Ein, zwei, viele Worthülsen

Montag, 29. Juli 2013

Zufrieden zeigten sich die offiziellen Kanäle, dass nun auch der Bundespräsident ein kritisches Wort zur NSA-Affäre gesprochen habe. Von ARD bis Springer zierte sein "Es beunruhigt mich sehr"-Sermon die Schlagzeilen. Damit gilt Gauck nun plötzlich als Kritiker der Kontrolletti-Praxis.

Dabei hat der Mann wie immer nur zungenfertiges Wischiwaschi geredet, kam nicht auf den Punkt, sprach zwischen den Zeilen mehr als in ihnen.

Er schafft ein, zwei, viele
Worthülsen.
So erklärte er der Passauer Neuen Presse etwas von der Angst der Leute, "von ausländischen Nachrichtendiensten erfasst und gespeichert" worden zu sein. Gauck macht hier schon mal Abstriche, modelliert die Debatte um, macht aus dem "Skandal der Überwachung" einen "Skandal der Überwachung durch ausländische Instanzen" und drechselt aus einer klassistischen Komponente (Eliten überwachen Volk) eine nationalistische. Plötzlich gibt es da bei ihm diese Einschränkung. Die USA sollten es nicht sein, die die deutschen Bürger aushorchen. Und die Bundesrepublik? Darf sie ihre Bürger überwachen? Wenn das Abhören durch ausländische Geheimdienste "die Freiheit an sich beschädigt", stellt dann die Kontrolle durch deutsche Dienste Freiheit her?

Gauck ist rhetorisch viel zu intelligent, um sich hier eindeutig zu äußern. Seine sprachliche Intelligenz wird besonders an der Stelle augenfällig, an der er anbringt, dass er selbst schon zweifelte, ob er noch telefonieren und mailen solle. Hier setzt er sich ins Boot mit denen, die die NSA-Geschichte für einen Skandal und einen Angriff auf ihre Privatsphäre halten. Und trotzdem: Man dürfe freilich nicht verzagen, weiterhin das Beste hoffen, denn Freiheit hat ihren Preis.

Durch ein Hintertürchen äußert sich Gauck aber dann doch zur Rechtmäßigkeit von Überwachung. Um Sicherheit sicherzustellen, könne der Staat nämlich auch mal Freiheit einschränken. Als Beispiel nennt er eventuelle Terroranschläge. Und damit es nicht so böse klingt, schiebt er den Begriff Verhältnismäßigkeit nach. Dieses Gequake ist nicht sehr originell oder neu, Gauck plappert einfach nach, was er schon mal irgendwo aufgeschnappt hat. Wann aber etwas verhältnismäßig ist und wann nicht, definiert er nicht mal ansatzweise, denn sein Beispiel "Terroranschläge" ist ja nicht konkret, sondern ein drohender Dauerzustand.

Ist das die bundespräsidiale Kritik, von der als deutliches Signal in den Medien gesprochen wurde? Die schrieben alle geschlossen von seiner Beunruhigung. Aber so beunruhigt scheint der Mann gar nicht zu sein. Er kann sich seinen ruhigen Schlaf in einem Staat, der auch mal überwachen muss, durchaus vorstellen.

Er fordert außerdem "verbindliche Vereinbarungen" zwischen westlichen Staaten, damit Bürgerrechte gewahrt bleiben. Das ist eine weitere Unverbindlichkeit und Worthülse ohne Inhalt. Wenn man sich verbindlich einigt, dass man über Internetdienste bestimmte Daten gegenseitig verfügbar macht, dann geschieht das fortan "transparenter", legal und damit fast schon unter Schutz von Bürgerrechten, die einer solchen Vereinbarung unterstellt würden. Wenn sich die westlichen Staaten darüber einig werden, dass es Privatsphäre nur als ein bedingtes Bürgerrecht gibt, weil das kollektive Sicherheitsdenken wichtiger sei, dann gibt es eben auch keine offiziellen Beanstandungen mehr, dieses Bürgerrecht bitte zu wahren.

Am Ende lobt er auch noch Snowden. Vor einigen Wochen hatte er noch kein Verständnis für den Verrat und diesen Whistleblower. Gauck weiß, wie er sich die Gunst seiner Deutschen sichert, spricht ihnen nach den Mund, wenn das seiner Beliebtheit dient. Das heißt, er redet ihnen nicht nach den Mund, sondern schaut ihnen aufs Maul und baut sich dann Texte zusammen, die so aussehen, als wäre er ein kritischer Geist. Gauck bastelt sich aber Zeilen lediglich, um zwischen ihnen Aussagen machen zu können. Er hätte auch mal grundsätzlich die Überwachungspraxis angreifen können. Aber grundsätzlich ist Gauck nie grundsätzlich gegen irgendwas, so wie er grundsätzlich auch nie für etwas ist. Das ist seine ganz persönliche Freiheit in Verantwortung.

Wieder mal hat der Mann viel geredet und nichts gesagt. Wie gelingt es ihm immer wieder, als kritischer Zeitgenosse durchzugehen, obgleich er kein kritisches Wort sagt? Obwohl er sich vor klaren Aussagen drückt, durch die Gazetten laviert und ein, zwei, viele ungezählte Worthülsen wirft?

Es scheint das Schicksal dieses Mannes zu sein, dass man seine geübte Schwammigkeit ständig als Ausdruck eines kritischen Charakterkopfes voll revolutionärer Courage wertet. Er äußert sich regelmäßig zu spät, redet dann zu allem Überfluss auch noch um den heißen Brei herum, sieht dabei aber recht gut aus, klingt vornehm und wird letztlich als bürgerlicher Held hingestellt. Auf dieser Grundlage wurde er einst zum Bürgerrechtler, später zum Bundespräsidenten und nach und nach wird er so auch noch zum "kritischen Sachverstand" emporgeschrieben.


10 Kommentare:

Sledgehammer 29. Juli 2013 um 08:41  

Der Gauck(ler) ist die personifizierte Charakterlosigkeit.

Schorschel 29. Juli 2013 um 09:08  

Mit deinen Aussagen zu Gauck erinnterst du mich an ein zweites "Ostgewächs": Die Angela Merkel. Zwar rhetorisch nicht so versiert wie dieser, aber mit ähnlicher Gummihaftigkeit ihrer Meinung behaftet. Da haben sich ja zwei in der Politik gesucht und gefunden...

Anonym 29. Juli 2013 um 09:56  

ANMERKER MEINT:

Genau so ist es, Roberto. Bei diesem Präsidenten hilft allein das "Immer wieder Entlarven" seiner Schaumschlägereien. Nach dem alten Grundsatz: Steter Tropfen höhlt den Stein!
Danke dafür!

MEINT ANMERKER

Anonym 29. Juli 2013 um 10:31  

Gauck und Merkel, in einem Überwachungsstaat aufgewachsen, eventuell als IM tätig gewesen, kennen es eben nicht anders.

Anonym 29. Juli 2013 um 13:51  

@anonym 29.07.13 10:31
100 % Zustimmung, und die beiden sind mit Sicherheit mehr als glücklich über die Tatsache, daß zum Einen der große Bruder die Drecksarbeit übernimmt und zum Anderen die Technik den IM ablöst.
So kann es hinterher garantiert nicht zu unerquicklichen Enthüllungen kommen.

Anonym 29. Juli 2013 um 15:33  

Vor etlichen Jahren hab ich mich ein wenig mit Mimik und Gestik befaßt.

Da gehört der Gauck zu den Spitzenkönnern an Heuchelei, an verbalen Täuschungsmanövern und an Narzißmus.

Eigentlich fällt mir momentan hierzu der Spruch ein, der schon vor 2000 Jahren in Rom existierte: "Die Welt will betrogen sein."

Anonym 29. Juli 2013 um 20:46  

Ich hatte zu seinen Aussagen nur die Headline gelesen und fand das, was da stand sehr richtig. Vermutlich ist es das, was Gauck zu einem kritischen Zeitgeist macht, weil viel zu viele genausso verfahren, wie ich es fahrlässiger Weise in diesem Fall getan habe. Das liegt aber auch daran, dass ich mich schon vor Jahren, vor seiner ersten Beinahenominierung, intensiv mit seinem Worthülsengesabbel auseinandersetzte, bis ich dann irgendwann zu mir sagte, dass diesem Mann es nicht wert ist, zuzuhören. Er lullt sein Puplikum dermaßen ein, dass man schon nach kurzer Zeit nicht mehr in der Lage ist, zuzuhören. Irgendwann denkt man nur noch: "Jaja, werd endlich fertig!".

Naja, und dann gibt es eben bestimmte Kreise von Journalisten - Freunde von Gauck, Freunde der gebündelten Harmlosigkeit und völligen Kritiklosigkeit an den Zuständen der Gesellschaft - die solche Headlines setzen. Und da kein intelligenter Mensch in der Lage zu ertragen ist, was er denn nun wieder stundenlang von sich gegeben hat, werden diese Headlines sehr dankbar aufgegriffen und nachgeplappert.

Anonym 30. Juli 2013 um 11:34  

Gauck ist Pfarrer. Pfarrer werfen ständig mit scheinbar tiefsinnigen, in Wahrheit aber leeren, Worthülsen um sich. Das gehört zum Beruf. Pfarrer werden von Menschen gebraucht, die sich mit der Realität nicht abfinden können. Das gilt auch für viele Wähler.


Gruß omnibus56

Anonym 30. Juli 2013 um 12:34  

Meiner Meinung nach ist Gauck(ler) der größte Blender den wir bisher als Bundespräsi hatten. Aber wenigstens passend zu unserem Grundgesetz, daß ja auch nichts anderes als ein Blendwerk großer Worte ist.

Aldo 30. Juli 2013 um 15:45  

ocipWie ist es denn gekommen, dass ein solches Flaschenduo, nämlich Merkel/ Gauck an der Spitze der politischen BRD steht?
Meine These ist, dass bei der politische Klasse seit den globalen Studentenunruhen sämtliche Alarmglocken geschrillt haben. Dann kamen von den repressiven Think Tanks die alt bewährten Rezepte, die sämtlich auf das Kalkül der Angst setzten: zuerst die blutige Installation einer Militärdiktatur in Chile im September 1973 mit Implantation der von den bluttriefenden Chicago Boys ausgeheckten neoliberalen Rezepte, weitere Militärputsche folgten u. a in Argentinien mit mehr als 30 00o Verschwunden und Tausende von Toten. Dann tauchten diabolische Gestalten auf wie Thatcher , die einen Krieg gegen Argentinien begann, nur um ihr neoliberale Politik in Großbritannien durchzusetzen, die andere Teufelsgestalt, nämlich Reagan hätte im September 1983 mit seinen Kriegsspielen fast einen 3. und vermutlich letzten Weltkrieg auf unserem Planeten ausgelöst.
Seither setzen eben die Herrschenden auf Angst und Terror, um die Konformität der Masse zu erzwingen und leider mit viel Erfolg, da die Masse aufgrund der repressiven Agenda -Gesetze hier so eingeschüchtert ist, dass massenhafte Proteste von ihr nicht zu erwarten sind.
Außerdem belegen Studien über die Masse, dass dieser knetbare Teig, so die Herkunft des Wortes aus dem Altgriechischen, sich nur dann in Bewegung setzt, wenn am Horizont konkrete Bedingungen der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen sich abzeichnen. Davon kann heute nach mehreren Jahrzehnten neoliberaler Politik keine Rede davon sein

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