Weitergehen!

Freitag, 6. September 2013

Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen. Das ist die Parole dieser Republik. Wer behauptet, dieses Land verharre im Stillstand, hat sich dieses Prinzip noch nicht verinnerlicht. Beispiele: Die Überwachung geschah im rechtlichen Rahmen - gehen Sie gefälligst weiter! Oder eine Justizministerin erklärt, sie habe den zu Unrecht stationierten Patienten entlassen - also was stehen Sie hier so rum und gaffen?


Ja, wir leben in einem Land, in dem die Menschen in ständiger Bewegung gehalten werden. Bewegung ist auch gesund. Gaffen nicht so sehr. Dauernd wird man weitergeschoben, fortgeschickt, wird die Masse aufgelöst und vertröstet, auseinandergetrieben und eingeschüchtert. Wie eine Schlange von Autofahrern, die auf Höhe eines Unfalls langsamer, die aber von mit Händen und Kellen fuchtelnden Polizisten zum Weiterfahren aufgefordert wird. Pressesprecher und gewisse Journalisten handeln wie solche Polizisten, die das Spalier der Gaffer weiterschicken, den Tatort abkapseln. Diese Abwiegelei, diese Beschwichtigungen, sie formen die Republik, die res publica, immerhin die Sache der Öffentlichkeit zu Deutsch, zu einer Art von mentalen Polizeistaat.

Im Fortschick-Gemeinwesen ist der Anspruch auf Transparenz ein Ärgernis. Diese geilen Blicke, diese ausziehenden Blicke, sie kratzen bei denen, die nicht begafft werden wollen, an der Menschenwürde. All die armen Geheimdienst-Politiker, die sich öffentlich als Sicherheitspolitiker titulieren. Und die bemitleidenswerten Minister, die zwischen neoliberaler Sittenwacht und Titelerschleichung lavieren. Alle werden sie angestarrt. Man braucht einfach die "innere Polizeisperre", die in warmen Worten sagt: Gehen Sie weiter! Starren Sie nicht so auf Leute! Das gehört sich nicht! Es gibt nichts für Sie zu sehen! Heute: Geschlossene Gesellschaft!

Stillstand gibt es nicht. Man kann nicht einfach vor den Machenschaften der Eliten stehenbleiben. Denn Stillstand ist Rückschritt, wie man uns lehrte. Immer gehen, immer weitergehen. Es ist immer alles in Ordnung, alles im rechtlichen Rahmen, im moralischen Butter, in juristischen trockenen Tüchern und rückhaltlos aufgeklärt. Es gibt nichts zu glotzen!

Pofalla hat erst neulich den Beender gegeben, den netten Polizisten, der sich vor die Schaulustigen stellt und sagt: Weitergehen! Hier ist nichts los! Aber Pofalla ist da nicht besonders originell. Er ist einer von vielen. Nur der letzte Wachtmeister, der uns weitergeschickt hat - bis der nächste kommt. Es gibt immer Schauplätze, die versiegelt werden müssen. Sie gehen nie aus.

3 Kommentare:

Hartmut B. 6. September 2013 um 10:24  

ja, danke, Roberto, vortrefflich geschrieben !

Genau, das ist auch mein Empfinden, nur nicht zum Nachdenken (Denken) kommen- immer schön in Bewegung bleiben - sonst könnten ja die Menschen auf "dumme" Gedanken kommen.
Die Maxime lautet: Bewegung ist alles - Denken ist überflüssig !

Als ich ein kleiner Junge war, hörte ich des öfteren den Nazi-Spruch: das Denken soll man den Pferden überlassen - die haben größere Köpfe.....
heute müßte es wohl heißen - das Denken überlassen wir den Herrschenden - da diese darin begabt sind, mit dem Kleinhirn zu "denken"......

also - weitergehen.....
ja klar, ne, was sonst - Stillstand steht nicht zur Wahl.....

Sledgehammer 6. September 2013 um 10:30  

Man möchte diesen "Bewegungseuphorikern" ein arabisches Sprichwort zurufen:
"Möge doch der der Mistsammler kommen, dich aufheben und weitergehen"

Art Vanderley 6. September 2013 um 20:00  

"Gehen Sie weiter! Starren Sie nicht so auf Leute! Das gehört sich nicht! "

Wär mal schön , wenn dieses Verhalten da scharf unterbunden würde , wo es tatsächlich nichts verloren hat . Der schnüffelnde Nachbar , der intigrante Kollege , der Konsument des Müll-TVs wird seltsamerweise nicht behelligt.

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