Problemlösungen, die Probleme auslösen

Donnerstag, 17. September 2015

Irgendeiner dieser »Experten«, die man nun allerorten hört, sprach sich dafür aus, dass nun mehr Bürger Flüchtlinge privat bei sich aufnehmen sollten. Das ist kein guter Vorschlag, sondern das Gegenteil dessen. Es ist eine Hinterlist, um erneut eine Anti-Asylbewerber-Stimmung zu entfachen.

Es war Anfang der Neunziger. Ich war dreizehn, vielleicht vierzehn Jahre alt und saß mit meinen Eltern vor der Glotze. Wir hatten RTL an. Dort putzte ein Reporter Klinken. Ging von Haustüre zu Haustüre und fragte nach, wer denn bereit sei, einen oder zwei Asylbewerber in seiner Privatwohnung aufzunehmen. Stein des Anstoßes war irgendeine Bemerkung eines Politikers, der im Zuge der Flüchtlingswelle jener Zeit, einen etwaigen Vorschlag diesbezüglich losgelassen hatte. Natürlich lehnten alle ab, fühlten sich von der Politik bevormundet. Sie waren sichtlich empört. Ich junger Kerl natürlich auch. Ich saß im Sessel und stellte mir vor, wie das wohl wäre, wenn uns ein Fremder unter Anordnung zugeteilt würde. Nach dem Krieg hatte es das schon mal gegeben, sagten der Reporter. Aber das war doch eine andere Situation, oder nicht? Für mich war das unvorstellbar und eine Schandtat, gegen die jeder Widerstand berechtigt wäre. Der rebellische Jugendliche malte sich seine Wehrhaftigkeit pathetisch aus. Ein solcher Vorschlag ist nun wieder aufs Tapet gebracht worden. Heute sehe ich das allerdings etwas anders.

3 Kommentare:

Lutz Hausstein 17. September 2015 um 20:21  

Mit Deinen Aussagen zu privater Unterbringung gehe ich konform. Ich würde jemand Wildfremden, egal welcher Herkunft auch immer, auch nicht einfach so bei mir aufnehmen. Man sollte zwar nie "nie" sagen und vielleicht gäbe es auch ganz konkrete Umstände, die mich von dieser Einstellung in einem Einzelfall abbrächten, aber grundsätzlich betrachte ich es so.

Die Unterbringung durch die Allgemeinheit sehe ich allerdings etwas anders als Du. Ich möchte das auch gern erläutern. Aktuell ist die Unterbringung durch private Wohneigentümer oder gar Unternehmen ein bombastisch boomendes und vor allem auch extrem lukratives Geschäftsmodell.

Der Staat zahlt privaten Eigentümern erheblich überhöhte Mieten für häufig heruntergekommenen Wohnraum. Und die machen damit einen richtigen Reibach. Interessant für mich in diesem Zusammenhang ebenfalls, dass die dabei gezahlten Mieten mehrfach in von mir festgestellten Fällen ein Vielfaches dessen betragen, was z.B. Sozialleistungsempfängern als "angemessene Miete" in der jeweiligen Region zugestanden wird. Wie gesagt: Ein Riesengeschäft.

Aktuelles Beispiel der etwas besonderen Art: Das Maritim-Hotel in Halle/Saale. Das Maritim war vor Jahren mal ein sehr gutes Hotel, ist inzwischen aber nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Soweit ich weiß, sollte es in Kürze geschlossen werden. Nun wird es aufgrund mangelnder Kapazitäten bei der Flüchtlingsunterbringung in Sachsen-Anhalt als Unterkunft "anschlußverwendet". Dass die Hotelmitarbeiter entlassen werden, ist also unabhängig von dieser Entscheidung. Maritim jedoch macht durch diese Weiterverwendung des Hotels einen sehr guten Schnitt.

Die Unterbringung von Flüchtlingen bei privaten Eigentümern ist derzeit ein Riesengeschäft. Möglicherweise sogar eines der größten der Jetzt-Zeit. Und das ist der völlig falsche Weg. Wenn, dann sollte die Unterkunft ausschließlich in staatlichem/kommunalem Eigentum erfolgen.

ulli 18. September 2015 um 01:58  

Du redest so, als sei mit den Flüchtlingen dieses Jahr alles erledigt. Glaubst du aber wirklich, dass Krieg und Verfolgung bald aufhören werden, dass Kasernen und "leere Häuserblöcke" ausreichen für die Aufnahme der zu erwartenden Flüchtlinge der nächsten Jahre?
Oder dass der Markt jeden Tag des Jahres Eintausend weitere Wohnungen bereithält für gerade mal 365.000 Wohnungen im Jahr, womit kaum die diesjährigen Ankömmlinge zu zweit untergebracht werden könnten?

Anonym 18. September 2015 um 10:41  

Anonym

Lutz Hausstein hat gesagt...
Mit Deinen Aussagen zu privater Unterbringung gehe ich konform. Ich würde jemand Wildfremden, egal welcher Herkunft auch immer, auch nicht einfach so bei mir aufnehmen. Man sollte zwar nie "nie" sagen und vielleicht gäbe es auch ganz konkrete Umstände, die mich von dieser Einstellung in einem Einzelfall abbrächten, aber grundsätzlich betrachte ich es so.

Ich habe mal nicht nein gesagt, als ein Bekannter mich gebeten hat, seinen Freund für eine Nacht aufzunehmen. Ich kannte diesen Freund nicht. Es blieb nicht bei einer Nacht. dann fehlte mir Geld. Ich habe den dann nicht mehr rein gelassen. Das war dann Schluss. Als ich dann erfahren habe, dieser "Freund eines Bekannten" habe zwei Tage später einen Menschen erschlagen, der ihn aufgenommen hatte ...

... seitdem würde ich auch niemanden mehr aufnehmen.

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