Auge um Auge, Bürgerrecht um Bürgerrecht

Montag, 10. Februar 2014

Als Kind hat mir mal einer aus meiner Schulklasse meine Mütze geklaut. Ich fand sie später wieder. Mit Löchern. Also stahl ich ihm die Mütze und riss ein hübsches Loch in den Stoff. Ich hatte keine zweite Mütze, also konnte er sich nicht revanchieren. Das hat zu Deeskalation des Streits erheblich beigetragen.

Dass wir uns gleich richtig verstehen: Das was dieser SPD-Innenexperte namens Michael Hartmann nun als Vorschlag in die Runde warf, ist kein kleiner Mützendiebstahl. Er spricht sich dafür aus, dass man die Vereinigten Staaten mit Gegenspionage strafen soll. "Wer uns ausspäht, muss damit rechnen, dass er seinerseits ebenfalls Zielobjekt wird", sagt er. Er hat schon die Sprache kalter Krieger und Geheimdienstler für sich entdeckt. Spricht ganz ungeniert von Objekten und Zielen. Sein Ansatz klingt natürlich logisch. Gleiches mit Gleichem vergelten ist irgendwie menschlich. Aber eben auch Unsinn. So lässt sich kein Recht herstellen. Wohl aber Eskalation. Und in diesem speziellen Falle die langsame Bereitschaft, eigentlich zu schützende Bürgerrechte aufzulösen. Denn wer die Privatsphäre von Menschen über den Atlantik nicht respektiert, der kann auch nicht mehr für mehr Respekt gegenüber Bürgerrechten einstehen.

Auge um Auge, Bürgerrecht um Bürgerrecht. Talionsgesetz nennt sich dieser Spaß. Ein alttestamentarischer Rechtssatz, der damals sogar fortschrittlich war. Denn er sagt ja auch: Wenn dir einer ein Auge aussticht, bring ihn nicht gleich um, stich ihm einfach auch ein Auge aus. Heute würde man den Spruch so übersetzen: Strafen müssen angemessen sein. Die Frage ist also, ob es angemessen ist, für Bürgerrechte einzustehen indem man Bürgerrechte nicht wahrt.

Gandhi soll mal gesagt haben: "Auge um Auge - und die ganze Welt wird blind sein." Die Fortführung dieses Zitates wäre: Bürgerrecht um Bürgerrecht - und irgendwann haben alle vergessen, dass es sowas wie Bürgerrechte überhaupt je gab.

Aber der Hartmann meinte doch nur, dass man den US-Präsidenten oder einige Senatoren abhören sollte (und amerikanische Firmen natürlich), wird mancher Befürworter des Vorschlags als Einwand anbringen.
Hat er das? Ist das nicht ein gemachter Anfang für mehr? Für das Belauschen normaler US-Bürger?
Und was hätten wir davon, wenn wir US-Bürger durchleuchten?, könnte so ein Befürworter da erneut kritisch hinterfragen.
Eben, das frage ich mich ja auch schon die ganze Zeit. Was haben denn amerikanische Behörden davon, wenn sie normale Bürger in Europa abhören? Gemacht haben sie es trotzdem. Weil sie es können.

Wie auch immer: Dieser von Revanchegelüsten geleiteter Einfall entstammt dem Trauerspiel, das seit geraumer Zeit vom Niedergang und der Verrohung der politischen Funktionselite kündet. Wer Bürgerrechte und Privatsphäre schützen will, der muss deren (Wieder-)Herstellung fordern und darf nicht zum selben Mittel greifen. Der antibürgerrechtlichen Schlafmütze Hartmann sollte man selbe wegnehmen und ein Loch hineinschneiden. So wie ich es damals mit meinem Klassenkollegen gemacht habe. Mütze um Mütze - auch auf die Gefahr hin, dass bald keiner mehr eine hat um was drauf zu bekommen.


5 Kommentare:

Seven 10. Februar 2014 um 10:07  

Raff ich auch nicht, den Mist.

Schon als die Snowden-Enthüllungen noch ganz frisch waren, sass Zeit-Herausgeber Josef Joffe bereits bei Phoenix und bewarb die Auge-um-Auge-Mentalität als Ei des Kolumbus.
Unglücklicherweise ist es ja mitnichten so, dass - wenn jedem dann ein Auge fehlt - nur noch die Hälfte erfasst werden wird.
Im Gegenteil steuern wir dann umso rasanter in genau jene Total-Überwachung, vor der Joffe's Zeitung in seltenen, wachen Momenten warnt.

Jedes Kind kann einem den Ausgang dieses Wettrüstens prognostizieren. (wenn's nicht grad zu beschäftigt damit ist, fremde Mützen zu zerreissen, hehehe)

Warum also müssen wir immer wieder solche Argumente von erwachsenen Menschen hören ?
Die folgen ja nicht irgendwelchen Revange-Reflexen, sondern haben sich ihre rationalen Gedanken gemacht, bevor sie diesen Stuss verbreiteten.
Tja - je höher der Gesellschaftsgrad, desto enger anscheinend die Sichtweise.
Während Normalbürger noch über Lösungsansätze nachdenken, besteht in den Köpfen der Eliten bereits gähnende Altvernativlosigkeit.

Der Frust wird langsam bodenlos !

Anonym 10. Februar 2014 um 11:05  

Der Dreck, der so über unsere "Elite" desöfteren nach oben quillt und für alle auch ohne Spionage sichtbar wird, ist für mich absolut ausreichend.

Schlimmer kann es eigentlich gar nicht mehr werden.

Aber man will sich ja nur immer gegenseitig bedrohen. Wir wollen nicht wie die Amis, also greift der Botschafter in seinen Kompromatenkoffer und schon ist die dt. "Elite" wieder auf Kurs. Das will man eben auch können.

Das läuft dann darauf hinaus, dass es sicherlich ein internes Schmuddelranking unter den Geheimdiensten geben wird, ein Schmuddelquartett.
USA: Wir haben hier Steuerhinterziehung und Begünstigung von Familienangehörigen.
DE: Kleinkram! Schaut euch mal an, was wir über Senator xy haben.
USA: Wir erhöhen um Prostitution und Menschenhandel
DE: ...

Weiter reicht meine Phantasie nicht, weil das alles viel zu nah an der Realität ist.

Anonym 10. Februar 2014 um 15:27  

Das Problem ist, dass man manchmal die Sprache des anderen sprechen muss, um von ihm verstanden zu werden.
Das ist ziemlich ambivalent und zwiespältig, aber jeder kennt sowas wohl aus dem Alltag.
Wenn man dem Gegenüber etwas mitteilen will, aber merkt, dass man es nicht mit der eigenen Form der Kommunikation erreicht, ist man leider manchmal gezwungen, so zu reden, dass einen das Gegenüber versteht...

Anonym 10. Februar 2014 um 15:52  

Jemand, der einen solchen Vorschlag macht, sollte niemals als "Innenexperte" bezeichnet werden.
Als Folge solcher Äußerungen kann einem Land schnell der Krieg erklärt werden.
Will er es in seine Verantwortung nehmen, dass es wieder einmal einen deutsch-amerikanischen Krieg gibt?

Hartmut B. 11. Februar 2014 um 21:50  

wir werden dieses alttestamentarische Denken wohl nie mehr loswerden.....
Die Menschen sind einfach zu verblödet um diesen Wahn zu begreifen
wesentliches Mittel ist die Blöd Zeitung.
Als ich in den 70ern noch im ÖD tätig war, konnte ich erkennen, wie die Blöd-Zeitung vom unteren Dienst,
gierig vom gehobenen und höheren Dienst regelrecht aufgesaugt wurde.....
einer vom höheren Dienst war sowas von geil auf die Blödzeitung -- aber er hatte nicht mal 5o Pfennige für eine Spende zum Geburtstag......
Die Blödzeitung hat er sich natürlich vom untersten Dienst ausgeliehen.......

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