Das ist auch Ihr Krieg, Frau Merkel!

Montag, 3. März 2014

Zeilen an eine, die eigentlich in die Riege politischer Kaltgestellter gehörte.

Die Bundesregierung hat ja lange genug reingebohrt in diese teigige Protestmasse aus Rechtsradikalen, Antisemiten und Nationalisten in der Ukraine. Sie hat Klitschko hofiert und Ansprachen in Richtung Maidan-Platz gehalten, in denen es von europäischem Pathos nur so wimmelte. Der in Aufruhr versetzte Maidan lauschte den versprochenen Hilfen und der moralischen Unterstützung und ließ nicht ab, radikalisierte sich sogar noch und gebrauchte letztlich Gewalt. Diese Eskalation steigert sich im Augenblick in einen zweiten Krim-Krieg und wer weiß in was für einen noch.

Lassen Sie uns doch mal ganz direkt sein: Das ist auch Ihr Krieg, Frau Merkel! Wie Sie da so selbstgerecht gesessen haben, als sie vor etwa einem Monat den Ukrainern Hilfe versprachen. Sie redeten ja gleich von allen Ukrainern, als ob der belagerte Maidan-Platz das Sprachrohr eines ganzen Volkes war. Damals wusste man aber schon, dass sich rechtsextreme Gruppen und Personen als die treibenden Kräfte des Aufstandes erwiesen. Trotzdem, Sie sprachen von "gleichen Werten, die auch uns in der Europäischen Union leiten". Und wie zuversichtlich Klitschko war, als er von der Sicherheitskonferenz kam. Deutschland habe seinem Land Begleitung in die Demokratie zugesagt, erzählte er.

Unter Janukowytsch war die Ukraine kein gesundes Land. Wie so viele nicht. Seine Wahl und der Sieg seiner Partei bei den Parlamentswahlen zwei Jahre später, kamen aber unter internationaler Beobachtung zustande. Kleine Unregelmäßigkeiten, die den internationalen Standards nicht entsprechen, haben die Wahlbeobachter seinerzeit zwar festgestellt, aber das haben die auch schon in Deutschland getan, als es kleine Unregelmäßigkeiten namens Überhangmandate noch gab. Dennoch sprachen die Medien mittlerweile vom Regime in Kiew. Und die Politik übernahm diese Wortwahl unhinterfragt und Ihre Regierung hat niemanden im deutschen Politbetrieb gebremst und gemäßigt.

Sie saßen nicht nur da und haben Hilfe in Aussicht gestellt und eine Art fernes moralisches Gutachten dieser Bewegung unterzeichnet, sondern gleichzeitig am Feindbild Russland gefeilt. Einen russischen Kleptokraten, der hart, aber dennoch legal bestraft wurde und wieder frei kam, haben Sie einfliegen lassen und er wurde wie eine moralische Autorität gefeiert. Und der Mann, der unter Ihnen Bundespräsident ist, giftete immer wieder mal Richtung Moskau. Klar, Putin ist vermutlich nur für Ihren direkten Amtsvorgänger ein lupenreiner Demokrat. Aber die Administration dieses Landes hat schon mit ganz anderen Schlächtern gekungelt. Ein Stalin ist der Mann auf alle Fälle nicht. Wie hätte man aber mit diesem Feindbild die Geschehnisse in der Ukraine besprechen können? Die Haltung Ihrer Regierung hat eine friedliche Inangriffnahme auf diplomatischen Wege unmöglich gemacht.

Das ist auch Ihr Krieg! Klar, noch ist es keiner. Aber er steht an. Er liegt in der Luft. Vielleicht verfliegt das auch wieder. Wenigstens eine Weile. Und dann? Wenn es sich beruhigt hat, geht es dann weiter mit der "Europäisierung" der Ukraine? Sparpolitik wurde ja schon in Aussicht gestellt, sollte man von Seiten Kiews um Kredite anfragen. Sparpolitik und natürlich Sozialabbau. Griechische Verhältnisse, die unter einer Regierung stattfinden sollen, die zudem rechtsautoritär infiltriert ist und an das legale Regime in Ungarn erinnert, das Obdachlose, Juden und Roma drangsaliert und dabei von der Europäischen Union in Ruhe gelassen wird. Klar, die Ungarn brauchen auch keine Kredite, die machen das ganz gut, lassen wir sie doch mal machen.

Nationale Autonomie gibt es in dieser EU unter Ihrer Federführung für rechtsautoritäre Regierungen, nicht aber für wesentlich demokratischer geführte Republiken mit Finanzproblemen. Was für ein Nihilismus und Werteverfall. Was retten Sie da eigentlich genau? Die oft zitierte Wertegemeinschaft kann es jedenfalls nicht sein.

Die Leute in Ihrem Umfeld, Gauck, Steinmeier und von der Leyen sprechen seit geraumer Zeit von der "deutschen Verantwortung in der Welt". Sie meinen damit Waffenmacht und Waffengänge. Die Mittel des Gesprächs, die es ja auch noch gibt und die die Europäische Union wirken lassen könnte, sind einfach verpufft. In anderen Fragen haben Sie sich in der EU jedoch durchgesetzt. Und hier? Denn klar ist auch, dass ich als Bürger zwischen EU und Bundesregierung immer schwerer unterscheiden kann. Ihre Regierung hat sich als der Hegemon erwiesen, der die EU neu aufstellt. Sie hätten die Mittel, wenn Sie sie nutzen wollten. Sonst sind die Zeitungen voll von Ihrer großen Macht und Ihrem Einfluss innerhalb der EU. Und nun? Ist die "deutsche Verantwortung in der Welt" an ihr Ende gelangt, weil sie keine Waffen mitführen darf?

Janukowytsch hat abgewirtschaftet. Putin wird sich nicht mehr lange halten können. Erdogan mischt auch mit, hat man als Randnotiz lesen können. Die Krim interessiert ihn auch. Der Mann flüchtet in die Außenpolitik, nachdem er im Inneren am Ende ist. Die EU hat ihre Rolle als moralischer Block nun endgültig aufgegeben und ist zur Kriegstreiberunion geworden, die Machtallüren an den Tag legt, wie jedes Imperium vor ihr. Und wer weiß, vielleicht leidet die kontinentale Wettbewerbsfähigkeit, von der Sie immer gerne sprechen, gar nicht unter einem Krieg an der Peripherie. Vielleicht tut ihr das ja gut.

Und Sie, Frau Merkel, müssten mit dieser internationalen Krise auch politisch am Ende sein. Eigentlich. Zu gewieft mitgemischt haben Sie und Ihre Leute da. Neutralität ist etwas, was der neue deutsche Mensch nicht mehr kennt. Man darf gespannt sein, was Ihre Public Relations-Abteilung aus dem Hut zaubert, um Sie als die letzte Gewinnerin der Affäre dastehen zu lassen. Das ist auch Ihr Krieg! Es gehört nicht viel dazu, um das zu erkennen. Gauck, Steinmeier und von der Leyen werden aber nicht für deutsche Verantwortung werben. Nicht gegen eine schlagkräftige Armee wie es die russische ist. Sie meinten eher hilflose Völker am Rande ihrer Wohlstandswelt. Und Sie?


11 Kommentare:

Anonym 3. März 2014 um 10:04  

Was ich an der Berichtserstattung über die Ereignisse in der Ukraine erschreckend finde ist, dass der nationalistische Hintergrund genauso von den meisten Medien verschwiegen wird, wie die Zusammenarbeit der konstruierten Lichtgestalt Klitschkos mit Faschisten.
Wenn ich mich z.B. bei meiner Arbeit so umhöre, wissen das viele nicht. Stattdessen sehen ältere Kollegen nur „den Russen“ der mal wieder nach der Macht greift und dabei grinsen sie wie kleine Kinder, die froh sind, dass ein altes Feinbild noch so gut funktioniert und sie nicht umdenken müssen.
Das ist auch die einzige Erklärung die ich für die einseitige Berichterstattung habe.
Mal wieder sind Reporter zu faul zum Recherchieren und da sie wissen, das die meisten ihrer Leser zu faul zum Denken sind bieten sie auch bei diesem Konflikt wieder eine einfache Erklärung an. Die eine Seite ist gut und die andere Seite ist böse. Und wenn sie sich erst einmal entschieden haben wird die Einteilung auch bis zum Schluss durchgezogen.

ulli 3. März 2014 um 10:11  

Ich denke, dass sich beide Seiten nicht viel nehmen. Nietzsche hat mal geschrieben, die Staaten seien die schlimmsten Ungeheuer, und das ist vollkommen richtig: Es geht beiden Seiten ausschließlich um Macht, um politische und wirtschaftliche Einflusssphären. Wobei gerade die Krim natürlich historisches russisches Einflußgebiet ist. Merkel und der Westen haben massiv gezündelt, als sie in der Ukraine so klar Partei ergriffen haben und beispielsweise Klitschko sogar zur Münchner Sicherheitskonferenz eingeladen haben. Auf der anderen Seite hätte natürlich auch Putins erst mal mit nicht-militärischen Mitteln versuchen können, seine Interessen durchzusetzen.

Das Erschütterndste ist aber, dass nicht mehr die Erhaltung des Friedens, sondern die Ausweitung der Einflußsphären im Mittelpunkt auch der deutschen Außenpolitik stehen. Das kann früher oder später in einer Katastrophe enden. Brandt und Schmidt hatten den Krieg ja selbst erlebt, auch Kohl hat einen Bruder im Krieg verloren, so wussten diese Leute immer, dass die Willfährigkeit gegenüber den ökonomisch Mächtigen Grenzen haben muss. Bei den heutigen Politbirnen scheint das nicht mehr der Fall zu, sie träumen schon im Bundestag von ihren Millionenjobs beim Big Business. Von der stabilen Nachkriegsordnung, die den Menschen ein halbes Jahrhundert lang Frieden und Wohlstand beschert hat, ist nicht mehr viel übrig: Die Sozialstaaten sind geschleift, die Märkte vollkommen dereguliert und nun wird auch die Außenpolitik den Interessen der Finanzoligarchien untergeordnet (der IWF steht ja schon bereit, um in Kiew einzureiten).

Anonym 3. März 2014 um 10:50  

Soweit man ein paar kyrillischen Blogs gefolgt ist, waren jedoch nicht nur die besagten Klientel vor Ort. Es schienen auch "normale Bürger" darunter gewesen zu sein.
Was diese allerdings mit ihrem Handeln bezwecken wollten, ging daraus bis heute nicht hervor.

Logisch betrachtet, wirkt es zweifelhaft, ob dort tatsächlich solch arme Bürger zu Gange waren.
Wer Angehörige besitzt, hat nicht die Zeit und das Kapital, um sich Monate hinter selbstgebauten Barrikaden zu verstecken und sich mit der Polizei prügeln.
Rechnungen bezahlen sich nicht von alleine.
Darum werden die Bewohner von Donezk und Lugansk auch ihre Füße still gehalten haben.

Anonym 3. März 2014 um 11:11  

ANMERKER MEINT:

Genau so ist es; eine klare Analyse, Roberto.
Die Chuzpe, mit der sich die GroKo in das Weltgeschehen einmischt ist schon toll. "Wir sind wieder wer" und wer, wenn nicht die Sozialdemokraten könnten dafür stehen. Da nützt der Altraucher aus Hamburg nichts mit seinen Mahnungen zur weltpolitischen Zurückhaltung. Soll der doch ab und an grummeln. Das macht sich gut im Pluralismusgehabe dieser Partei. Eigentlich bin ich ja nicht für die Parole "Wer hat uns verraten - Sozialdemokraten", aber das Treiben dieser Partei scheint den Spruch zu bestätigen. Man könnte meinen, Herr Steinmeier habe vor den Wahlen nur in den Startlöchern gestanden, um danach loslegen zu können. Na ja, es waren ja auch Sozialdemokraten der rechten Couleur, die 1914 den Kriegskrediten zugestimmt haben.Insofern ist Steinmeier in guter Tradition unterwegs und zugleich das Feigenblättchen für Frau Merkels Agieren im Hintergrund. Es ist einfach zum Kotzen, was diese zusammengeschusterte Koalition im Namen der Bevölkerung veranstaltet. Und dann kommen auch noch die Grünen und wollen Russland aus G8 und G20 rauswerfen. SchwarzGrün lässt grüßen! Aber da war doch mal was, das nannte man KSZE. Ach ja, aber da war man noch nicht WorldGambler.

MEINT ANMERKER

Anonym 3. März 2014 um 13:06  

Keine Sorge, Russland rechnet deutsche Versäumnisse über den Gaspreis ab, der jetzt hart ansteigen wird, wo Gazprom gerade Milliarden an der Börse verliert...

BRDAKUT 3. März 2014 um 15:43  

Das ist auch Ihr Krieg, Frau Merkel!

Wie wahr, man vergesse nicht die CDU-Adenauerstiftung-Klitschko-Udar-Achse!!!

Sledgehammer 3. März 2014 um 16:00  

Die europäischen Maulhuren/Bellizisten, man glaubt Z. Brzezinski zu hören, blähen sich vielstimmig auf und rudern noch vor dem nächsten Winter zurück, weil der "russische Bär" mehr kann als sich nur am Arsch zu kratzen.

Oeconomicus 3. März 2014 um 20:33  

Was mir im Zusammenhang mit dem Verhalten von Merkel und den westlichen Volldemokraten erheblich auf den Zeiger geht, ist das Totschweigen des rechtswidriges Prozederes bei der Abwahl von Janukovych!

http://oconomicus.wordpress.com/2014/03/02/doppelmoral/

Anonym 3. März 2014 um 22:31  

Gut, dass jemand das einmal so klar sagt. Danke. Es steckt aber sicher mittel- und langfristig noch mehr dahinter, ganz unabhängig von aller propagandistischen Bearbeitung der Themen Freiheit und Unfreiheit, und das sollte man sich klarmachen.

Dazu vergleiche man nur einmal die Weltkarte von 1989 und die heutige und notiere, wo um Russland herum inzwischen NATO-freundliche Regierungen sitzen bzw. gleich Militärstützpunkte errichtet wurden und wo auf der Welt Russland nicht nur ihm freundliche Regierungen verloren hat, sondern diese US/NATO-freundlich sind. Man sehe sich auch einmal die spezifische Lage der Ukraine auf der Landkarte an inklusive der Nähe zur Hauptstadt Moskau. So etwas ist auch im Zeitalter der langreichweitigen Waffen noch immer nicht belanglos. Alles ziemlich trivial, aber aufschlussreich für die Frage, wer hier aggressiv ist. Man mache sich auch klar, dass die Ausbeutung von Rohstoffe im Westreich der Freiheit für alle absehbar begrenzt ist und die Okkupationen anderer Länder in Afrika und wo auch immer auf Dauer sehr kostspielig sind. Andererseits Russland, da liegt alles in ziemlich erreichbarer Nähe und ruft schon seit Jahrzehnten danach, der westlichen Freiheit teilhaftig zu werden. Beute mich aus, bitte bitte.

Man mache sich auch – von dem 1914-ähnlichen qualifizierten Zündeln ganz abgesehen – die Superdiplomatie des hiesigen Landes klar, unter der Ägide der Dame aus der Uckermark, die unter Honecker und Kohl gelernt hat, wie man Politik & Propaganda betreibt, und der jetzigen KED, mit ihren paar Spielarten. Dass eine Assoziation mit der EU die mit der NATO nach sich zöge und schon vorher Militärstützpunkte dort existieren würden, ist doch klar. Wurden irgendwelche der relevanten Zusagen, die man Russland nach 1989 gab, eingehalten? Wie hat man sich das, sagen wir für das nächste Jahrzehnt, gedacht bei Frau Merkel? Das Schwarze Meer in 10 Jahren ein NATO-Meer, deutsche Kriegsschiffe wieder bei der Krim ankernd (oder erst später, weil es doch vielleicht peinlich wäre), wir wieder nah am Kaukasus, und ein herrliches Kontroll- und Aufmarschgebiet, mit einem Raketenschirm, der unter den gegebenen Umständen rationalerweise nur als Teil einer Erstschlagkapazität zählen kann? Mit Bundespräsidenten, die dazu den kleinen Hindenburg mit Sängen von der Freiheiheiheit geben? Es muss ja nicht gleich Krieg sein, ein massives Drohpotenzial reicht, von dem die Russen sicher wissen, dass sie ihm nichts entgegensetzen können. Es braucht nämlich (zunächst) nicht den „Präventivkrieg“ nach Art von Barbarossa (es dürfte nur eine Frage von Tagen bei der absehbaren Entwicklung sein, dass hierzulande das innere Braune im Qualitätsjournaillismus wieder zum Vorschein kommt). Es geht gar nicht um eine Verschwörung, sondern um eine im Kapitalismus liegende Notwendigkeit oder Versuchung (das will ich dahingestellt lassen), der Akteure vom Kaliber Merkel sicher gerne folgen, gerade dann, wenn man sich durch „Antikommunismus“ von seinen früheren Agitprop- und Opportunismus-Sünden reinwaschen kann – an eine solche Billigpsychologie muss man bei Frau Merkel immer denken.

Anonym 4. März 2014 um 09:21  

Wir verdienen die Politiker und Politik, die wir gewählt haben. Ca. 80 % der Wähler für die Einheitspartei CDUCSUSPDFTPGRÜNE in der Bundestagswahl 2013!!!

Anonym 4. März 2014 um 10:25  

die oft zitierte wertegemeinschaft kann es jedenfalls nicht sein...
doch, sie ist es, wenn man sie richtig versteht: Eine Gemeinschaft, die Werte schafft.
"werte" muß man nur richtig verstehen.
Wer keine Werte schafft, hat in dieser Gemeinschaft nichts mehr zu suchen und kann froh darüber sein, was er noch bekommt.
Viele bekommen im 21. Jahrhundert nichts, rein gar nichts mehr und das nicht nur in Griechenland, Spanien ....Auch in Deutschland.
Werte, neinnein, es sind keine menschlichen Werte gemeint.

G. Bieck

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