Die unsachliche Ehrlichkeit des Herrn Gabriel

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Gabriel braucht Thesen, um die beabsichtigte Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung zu legitimieren. Da fiel ihm ein, er könne ja die Terroraktion auf Utøya nennen. Durch die Vorratsdatenspeicherung in Norwegen, so Gabriel, habe man "sehr schnell" in Erfahrung bringen können, "wer der Mörder war". Sie habe ermöglicht, den Einzeltäter zu überführen. Telepolis nennt dieses Argument unsachlich. Denn zwar habe das norwegische Parlament einige Monate vor dem Anschlag für die Einführung der Vorratsdatenspeicherung gestimmt - aber eingeführt ist sie bis heute nicht. Erst mit Beginn des Jahres 2015 soll es dort so weit sein.

Telepolis führt weiter aus, dass konventionelle Ermittlungen ausgereicht hätten, um Breivik zu überführen. Hinzuzufügen wäre aber auch noch folgender Aspekt: Breivik hätte sich vermutlich früher oder später ohnehin gestellt hätte. Er tötete ja nicht ohne Stolz. Und da er sich selbst in einer Mission sah, wäre er nicht daran vorbeigekommen, sich zu outen und zu stellen. Utøya ist also ein schrecklich doofes Beispiel für die Erfolge, die die Vorratsdatenspeicherung angeblich ernten soll.

Was aber interessant ist: Bei aller Unsachlichkeit und Instrumentalisierung dieses Anschlags, ist Gabriel zwischen den Zeilen ehrlich genug, um die Vorratsdatenspeicherung nicht mehr als Sicherheitsgarant aufzuzählen. Jahrelang erklärten uns Sicherheitspolitiker, dass die Vorratsdatenspeicherung (und andere Überwachungsverfahren) Terroranschläge verhindern könne. Man könne quasi a priori einschreiten. Hier kam rhetorisch die Sauerland-Gruppe ins Spiel, die man mittels Überwachung vor ihren geplanten Anschlag dingfest gemacht habe.

Durch die Sammlung von Daten könne man also für Sicherheit sorgen, sagte man uns. Noch bevor es zum Akt der Gewalt kommt wohlgemerkt. Dass nicht nur die Sammelei von Daten dazu notwendig würde, war schnell klar. Man die gesammelten Daten auch sondieren, rastern und auswerten, sie in Algorithmen speisen und Prognosen errechnen. Prism hat unser aller Bewusstsein dafür, was hier alles möglich ist, stark erweitert. Daten einfach nur abheften und gleichzeitig versprechen, dass man terroristische Gewalt so schon vorher verhindern könne, war immer nur plumpe Augenwischerei. Wer Daten sammelt, der will sie auch einordnen, mit ihnen arbeiten.

Gabriel ist ehrlicher, als er es vermutlich sein wollte. Denn er gibt indirekt zu, dass die Vorratsdatenspeicherung nichts verhindert. Er siedelt sie als erfolgreich nach Utøya an, nicht schon davor. Ganz anders als viele Sicherheitspolitiker über Jahre hinweg warben. Dank der beabsichtigten Praxis, Daten auf Vorrat zu speichern, kann man vielleicht nach einem Gewaltakt Rückschlüsse erhalten. Aber auch nur vielleicht. Wenn man optimistisch ist. Oder auf Werbetour für dieses Vorhaben.

Die Vorratsdatenspeicherung ist kein apriorisches Sicherheitskonzept, sondern bestenfalls ein Ermittlungsverfahren a posteriori. Wenn überhaupt! Nur sagt das keiner. Außer der unsachliche Herr Gabriel. Ungewollt wahrscheinlich. Aber immerhin.


7 Kommentare:

Anonym 4. Dezember 2013 um 10:52  

657 emisked...die Sauerland-Gruppe.....das war ein Paradebeispiel für TOP-Terroristen....

Punkerin 4. Dezember 2013 um 12:50  

Der Zweck der Vorratsdatenspeicherung ist es, nicht mehr bei der örtlichen CIA-Filiale anrufen zu müssen wenn der Regierende wissen will was der Regierte über ihn denkt.

Das spart Vermittlungsgebühren und kommt dem Abbau der Verschuldung zugute.

Anonym 4. Dezember 2013 um 13:27  

"Die Vorratsdatenspeicherung ist kein apriorisches Sicherheitskonzept" - nicht per se, es kann aber eines sein, eben je nachdem, was die Algorithmen aus ihnen herauszulesen vermögen zur Vereitelung einer Straftat.
Das gruselige und in manchem Film schon beschworene Zukunftsszenario ist ja gerade, dass man z.B. zukünftige Mörder schon vor der Tat ausfindig macht...
Dazu gab es doch letztens erst diesen inoffiziellen Auto-Werbespot, in dem Hitler als Junge überfahren wird.

maguscarolus 4. Dezember 2013 um 13:31  

Soll er doch mal machen, der unsachliche Herr Gabriel.
"An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!"

Wo war dieser Erzengel, als die Hartz IV - Grausamkeiten Gesetz wurden und sich der mit der kugelsicheren Visage für seine Schaffung eines Niedriglohnsektors in Davos aufplustern konnte?

Hartmut B. 4. Dezember 2013 um 16:34  

Für wie blöd wird das Volk eigentlich von diesen Politikern gehalten ?

Für mich gibts da nur eine Antwort (alternativlos). Sie verarschen das Volk, unter Zuhilfenahme der Mainstreammedien nach Strich und Faden - genau, wie früher, zur Zeit der Leibeigenschaft, die Fürsten und Herrschenden das Volk für blöd verkauft hat....

Wenn ich mir hier, beim "Erzengel",
als Beispiel, die Frage stelle, können die noch irgend etwas, außer billiger Rhetorenlügen und Selbstdarstellung in Form eines krankhaften Narzissmus.....dann kann ich meine Frage nur mit nein beantworten.....

flavo 5. Dezember 2013 um 09:19  

@Hartmut.
So ist es. Nur: bei aller Kritik, es fehlt fundamental ein zündende Idee die in diesem, sagen wir mal brandnahen Zustand etwas anderes emergieren lassen könnte.
Es ist erschreckend, wie hilflos wir sind. Die können in der Tat machen, was sie wollen. Stückchenweise wird der Toleranzbogen Zeit um Zeit geweitet. Die offene Korruption und Willkür ist nicht weit weg, sie ist ganz gemütlich im unscheinbaren Gegenwärtigen. Aber nichts destotrotz, es fehlt eine jede Idee, ja Idee zu einer anderen Organisation, die länger als eine Anwesenheit in einem Kopf Bestand hätte, ohne drehbildlich in ihr Herrschaftskonformes Gegenteil umzuschlagen. Wenn heute ein Linker irgendetwas sagt, dann kann man getrost davon ausgehen, dass es im nächsten Moment zu einer Rekonfiguration der bestehenden Hierarchie angelegt ist. Mehr kommt nie heraus. Wären Gysi und Wagenknecht regierend, ja dann hätten wir dasselbe: die Medien würden den Volkstrog mit irgendwas zuspülen.
Man muß daraus schließen, dass das Volk, also die meisten wir, BLÖD nicht nur dafür gehalten werden, sondern es DE FACTO SIND. Das eine um das andere Mal rankt sich ein wie und warum auch aufgescheuchter Menschenschwarm wieder in eine Hierarchokratie ein. So oder so. Jedesmal kristallisiert sich die Masse der Blöden aus und die Wenigkeit der Herrschenden. Ich wüßte keinen Ausweg daraus. Es gibt nirgendwo Ansätze, die das in der Praxis umgehen wollten und vor allem könnten (in der Theorie ja, aber auch nur halbherzig, sämtliche sich emanzipativ nennenden Ansätze verfallen spätestens beim ersten Praxiskontakt den eingespielten Hierarchieskripts: wer LEITET das Pojekt! Und wo das nicht der Fall ist, stellen sich in der Pseudologie der fiktiven Gleichheit alsbald die Verhältnisse der konkreten Ungleichheit ein, sei es im Banalen des lauter und öfter Schreienden oder im Komplexen des smarten Netzwerkers. ).

Umdenker 5. Dezember 2013 um 16:21  

Das Argument bezüglich Verhinderung oder zumindest "einfachere" Beweisfindung nach einer ausgeführten Tat ist irrelevant, denn es geht um was ganz anderes.

Was ist eine Verfassung und besonders Grundgesetze wert, wenn eine super kleine Minderheit von Verbrechern, also z.B. angebliche Terroristen ausreichen, dass man diese Gesetze für die komplette Bevölkerung quasi aufweicht oder gar auflöst. Das ist ja nichts anderes wie das Eingestädniss einer Niederlage. Man löst die eigenen Grundprinzipien auf, weil ein paar Freaks daherkommen und mit Angst drohen.

Für mich wären nicht mal 1000 Anschläge im Jahr Grund genug dafür sowas wie die VDS einzuführenn, weil dies eben Millionen Menschen betrifft, welche dann generalüberwacht werden. Das steht in keinem Verhältnis und bei mir als Signal, wäre ich so ein "Terrorist" würde ankommen "hey cool, wir brauchen denen nur bisschen Angst machen und schon lösen die ihre eigene Verfassung auf. Mei geben die ihre Grundsätze schnell auf, mal sehen was noch geht".

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