Kurz kommentiert

Dienstag, 9. Juli 2013

"Das wichtigste Tennisturnier der Welt in Wimbledon wurde zum Minderheitenprogramm. Man darf gespannt sein, ob Sabine Lisicki bei ARD und ZDF einen Sinneswandel bewirkt hat."
- Wolfgang Scheffler, Frankfurter Allgemeine vom 7. Juli 2013 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Schwand das öffentliche Interesse an Tennis nur, weil ARD und ZDF nicht mehr davon berichteten? Scheffler sieht an der Realität im sportiven Deutschland vorbei. Denn er stellt es so hin, als sei das Interesse für eine Sportart alleine von der Berieselung abhängig. Ist es aber nicht. Sport ist in Deutschland immer dann massentauglich, wenn es einen Deutschen gibt, der dort Erfolge einsammelt. Wäre Vettel nicht Schumacher gefolgt, wäre die Formel 1 nur noch eine Randnotiz. Der Radsport ist nach dem Abgang Ullrichs dort angelangt, wo er über Jahrzehnte war: Im öffentlichen Niemandsland. Sollte ein neuer Pedaleur mit Tour-Ambitionen aus Deutschland kommen, wird das Interesse plötzlich wieder entfacht und alle Doping-Schmähungen sind dann erst mal ausgeblendet.

Eine Begeisterung der Massen für Tennis gab es in Deutschland nie. Es gab stets nur eine Begeisterung der Massen für "deutsches Tennis". Für Becker und Graf, manchmal für Stich und Huber. Das ist ein gravierender Unterschied, den Scheffler kaum zur Kenntnis nimmt. Würde er das, hätte er den öffentlich-rechtlichen Sendern schon vorher mal ans Herz legen sollen, sich wieder stärker dem Tennis zuzuwenden. Doch dazu brauchte es jetzt mal eine Finalteilnahme einer deutschen Tennisspielerin. Vorher hat sich auch Scheffler dafür nicht interessiert. Insofern ist Schefflers Überschrift, "Tennis ist wieder quotenfähig" völlig realitätsfern - richtig ist: Deutsche Erfolge im Tennis sind quotenfähig; und sie sind nicht "wieder quotenfähig", denn das waren sie immer. Das ist auch der Grund, warum sich zur Fußball-Weltmeisterschaft so viele Ahnungslose um diesen Sport tummeln und Leute über Lisickis Rückhand sprechen, als sei das die Marke eines Racketherstellers.

Es ist aber vermutlich nicht fair, die Verantwortung für die Sportentgeisterung alleine beim Publikum zu suchen, das ja plötzlich kein Publikum mehr sein will. Denn wahrscheinlich geht sie aus einer Wechselwirkung hervor. Die Sender strahlen weniger Sportarten ohne oder mit nur marginaler deutscher Beteiligung nicht mehr aus, weil sie weniger Zuschauer vermuten und die Zuschauer entfiebern sich von der jeweiligen Sportart, weil die Berichterstattung spärlicher wird und Unwichtigkeit suggeriert.

Gleich wie, dass in den Kommentarspalten ausgerechnet jetzt Aufrufe zu mehr Tennis im Fernsehen zu lesen sind, hat nichts mit Liebe zum Sport zu tun, sondern das sind Ausformungen einer dümmlich chauvinistischen Wir-sind-wieder-wer!-Mentalität, die genau so lange herhält, wie es deutsche Erfolge darin gibt.


6 Kommentare:

maguscarolus 9. Juli 2013 um 08:22  

Sportberichterstattung und Kriegsberichterstattung bedienen mit einem ganz ähnlichen Vokabular und einer ganz ähnlichen Tonart dieselben Instinkte. Zwar werden Sportereignisse manchmal mit viel medialem Aufwand in "Feste der Völkerfreundschaft" umgestrickt, aber im Kern ist und bleibt es dieses immer gleiche "Wir gegen die Anderen".

Wenn es sich dann noch um derart öde Vorgänge wie Ping-Pong-Tennis, F1-Technikwahn oder Straßenmissbrauch für Pharma-Radeln handelt, dann ist ein wegbleibendes Masseninteresse eher selbstverständlich als erstaunlich.

Lazarus09 9. Juli 2013 um 11:11  

OOooOOH NEIN bei Steffi oder BumBum Samenraub, da ging das noch ......Wie es nur machbar, dass Tennis-Fussball Sonstwasturniere etc. F1 DTM WTCC abgehalten werden konnten, bevor marktkonformes maximalrenditeorientiertes Bezahlfernsehen über den Erwerb der Rechte die Finanzierung sicherstellte? Leider ist das heutzutage nicht festzustellen mit Gewissheit.. Harhar hau wech ..

Sledgehammer 9. Juli 2013 um 13:45  

Sportereignisse dienen selten der Freude an der Leistung anderer.
Diese Veranstaltungen unter Beteiligung regionaler oder nationaler "Heroen" sind primär Projektionsfläche für Mindedrwertigkeitsgefühle und Omnipotenzphantasien.
Zudem suggerieren die sportlichen "Aushängeschilder" der Nation, dass ein gesellschaftlicher Aufstieg in Reichweite liegt.

Lazarus09 9. Juli 2013 um 16:38  

Na kommt Leute, es gab Zeiten da wurde Sport "nur zum Spaß" betrieben.. ich bin und war immer in Vereinen allerdings nicht in Sportarten die in der Öffentlichkeit viel Beachtung finden und eher Abfällig betrachtet werden."Profies" werden da weder reich noch mega berühmt [ wer kennt z.B. noch den "Albatros" ]
Die Vermarktung und Instrumentalisierung ( z.B. für Propagandazwecke oder als Nebelbombe )des Sports sowie die Maximalrediteneurosen der Profiteure sind auch hier der Tod einer eigentlich guten Sache..

Anonym 9. Juli 2013 um 17:53  

Sport?

Das sind doch nur die Mittel,

früher

BROT UND SPIELE

genannt.

Ich schaue KEINEN Sport.

Ist Zeitverschwendung.

R. N.

Anonym 9. Juli 2013 um 19:22  

Gleich wie, dass in den Kommentarspalten ausgerechnet jetzt Aufrufe zu mehr Tennis im Fernsehen zu lesen sind, hat nichts mit Liebe zum Sport zu tun, sondern das sind Ausformungen einer dümmlich chauvinistischen Wir-sind-wieder-wer!-Mentalität, die genau so lange herhält, wie es deutsche Erfolge darin gibt.

yepp, siehe Wirtschaftswunderlandlügen und Aufschwungblabla

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