... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 21. Oktober 2014

»Natürlich sind wir schon von je daran gewöhnt, große Banditen zu bewundern, die die ganze Welt mit uns verehrt, weil sie reich sind, und deren Dasein bei näherer Betrachtung eine ununterbrochene Reihe von Übeltaten ist, aber das sind berühmte, geehrte und mächtige Leute, ihre Vergehen sind gesetzlich legitimiert worden; aber so weit man auch in der Weltgeschichte zurückblickt [...], man findet immer wieder den Beweis dafür, dass ein läßlicher Diebstahl, besonders der armseliger Nahrungsmittel, wie Brot, Schinken oder Käse, unfehlbar dem Täter förmliche Ächtung, Strafe, zwangsläufigen Ehrverlust und unauslöschliche Schande zuzieht, und das aus zwei Gründen: erstens, weil solche Freveltaten meist von einem Armen begangen werden und dieser Status an sich durchaus unwürdig ist, und zweitens, weil eine solche Handlungsweise eine Art stillen Vorwurfs gegen die Gesellschaftsordnung in sich schließt ... Der Diebstahl eines Armen ist boshafte, individuelle Korrektur, verstehen Sie? Wohin soll das führen? Daher wurden unter allen Himmelsrichtungen, beachten Sie das wohl, die kleineren Diebstähle äußerst streng bestraft, nicht nur, um die soziale Ordnung zu verteidigen, sondern auch hauptsächlich, um allen Unglücklichen einen deutlichen Wink zu erteilen, dass sie auf ihrem Platz und innerhalb ihrer Kaste zu bleiben und das Maul zu halten und sich freudig darein zu inden haben, jahrhundertelang, bis in alle Ewigkeit, in Hunger und Elend zugrunde zu gehen.«
- Louis-Ferdinand Céline, »Reise ans Ende der Nacht« -

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