La principessa

Mittwoch, 30. März 2016

So weit sind wir gekommen, jetzt rekrutiert diese Frau tatsächliche Stimmen aus dem Wählerlager, das sie vorher nie wählte. Neulich konnte ich einem Gespräch gebildeter Leute aus dem Mittelstand lauschen. Eigentlich hätten sie nie Merkel gewählt, sagten sie. Sie fanden sie weder sympathisch noch politisch attraktiv. Sie waren stets für die Grünen, stimmten auch mal für die Sozis. Aber nun wollten sie, auch und vor allem um gegen diesen AfD-Wahnsinn ein Zeichen zu setzen, ihr Kreuzchen dort setzen, wo es der Kanzlerin helfen könnte. Man müsse nämlich geradezu exemplarisch die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin krönen und sie mit ihrer Stimme unterstützen. Bei der nächsten Bundestagswahl müsste man aus Solidarität mit ihrer humanitären Politik quasi Merkelist sein. Diese Frau mag zuweilen plump wirken, aber sie schafft es auf die eine oder andere Art und Weise immer, auf den Füßen zu landen.

Die Symbolpolitik, von jeher der einzige Aktionismus aller Merkel-Regierungen (an dieser Stelle wurde mehrfach darüber berichtet), scheint nun zu ihrer Vollendung zu gelangen. Jetzt, da die Frau in die schlimmste Krise ihrer Kanzlerinnenschaft geraten ist, schafft sie es doch tatsächlich, Wähler anzusprechen, die sie nie gewählt haben. Die Welcome-Kanzlerin, die sich Randzonen-Despoten hält, die es zu keinem Welcome mehr kommen lassen, die Abschottung mit allem Mitteln betreiben sollen, wird nicht als höchst doppelzüngige und unlautere Person wahrgenommen, wohl aber als Kastell gegen die Sturmstaffeln der Giftmischer am rechten Rand einer an sich nach rechts pendelnden Mitte. Das ist das alte Kanzlerinnen-Prinzip, das seit Anbeginn ihrer Richtlinieninkompetenz wirkt. Neben allem, was die politische Landschaft seit Jahren bietet, kann man gar nicht anders als brillieren.

Es ist das »Dicker-Mann-plötzlich-schlank«-Theorem, das sich bei ihr seit jeher entfaltet. Wenn sich ein dicker Mann neben einen stellt, der doppelt so dick ist, dann nimmt er für den stillen Beobachter quasi ab, denn neben einem Koloss aus Fett wirkt man auch als dicke Person ganz schnell so, als habe man eine Schlankheitskur gemeistert. Wenn man einen Idioten neben einen noch größeren Idioten positioniert, dann wird man den weniger idiotischen Kerl immer wie einen Lichtblick wahrnehmen. So läuft das mit Merkel. Neben der AfD sieht die Frau auch dann nach Hoffnungsschimmer aus, wenn sie hierzulande Selfies mit Flüchtlingen macht, während sie synchron dazu für eine durchaus gewaltsame Vereitelung weiterer Selfie-Jäger einsteht.

Es ist halt schon ein großer Vorteil, wenn man nie so einen richtigen politischen Kurs mit strikter Marschroute hatte. Denn da kann man sich zwangsläufig immer irgendwie in die Rolle derjenigen begeben, die gerade etwas besser aussieht für die Allgemeinheit. Und wenn der Teil der Allgemeinheit, der mit ihrem realpolitischen Wirken der letzten Jahre, mit dieser Melange aus europäischer Zersplitterung und Neoliberalisierung des Abendlandes, plötzlich abspringt und sie verdammt, dann hilft es halt auch durchaus, wenn man an seiner Stammwählerscholle nicht zu sehr haftet, einfach durch Augenwischerei auch mal andere Kreise für sich begeistert und für eine Stimme bei der nächsten Wahl rekrutiert.

Die AfD ist die beste Erfindung für ihren Machterhalt, denn plötzlich sieht sie wie eine Alternative in ihrer eigenen Alternativlosigkeit aus. Man votiert für sie, weil man damit glaubt, dem Rechtsruck ein Schnippchen zu schlagen. Machiavelli hätte seinen »Fürsten« heute keinem Medici gewidmet, sondern dieser Frau Merkel. In »La principessa« hätte er für die Nachwelt festgehalten, wie man seine Macht sichert und ausbaut, wenn man nur nicht zu programmatisch ist und inhaltlich flexibel bleibt.

3 Kommentare:

Alles nur Satire 31. März 2016 um 13:00  

Ich habe noch nie Vertreter (m/w) der Grünen Partei ernst nehmen können, weder in den 70ern, schon gar nicht als einige dieser Schreihälse als Minister ihre Ämter antraten. Weder konnten diese Leute auch nur annähernd ihre (sehr wichtigen) ökologischen Ziele verwirklichen, noch waren sie in der Lage, eine demokratische Alternative zu spd, CxU oder FDP zu werden. Sie hatten ihr Auskommen gesichert, genießen die Annehmlichkeiten des Politbetriebes. Das war es dann. Sie wurden Kriegstreiber, wie jeder x-beliebige CxU-Rechtsaußen. Sie kungeln mit jedem miesen Lobbyisten.

Für mich ist dieser gebildete Mittelstand ein ebenso großes politisches Problem, wie der sich drangsalieren lassende HARTZ-IV-Sklave. Jene wählen entweder gar nicht mehr, oder immer noch spd, oder neuerdings AfD. Der „Mittelstand“, also die Besitzstandwahrer, die auch immer weniger werden, sich aber an ihren Glauben krallen, daher so blöde waren, den in die Jahre und zu Wohlstand gekommenen grünen Besitzstandwahrern ihre Stimme zu geben, haben nie kapiert, das die Grünen nur noch grün lackierte Schwarze sind.

Das der, zunächst mal nur auf sich selbst eingebildete Mittelstand nun darüber nachdenkt, eine Frau Merkel zu stützen, hat ja nur mit dem fehlgeleiteten politischen Glauben zu tun, das die neoliberale Politik von CxU für den Mittelstand ungefährlicher sei, als die neoliberalen Verbrechen die von spd, FDP und den Grünen Kriegstreibern unterstützt werden.

Gebildet kann nur bedeuten, das diese Leute mit unnützem Schulwissen vollgestopft sind, daher die neoliberale Propaganda der FAZ glauben und immer noch nicht kapiert haben, das kein einziger Polit-Vertreter von der neoliberalen Einheitspartei CxUspdGrüneFDPAfD und große Teile der Linken (Ramelow, Kipping und wie sie alle heißen) vom neoliberalen Finanzfaschismus abrücken wird und will.

Diese deutschen Wähler und Nichtwähler haben es nicht anders verdient. Sie haben diese Frau Merkel und jeden anderen Popanz verdient. Sie sind das alles selbst schuld, durch ihren Glauben, ihr Nichtwissen, ihren Willen sich desinformieren zu lassen, ihre Untertänigkeit gegenüber jeder Behörde, jedem öffentlich-rechtlichen Gebilde.

Vor allem durch ihre nie abgelegte Neigung zum Faschismus und ihrem Hang zur Fremdenfeindlichkeit, der es jedem politischen Bauernfänger ermöglicht, mühelos größere Zustimmung zu jedem rassistischen, nationalen und völkischen Unflat generieren zu können.

Diese Deutschen wollen einer Frau Merkel und ihrer Symbolpolitik auf den Leim gehen.
Nicht das ich Frau Merkel für so schlau und durchtrieben halte, das das von ihr durchgeführte Lavieren und Taktieren auf ihrem Mist gewachsen wäre.
Nein, diese Frau hat sich als der Idealfall für die Hochfinanz und die Industrie erwiesen, für McKinsey und Berger, für BDI, INSM, für die Deutsche Bank, für VW, für Bertelsmann, Springer, Burda und für die Atlantiker.

Denn sie ist keine wirkliche Politikerin, keine Visionärin, sondern ein FDJ-Apparatschik, die gelernt hat, ein politisches Programm durchzusetzen. Sie hat keine persönlichen Interessen. Wie Volker Pispers es sagte: „Fr. Merkel ist es völlig egal, wer ihre Kanzlerinnen-Sänfte trägt, wohin die getragen wird. Hauptsache ist: Frau Merkel sitzt in der Sänfte und das möglichst lange.“

Und genau dieses Ziel verfolgen auch ihre Vordenker von Bertelsmann. Denn Frau Merkel macht das, was die neoliberalen Finanzfaschisten wollen, ohne eigene Interessen. Das ist ideal.
Hinzu kommt, das Mutti auch noch lange Zeit vom Wähler als alternativlos angesehen wurde, bis zum Sommer 2015. Dann begann das Grummeln und Maulen und die Vordenker mussten einen politischen „Punchingball“ zum Abreagieren der völkischen Besitzstandswahrer präsentieren. Das ist die AfD.

Und mal ehrlich, wenn man in genau diesem politischen Denkmuster gefangen ist, wie es die Deutschen sind, dann kann man an Fr. Merkel nicht vorbei.

Machiavelli wird von Frau Merkel nicht gelesen, aber von ihren „Beratern“ von der Bertelsmannstiftung, BDI, INSM, Dt. Bank, McKinsey und den anderen neoliberalen Gangstern.

Stefan Frischauf 31. März 2016 um 15:09  

Hm, Roberto - habe lange Zeit eher frustriert geschwiegen zu Themen der "Linken" - also - SPD, Grüne und Linke in D.
Ulli Ladurner von der ZEIT hat einmal einen guten Artikel zur vierten Ära Berlusconi mit dem Titel „Die Dummheit der Linken“ , die das ermöglichte übersetzt: http://www.zeit.de/2010/47/P-Berlusconi
Italien war uns da einmal mehr voraus.

Die Kommentare auch zu Deinem letzten Beitrag "Die eigentliche Alternative für Deutschland wäre eine richtige Sozialdemokratie" hier zeigen ein ganzes Spektrum - und - sie fallen sogleich wieder auseinander.
Und - irgendwie verdeutlichen sie ja das ganze Dilemma dadurch. Das, was Dich ja wahrscheinlich auch zum Schreiben dieses Beitrags - und dieses hier über die Theaterdirektorin der Musicalbühne "Teile und herrsche am Ende der Geschichte" aus der Uckermark bewegt hat.
Ohne maßgebliche Integrationsfigur(en), die aber auch Führungsqualitäten haben wird es 2017 eine fürchterliche Wahl geben - SchWarz-grün-gelb und eine AFD mit 20 + %. Und - SPD bei ca. 18 %.
Und - das wird auch der neuen APO, die ein anonymer Schreiber zuletzt zu o.a. Post heraufbeschwor nicht wirklich gut tun.
Das ist schließlich Deutschland hier. Ein Land mit einem recht tragischen 20. Jrhdt., das sich da selbst verdrängt.
Das neben dem (verdeckten) Heraufrufen nationalistischer Umtriebe da leider auch seine tribalistischen Wurzeln und Bestandteile verdrängt.
Meine bald 80 werdende, eher "unpolitische" werte Frau Mutter sagte auch kürzlich noch: "Ein Rechtsruck in Deutschland? Dann gnade uns Gott!" Nu ist dieser manifest geworden und - Linke, demokratische und bürgerliche progressive Kräfte scheinen einmal mehr zu kapitulieren dabei, eine Front gegen diese Bedrohung aufzubauen.
Verheerend.
Merkel jedoch wird dies einmal mehr zu nutzen wissen. Ihre "Integrationspolitik" dabei wird ganz besondere Züge aufweisen.
Und - sie wird die älteste Partei zerstören. Die jetzige Führung wird auch das kaum merken.

Dein besorgter Blick geht ja auch eher von außen nach D.
Ich bin 2010 aus Afghanistan in ein Land zurückgekommen, das ich nur noch von außen betrachten kann.
Das nun "sichere Herkunftsland" also, in das ich doch zurückkehren solle, wie mir eine Ex-Kommilitonin mal riet.
Nun ja.
Deutschland und Europa am Scheidepunkt.
In jeder Hinsicht.

Aldo 1. April 2016 um 16:59  

@Alles nur Satire

"Machiavelli wird von Frau Merkel nicht gelesen, aber von ihren „Beratern“ von der Bertelsmannstiftung, BDI, INSM, Dt. Bank, McKinsey und den anderen neoliberalen Gangstern."

Machiavellis Buch "Il Principe" ist zwar ein Handbuch , wie man Macht erhält, geschrieben für die damals herrschenden Staatenlenker, aber gleichzeitig ist es eine Schrift, die uns allen gerade durch die Darstellung von Techniken zur Aufrechterhaltung der Macht, Möglichkeiten der Gegenwehr aufzeigt.." Il Principe" gibt uns Werkzeuge , wie wir die herrschenden Machtverhältnisse verändern oder umstürzen können, um uns von dem herrschenden Finanzfaschismus befreien zu können.

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