwendige Gelassenheit. Und die fehlt diesen Leuten halt. Frau Ditfurth eingeschlossen - und allen voran.

Jedenfalls wirkt die Frau so, als sei sie kontinuierlich eingeschnappt, weil sie die Deutungshoheit verloren hat. Falls sie sie je hatte. Keiner fragt mehr nach, ihre Radikalismen haben die linke Alternative zu einer Sozialdemokratie, die sich verloren hat, nie erreicht. Bei den Grünen zeugt nichts mehr von ihrem Erbe. Die eigene kleine Partei, die sie regional leitet, ist ein kommunaler Rohrkrepierer. Nicht mal das doch nicht zu unterschätzende linke Spektrum innerhalb Frankfurts kann sich aufrappeln, diese Fraktion zu unterstützen. Die jungen Leute fragen schon, wer diese Jutta Ditfurth denn ist.

Ich verstehe, dass das schmerzt. Gelassenheit wäre ein Ratschlag an sie. Andere leben lassen, auch wenn sie nicht hundertprozentig die eigenen Ansichten teilen. Relaxed diskutieren, den anklägerischen Ton unterlassen; niemand ist ein schlechterer Mensch, nur weil er nicht absolut derselben Erkenntnis ist; nicht jeder der »Finanzkapitalismus« sagt, meint damit das Judentum. Sachlich und entspannt bleiben, bitte! Aber nichts davon entspricht ihrem Naturell. Wer nicht bei ihr ist, der ist gegen sie und nicht mal der Diskussion wert. So beendete sie dann auch ihren Post zu den NachHetzSeiten. Nein, sie führt keine Diskussionen. Sie doch nicht. Was man sich denken kann, immerhin entfreundet sie ja ständig Leute, wenn sie als Menschen via Facebook irrten. Nein, man hat sich brav anzuhören was sie zu sagen hat. Und dann schluckt man es und hält den Mund. Wer ist sie bitte, als dass sie mit Leuten schwätzen müsste, die die linke Metaphysik einfach nicht checken!

Wohin sie will, was ihre Ziele sind, das ist schwer zu deuten. In Fragen der Ökonomie schweigt sie mehr oder weniger hartnäckig. Bei ihr fängt linke Umwälzung bei Gesinnungspendaterie an. Nicht bei Umverteilung. Na immerhin, die Frau ist mit sich selbst im Reinen. Alle anderen taugen eh nichts. Alleine ist die Welt am Schönsten. Das war die Grüne. Ich kaufe jedenfalls kein Buch mehr von ihr. Denn zu sagen hat sie mir nichts mehr. Alles hat seine Zeit. Sie hatte ihre. Was jetzt noch kommt, möge an mir vorbeigehen.

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Von Andrea zu Frauke

Donnerstag, 9. Juni 2016

Seitdem sie Sozialministerin ist, geht es uns gut. Nicht weil es etwa so ist, sondern weil sie es so verfügt hat. Sie hat jene Armut weggeschnippst, von der sie vorher behauptete, sie würde von den Schröderianern kleingeredet.

Keine fünfzehn Jahre ist es her, da war Andrea Nahles noch arg gegen die Agenda 2010 und damit auch gegen Hartz IV. Sie hatte etwas gegen die »soziale Unwucht«, die das Reformpaket für den Arbeitsmarkt und das Sozialwesen beinhaltete. Gemeinsam mit Ottmar Schreiner mahnte sie, den sozialdemokratischen Weg nicht zu verlassen. Der alte Gewerkschafter verlieh der jungen Frau, von der man behauptete, sie gehöre dem linken Flügel ihrer Partei an, eine gewisse Reputation. Nach den ersten schweren Verlusten der Sozialdemokraten bei Landtagswahlen war es unter anderem Nahles, die die Niederlagen als Konsequenz der verlorenen Parteiseele ansah. Seinerzeit habe ich die Frau erstmals wahrgenommen. Von ihren Widerstand gegen den Schröder-Kurs zehrte sie noch einige Jahre. Als sie schon nicht mehr so unversöhnlich tat, weil sie von Müntefering mit in die Agenda geholt wurde, schrieben die Zeitungen noch immer von einer Parteilinken, die vielleicht einst der Partei ihre traditionellen Vorstellungen zurückgeben könnte. Lafontaine soll sie gar mal als »Gottesgeschenk für die Partei« bezeichnet haben. Das war zwar lange vor der Agenda 2010 und somit in einem anderen Zusammenhang gemeint, kann aber dennoch als Indikator gelten.

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Geh denken!

Mittwoch, 8. Juni 2016

Armenisches Flüchtlingslager, 1919
Für den Bundestag sind die Armenier jetzt ein Volk, das durch einen Genozid dezimiert wurde. Das ist keine schlechte Entwicklung. Für eine Mehrheit desselben Bundestages sind die Syrer hingegen ein Volk, vor dem man sich wehren muss, wenn es in zu großer Zahl zu uns kommt. Wenn notwendig mit Gewalt. Dessen Dezimierung hin oder her. Nicht ausgeschlossen, dass eine der nachfolgenden Generationen in vielen Jahren beschließen wird, die Ignoranz gegen syrische Bürgerkriegsflüchtlinge auch zu einem Gedenken zu führen. Um immer daran zu erinnern, was für gravierende Fehler geschehen, wenn man nicht zu jeder Zeit die Augen offen hält. Um daran zu erinnern, dass man den Anfängen wehren müsste. Heute die Armenier, später die Syrer. Immer zu spät, immer erst, wenn das Sujet lange verrottet in der Konkursmasse menschlicher Geschichtsschreibung. Nie zu rechten Zeit. Armenisches Leid, das als roter Faden in das aktuell syrische mündet, ist nicht vorgesehen. Der Bundestag macht es mal so und mal so. Grundsätzliche Prinzipien sind ausverkauft. Außerdem ist Konklusion ganz offenbar nicht die Stärke einer Kultur, die sich dem Andenken verschreibt, aber die daraus gezogenen Lehren nicht gebraucht, um sie in der Gegenwart zu einer Haltung zu deklarieren. Aus Geschichte lernen? Schön wäre es ...

Es ging bei jener Resolution der letzten Woche nicht so sehr um Handfestes. Bloß mehr oder weniger um Moralisches. Um einen Akt der Anerkennung, Anteilnahme und der Wahrung des Gedächtnisses. (Lassen wir mal den symbolpolitischen Gehalt weg, der da wäre, dass man diese Resolution als emanzipative Spiegelfechterei gegen den türkischen Präsidenten missbrauchte.) Niemand sollte mehr vom Völkermord an den Armeniern reden können, wie von einem kleinen Unfall am Rande der türkischen Geschichte, der dummerweise geschehen ist, aber eigentlich nicht ganz so wild war. Es ging um die Schaffung von Respekt vor den Gefühlen solcher Familien, die davon betroffen waren - und noch sind. Sie sollten keine nicht anerkannten Opfer des Zwanzigsten Jahrhunderts mehr sein. Die Initiative ist zu begrüßen, auch wenn sie nur ein symbolpolitisches Ansinnen darstellt. Denn die Theorie meint ja, dass solche Akte dazu da sind, den gegenwärtigen Alltag demutsvoller zu begehen. Wer das begangene Unrecht an Hunderttausenden im Herzen trägt, der wird auch im Jetzt leichter mal reflektieren und die Dynamiken der gegenwärtigen Ereignisse nicht streitlos hinnehmen wie jemand, dem das Leben keine Wahl mehr lässt. Wer weiß, was Juden, Armeniern und anderen Völkerschaften angetan wurde, der wird die Aufwiegelung gegen Volksgruppen nicht als dummen Streich akzeptieren, sondern sich immer auch bewusst sein, dass da Stimmung gemacht wird, die in solche Exzesse führen kann, wenn man nicht die Kurve kriegt, wenn man nicht aufsteht und sich in den Weg stellt.

Durch ein Andenken soll man ferner daran denken, wie es dazu kam und wo es endete. Denken wir an die viele Juden, die flüchten wollten, die aber kaum Ausreisemöglichkeiten erhielten und so in einem Deutschland harren mussten, in dem sie zunächst der Ausgrenzung und später der Verfolgung ausgesetzt waren, dann müsste man doch kapieren, wie brutal es sich ausformen kann. Die internationale Staatengemeinschaft hatte damals kläglich versagt, weil sie alle miteinander die Grenzen so dicht machten wie ihren Zugang zu Mitgefühl und Empathie. Wer daran denkt, der muss zwangsläufig zur Ansicht kommen, dass Flucht ein Ausweg sein kann und nicht etwa ein Verbrechen und Sozialschmarotzerei. Jedenfalls sollte man durch das Andenken wissen, dass Grenzschließungen keine Option sind, wenn man es mit dem Respekt vor dem menschlichen Leben ernst meint.

Jedes Jahr berufen wir uns auf die Ereignisse von damals, lassen es in Ausrufen wie »Nie wieder!« gipfeln und trotzdem schauten wir dabei zu, wie die Gesellschaft sich immer mehr in rassistische Selbstschutzbehauptungen verstieg. Wir gedachten des Holocaust und Sarrazin war der Held von Leuten, die es nicht juckte, dass da jemand von jüdischen Genen schrieb wie von einer verifizierten Annahme, die in jedem besseren Biologiebuch stehe. Wir schicken jetzt seit Generationen unsere Kinder auf Schulausflügen nach Dachau und guckten desinteressiert dabei zu, als man Moslems zur Stammzelle der Gewaltbereitschaft erklärte, sie kriminalisierte und pathologisierte. Bürgerwehren, Sorgenbürger, Montagsdemonstranten und rechte Gesinnungsträger, die sich als Partei organisieren, kommen über ein Land, das seit so vielen Jahren andenkt. Und genau das ist das Problem. Andenken sind zwar gut, eine moralisch furiose Sache, aber halt wertlos, wenn sie einstudiert und ritualisiert sind, wenn man sie als Mantra absondert und nicht verinnerlicht. Sie sind als Symbol unverzichtbar, aber wirken je weniger in den politischen Alltag hinein desto zeremonieller sie sich im Gedächtnis einer Nation verankert haben.

Besonders gut erkennt man das dieser Tage, da der Bundestag die Armenier als Volk anerkennt, dass verfolgt und getötet wurde, er aber gleichzeitig in Zurückhaltung erstarrt, wenn es um ein aktuelles Volk geht, das vor Verfolgung und Tod flüchtet. Was sind Andenken wert, wenn sie nicht dazu dienen, der Gegenwart eine Leitlinie an die Hand zu geben? Symbole wieder mal. Immer wieder Symbole. Man spricht viel von historischen Verantwortungen und meint genau das: Die Verantwortung ist historisch und irgendwo in einem Geschichtsbuch vergraben. Sie ist alt und letztlich vergangen. Nichts mehr für heute, eine Verpflichtung von gestern. Leider gilt das nun seit Jahren. Auschwitz gedenken und NSU-Prozesse verschleppen, an Novemberpogrome erinnern und heutige Flüchtlinge durch die Bank kriminalisieren. Gedenken? Geh denken!

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Aus fremder Feder

Dienstag, 7. Juni 2016

»Es sind immer dieselben Typen, die an der Macht sind. Nur dass manche sich als Kommunisten bezeichnen, andere als Kapitalisten, wieder andere als Repräsentanten irgendeiner Religion - was auch immer ihnen hilft, sich an der Macht zu halten. Die früheren Kommunisten in Russland sind dieselben Leute, die heute sämtliche Industrien in der Hand haben.«

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Je suis Trauergemeinde

Montag, 6. Juni 2016

oder Über Tote auch mal was Schlechtes bitte.

Memo an die Trauerredner und -schreiber da draußen: Ich gehöre zu keiner Trauergemeinde, bin kein Hinterbliebener. Man muss mir als Leser die Toten, die von einiger Berühmtheit waren, nicht taktvoll zu Gemüte führen. Als zuletzt die Außenminister starben, war es nämlich wieder da. Dieses Motto. De mortuis nihil nisi bene. Über die Toten nichts außer Gutes. Also folglich nichts Schlechtes. Wegen der Pietät und so. Das Andenken nicht besudeln. Vorzüge betonen, Verfehlungen verschweigen, all dieser Kram. Folglich gerieten die Rückblicke auf die beiden Außenminister stark geschönt, die Makel tilgte man, verzückte sich in hagiographische Sphären und entfremdete das Andenken von der Person. So ist es eigentlich stets, wenn jemand stirbt, der von öffentlicher Bedeutung war. Dabei ist das gar nicht nötig. Es ist ein völlig falscher Ansatz, der nur den Trauernden dient, aber nicht denen, die das jeweilige prominente Ableben als Leser, Zuschauer oder Zuhörer zur Kenntnis nehmen. Da darf man auch mal was Schlechtes über den Toten sagen, denn wir haben Abstand genug und trauern ja nicht.

Der evangelische Pfarrer Rainer Liepold bringt in seinem Buch »Graben Sie tiefer - Der Bestattungskulturführer« dem Leser alte Riten rund um den Verstorbenen und seine Angehörigen näher. Warum man schwarz trägt zum Beispiel oder wieso man Tote früher mal mit den Füßen voran aus dem Haus schleppte. Vieles war Geisterglaube, aber auch auf den basierte letzthin jene mitmenschliche Erkenntnis, dass man den Hinterbliebenen den Verlust so leicht wie möglich machen sollte. Anteilnahme sagt man gemeinhin auch dazu. Dass man am Grab nicht die Schmutzwäsche wäscht, die zu Lebzeiten des Verstorbenen sich keiner anzufassen getraute, tut man nicht bloß weil es was von zurückhaltender Pietät hat, sondern um die Hinterbliebenen zu schonen. Toten soll man zwar nichts Schlechtes in die Grube nachrufen, kommentiert Liepold, aber lügen sollte man nun auch nicht. Man muss sich halt eine Grabrede zurechtlegen, die angemessen bleibt. Einen verstorbenen Alkoholiker, der seiner Familie viele schwere Jahre bereitet hat, den kann man nicht ungehemmt für seinen Familiensinn loben. Aber man könnte herauskehren, dass trotz aller Tiefen, die ein Leben so mit sich bringt, die Familie am Ende doch immer zueinanderstand, wie man jetzt hier bei den Versammelten sehen könne. Das ist nicht direkt gelogen, lässt aber Spielraum.

Sicher sind das Allgemeinplätze, Sätze von gewisser Langeweile, weil sie nicht anecken wollen. Aber für die Hinterbliebenen ist es wichtig, dass sie in ihrem Verlust nicht das Gefühl vermittelt bekommen, sie verabschiedeten sich hier von jemanden, den sie gar nicht vermissen dürften, weil er ja eigentlich ein Arschloch war. Also sagt man nichts Schlechtes, denn so wahrt man die Würde der Trauernden. Man schont die Toten und ihre Taten also nicht ihretwillen und auch nicht aus Romantik und Ehrfurcht vor dem Tod, der zugeschlagen hat, sondern aus Respekt vor denen, die jemanden aus ihrer Mitte verloren haben. Man möchte die für sie ohnehin schwierige Zeit nicht noch zusätzlich erschweren und hält sich zurück. Das ist nachvollziehbar. Ja, das hat Berechtigung, ist ein humaner Ansatz.

Journalisten sind aber keine Grabredner. Die vierte Gewalt im Staate muss niemanden schützen in der schweren Zeit des Verlustes. Dafür gibt es verschiedene Berufe, jeder hat seine Aufgabe zu erfüllen. Seelsorger nehmen Rücksicht, Journalisten berichten idealerweise ohne zu viel davon. Wenn sie Rückschauen halten auf Verstorbene, dann sitzt da keiner in Trauer versunken daneben und hofft nur Tröstliches zu vernehmen. Da sitzen Zeitungsleser vor ihrer Zeitung, die es gut vertragen und aushalten können, wenn man auch die Schattenseiten des Toten beleuchtet und nochmal herausarbeitet. Die Medien sollten aufhören ihre Abnehmer ständig wie eine Trauergemeinde zu behandeln. Trauer stellt sich nicht auf Abstand ein, sondern ist das Produkt eines Verlustes, der aus dem gewohnten Leben reißt. Das ist in einer Gesellschaft, in der Trauer ein schneller Klick zu sein scheint, natürlich ein schwieriger Gedankengang. Trauer ist ein Wort, das heute viel zu schnell und viel zu oft verwendet wird.

Die kurze Betroffenheit, wenn ein Popmusiker stirbt, hat mit Trauer von Menschen, die jetzt auf lange Zeit hin den Verlust eines ihnen nahestehenden Menschen verschmerzen müssen, überhaupt nichts zu tun. Die leere Seite im Ehebett, der Rat der Mutter, der plötzlich fehlt, all das misst keiner, der den Verstorbenen nur mit Distanz kannte. Was sich diese Spektakelgesellschaft vormacht ist Menschlichkeit. Man erzeugt ein Surrogat von menschlichem Umgang miteinander, den es grundsätzlich gar nicht mehr gibt. Die Ellenbogenmentalität lässt dergleichen verkümmern, stirbt aber dann ein etwas prominenter Mensch, so tut es gut, dass man kurzzeitig den menschlichen Umgang reanimiert, um so ein Gefühl für etwas zu haben, was man im Alltag kaum noch spürt. Außerdem ist die Trauer aus der Ferne bequem, während die Trauer im direkten Umfeld, bei der Nachbarsfamilie zum Beispiel, die ihre Mutter verlor, so viel komplizierter ist. Bei den Nachbarn weiß man nicht so genau, wie man reagieren soll. Soll man sie ansprechen, wenn sie einem über den Weg laufen? Nachfragen? Was, wenn sie über die Mama sprechen, die ihnen fehlt? Da ist der schnelle Klick und ein kurzes Statement viel leichter zu händeln. Klick und weg. Und in diesem kurzen Intervall redet man sich ein, zu einer Trauergemeinde zu gehören. Je suis Trauergemeinde.

Diesen Auswüchsen sollten Medien nicht auf den Leim gehen. Nein, wir sind eben keine Trauergemeinde. Die Genschers und die Westerwelles, die Familie und die Freunde, die schon. Die hatten ein Recht darauf, am Grab ihres geliebten Verstorbenen mit gefärbten Rückblicken konfrontiert zu werden. Das erleichtert ihnen den Schmerz und hilft auf dem Trauerweg, der im Laufe der nächsten Wochen und Monate beschritten werden muss. Alle anderen, die außerhalb dieser Gruppe stehen, benötigen keine Beschönigungen. Da kann über Tote auch mal was Schlechtes kommen. Es hat auch was mit Pietät zu tun, einen Menschen als Menschen zu skizzieren und nicht als unantastbares Wesen ohne Fehl und Tadel. Und es hat was mit Pietät zu tun, die Leser und Zuschauer nicht in eine Rolle zu zwingen, die nur Trauernden zusteht. Westerwelles Lebensgefährte wäre vielleicht nur sehr schlecht damit zurechtgekommen, wenn am Grab jemand gesagt hätte, dass er die Stimme der reichen Deutschen war und dann etwas von »spätrömischer Dekadenz» hinzugefügt hätte. Es wäre die Wahrheit gewesen, aber nichts, was am Grab aufgezählt werden sollte. Leser von Tageszeitungen und Nachrichtengucker sind aber keine Lebensgefährten des ehemaligen Außenministers gewesen. Sie brauchen diese Verschwiegenheit in puncto Gesamtdarstellung einer Vita nicht.

Die Medien sollten es so handhaben wie neulich bei Margot Honecker. Da haben sie die Menschen, die sie informieren wollen, nicht als Trauergemeinde gesehen und die Fehler und Frechheiten dieser Frau aufs Tapet gebracht. Das war ein Anfang. Aber sie stand ja auch schon auf der falschen Seite, bevor sie auf die andere Seite ging.

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Gegen das Vergessen

Freitag, 3. Juni 2016

Bauarbeiter am geplanten Berliner
Flughafen; sie haben vergessen, woran
sie arbeiten.
Vor einigen Wochen lief mir ein Bekannter über den Weg. Schlecht sah er aus. Braune Augenränder zierten sein Gesicht. Die glichen einer geschmacklosen Brille. Blass wie der Tod beim Friedhofsspaziergang war er außerdem. Ich traute mich kaum ihn zu fragen, was mit ihm geschehen war. Vielleicht war er ja ernstlich erkrankt. Mir wäre ein solches Geständnis nicht unangenehm, Offenheit ist stets zu begrüßen. Aber ich habe mir im Laufe meines Lebens zugestanden, dass ich mit Trost und Zuspruch kein so glückliches Händchen habe. Es fällt mir äußerst schwer, jemanden zu sagen, dass es sicherlich schon wieder wird. Ohne Befund und Fachmeinung neige ich eher dazu, keinen Kommentar abzusondern. Realist zu sein unterkühlt. Allerdings tat ich es dann doch und fragte ihn. »Ach hör auf«, rief er aus. »Handwerker, ich sag nur Handwerker!« Wir suchten uns eine Ecke, in die der nasskalte Wind nicht zog und er erzählte mir, was bei ihm Zuhause so vorging.

Seit fast eine Jahr habe er die Handwerker im Haus, fing er an zu erzählen. Sie hätten ihm den ganzen Boden im Schlafzimmer rausgerissen und den Estrich abgefräst. Den ganzen Tag hämmerten sie herum, spachtelten, rissen dort auf, machten drüben wieder dicht und wenn sie mal nichts Handwerkliches täten, würden sie schwatzen wie die Waschweiber. Er habe ja vor etwas mehr als einem Jahr seinen Angestelltenjob gekündigt und seine Selbstständigkeit ausgebaut, arbeite vom heimischen Schreibtisch aus. Konzentrieren könne er sich aber nicht, der stete Lärm mache ihn mürbe, raube ihm seine Gedanken. Als Folge blieben die Aufträge aus. Manche Aufträge musste er nochmal überarbeiten, was er dann am Sonntag tue, weil da die Handwerker unpässlich seien. Das Wohnzimmer fungiere als Lagerplatz für Zement, Fliesen und Bierkästen. Trotzdem schlafe er nun seit Monaten auf dem engen Sofa, das in diesem wohnlichen Lager stehe. Die Nächte seien lang, meist sehr schmerzhaft. Wenn er irgendwann wegen Erschöpfung doch einschlafe, wache er drei Stunden später völlig gerädert auf. Die Bandscheibe werde wohl bald zum Vorfall. Er könne seine Beine kaum durchdrücken am Morgen, so steif seien sie nach der Nachtruhe.

Kürzlich habe er den Vorarbeiter gefragt, ob und wann man denn mit Fertigstellung rechnen könne. Doch der wich nur aus. Als er ihn fragte, weswegen genau dieser oder jener Schritt notwendig sei, erhielt er auch keine klare Ansage. Zuletzt fragte er, ob man denn die Arbeiten nicht nur vormittags verrichten könne, damit er nachmittags Ruhe für seine Arbeit habe. Der Vorarbeiter nickte verständnisvoll, legte aber dar, dass sich dann die Massnahmen beträchtlich in die Länge ziehen würden. Mein Bekannter gab es auf und ließ alles wie es war. Fortan hämmern, spachteln und meiseln sie weiter wie die Henker. Gestern haben sie dann im Schlafzimmer auch noch die Wände aufgeklopft. Er habe nicht mal mehr gefragt, weshalb das nun nötig war.

»Warum in aller Welt hast du denn damals Handwerker bestellt?«, fragte ich ihn nach den Ausführungen über sein Martyrium. Er sah mich mit seinen Brillenaugen an, ein trauriges Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab und er zischte: »Ich weiß es nicht mehr.« Er hatte es tatsächlich vergessen, mit welcher Aktion die Tortur ihren Anfang nahm. Zu lange lagen die handwerkerlosen Zeiten zurück. Er kannte kein Leben vor dem Lärmen und dem Stauben mehr. So zog jeder von uns in eine andere Richtung weiter. Er würde heute Abend wieder auf das Sofa kriechen. Ich in mein warmes Bett.

Er ging mir an jenem Abend lange nicht aus dem Sinn, ich hatte Mitleid mit ihm. Aber ich war auch voller Unverständnis. Wie um Himmels Willen konnte man die Ursache denn vergessen? Und dann dachte ich an den Terror, an die Geflüchteten und an den Rechtsruck und daran, dass wir als Gesellschaft und westliches Wertesystem es nicht viel anders tun. Wir haben auch vergessen, warum es so ist, wie es jetzt ist. Einen Ursprung gibt es immer. Aber wir haben gehämmert, gespachtelt und gemeiselt und haben zu einem bestimmten Zeitpunkt vergessen, warum wir es tun. Die Demenz halt, die unser schnelles Leben ausmacht. Heute ziehen wir in den Krieg, ruinieren das Klima und beuten Ressourcen aus und morgen wundern wir uns, dass die einen zu uns fliehen und die anderen so zornig sind, dass sie uns lynchen wollen. Man bestellt Handwerker und irgendwann haben wir vergessen, wieso wir sie angerufen haben. Mein Bekannter ist eben auch nur so ein Mensch, der unter zweckentfremdeter Demenz leidet. Westlicher Typus. Dort ganz normal, dergleichen kommt täglich vor bei uns.

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… die Witwe, die verhindert hat, dass hier ein Schwarzer einziehen kann

Donnerstag, 2. Juni 2016

Der AfD-Vize lag falsch. Dummerweise eben aber auch nicht. Was stimmt: Es gibt eine verlogene Haltung in dieser Gesellschaft. Wenn man dem Land »als Exot« nutzt, dann ist man wer. Falls nicht, dann nicht.

Die Leute finden Boateng also als Fußballspieler gut. Als Nachbarn hätten sie Schwarze nicht so gerne. So äußerte sich Gauland, der stellvertretende Vorsitzende der AfD, in der Sonntagszeitung der FAZ. Die Aufregung war groß. Der dunkelhäutige Nationalspieler würde missbraucht zur »rassistischen Stimmungsmache«, schrieb die Frankfurter Rundschau. Dergleichen sei schließlich »niveaulos und inakzeptabel«. Ja, natürlich, man weiß ja wer es gesagt hat. Der Mann, der sich auch von Kinderaugen nicht erweichen lassen würde. Ein Sachwalter der neuen deutschen Kälte. Und trotzdem muss man gelegentlich aufgreifen, was diese besorgten Bürger mit selbstgemalten Parteibuch da absondern. Der Auftrag aus dem konservativen Lager lautete seit Anbeginn der Radikalisierung ja, dass man halt auch mal gucken müsse, woher dieser Hass komme. Er habe ja schließlich Ursachen und man müsse auch mal zuhören können und sich die Thesen zu Herzen nehmen. In einigen Dingen hätten diese Leute nämlich durchaus recht. Das trifft zwar kaum zu, aber diesmal hat der Mann etwas von sich gegeben, das gar nicht so falsch zu sein scheint.

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Und jetzt ...

Mittwoch, 1. Juni 2016

Bundesarchiv,
Bild 102-02985A / CC-BY-SA 3.0
Uff, gerade nochmal gut gegangen. Das war knapp. Fast wäre ein Rechtspopulist österreichischer Bundespräsident geworden. Beinahe ein brauner Super-GAU in Blau. Aber nun kann man durchatmen. Und das tun erstaunlich viele, wenn man das allgemeine Klima so auf sein Gemüt einwirken lässt. Ob erleichtertes Gezwitscher via Twitter oder Statusmeldungen bei Facebook ganz normaler Bürger oder die Statements bestimmter Minister: Irgendwie scheint das Gefühl des Augenblicks in dieser Angelegenheit so zu sein, dass man nun glaubt, man sei da nochmal heil herausgekommen. Oder schlimmstenfalls mit einem blauen Auge. Ein Gefühl des Uff halt. Des »Uff-und-jetzt...«, um genauer zu sein. Abputzen, weitermachen, das Nächste bitte. Fall abgeschlossen und jetzt wieder was anderes.

Warum auch nicht. Der Bundespräsident ist vor allem ein Repräsentant. Und ein solcher ist dieser Herr Hofer nicht geworden. Kein offizieller. Er ist halt nur der stille Repräsentant derer, die wir hierzulande schon oft als die »stille Mehrheit« vorgestellt bekommen haben. Der Mann, der fast exakt die Hälfte aller österreichischen Wähler vertritt, die dem designierten Bundespräsidenten keine Stimme gegeben haben. Was also genau ist da nochmal gut gegangen? Gar nichts. Aber die Mehrzahl der Menschen steckt so in der Zappingmentalität fest, dass sie gar nicht anders kann. Der Medienwissenschaftler Neil Postmann behauptete einst, man könnte diese Haltung einfach nur mit »Und jetzt...« umschreiben: »Mit ›Und jetzt...‹ wird in den Nachrichtensendungen [...] im allgemeinen angezeigt, dass das, was man soeben gehört oder gesehen hat, keinerlei Relevanz für das besitzt, was man als nächstes hören oder sehen wird, und möglicherweise für alles, was man in Zukunft einmal hören oder sehen wird, auch nicht. Der Ausdruck ›Und jetzt...‹ umfasst das Eingeständnis, dass die von den blitzschnellen elektronischen Medien entworfene Welt keine Ordnung und keine Bedeutung hat und nicht ernst genommen zu werden braucht. Kein Mord ist so brutal, kein Erdbeben so verheerend, kein politischer Fehler so kostspielig, kein Torverhältnis so niederschmetternd, kein Wetterbericht so bedrohlich, dass sie vom Nachrichtensprecher mit seinem ›Und jetzt...‹ nicht aus unserem Bewusstsein gelöscht werden könnten.«

So nun also weiter im Programm. Den europäischen Rechtsruck kurz zur Kenntnis genommen - er hat sich nicht mit endgültigen Erfolg durchgesetzt; ein Uff aus Gründen der Erleichterung und auf zum nächsten Thema. Hofer, Petry, Le Pen dürfen wann anders wieder. Mit dieser Einstellung zappt man weiter, wo man auf Standbild drücken müsste. Was tun?, müsste man fragen. Wie kann man der kollektiven Verdummung, die Menschen in die Arme von substanzlosen Hasspredigern treibt, irgendwie entgegenwirken. Stattdessen geht es munter weiter. Hartz IV jetzt auch für Frankreich, Aushöhlung sozialdemokratischer Ideale als europäische Präambel und in die nationalen Vakua stoßen dann diese braunen Blauen vor, besetzen Themen, die bei ihnen nicht gut aufgehoben sind, weil sie jede soziale Frage immer gleich zu einer ethnischen Grundsatzdebatte erheben. Aber so richtig thematisiert wird das alles nicht, wir atmen durch und staunen demnächst wieder, wenn das Europamotto umgeschrieben wird, wenn man »in Einfalt geeint« ist, braune Sterne auf blauen Grund und jeder seinen nationalen Ethnosozialstaat schützt. Wobei wir uns da jeweils Ethnoausterität vorstellen müssen. Tu felix Austerität. Und nicht nur in Austria. Der Kontinent schwört seit Jahren auf Liberalismus. Und weil der nur als Wirtschaftsliberalismus vorangetrieben wurde, gerät er unter Einfluss faschistoider Identitärer, die den kontinentalen Irrweg durch ihren eigenen Irrweg ablösen wollen.

Doch wir atmen durch, sind froh, obgleich fünfzig Prozent einen Rechtspopulisten als faktisches Staatsoberhaupt eines mitteleuropäisches Landes gewollt hätten. Die Lehre der Europäer, die auf die Alpenrepublik schauten, die lautet: »Gott sei Dank, die Demokratie hat gewonnen. Die Vernunft bahnt sich immer ihren weg. Und jetzt bitte Themawechsel, die Akte ist abgeschlossen.« Irgendwann stehen sie dann wider da und sagen, dass sie einfach so über das Land kamen. Wie ein Betriebsunfall. Wie ein Einbruch in die Zivilisation. Sie kamen als Zäsur, werden sie kopfschüttelnd feststellen. Ohne Vorwarnung, wie aus dem Nichts. Es war ein Überfall auf einen Kulturkontinent. Sie fielen vom Himmel, marschierten aus der Hölle. Unversehens stapften sie über Boulevards. Plötzlich war da ein Fackelzug. Ruckartig formten sie diese Diktatur, die sie weiterhin als die Vollendung demokratischer Grundideen an den Mann brachten. Sie werden sagen, dass niemand das Böse vorher erahnen konnte. So wie es schon mal behauptet wurde. Und das alles nur, weil sie gezappt haben, wo man mal auf Programm bleiben sollte. Bald ist Europameisterschaft. Und jetzt Kicken! Huch, da ist es ja schon, das nächste Programm. Uff, haben wir ein Glück gehabt.

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