Diese Liste bedeutet Widerstand

Mittwoch, 17. April 2013

OffshoreLeaks der Grundstein eines Yad Vashems von der Steuer verfolgter Minderheiten?

Mindestens zwei Dekaden lang las man von Leistungsträgern, die die Früchte ihrer Leistung nicht genießen dürften, weil die großen Räuberbanden (so nannte der Kirchenvater Augustinus mal den Staat) sie schächteten. Steuern runter! war das parteipolitische Bittgebet jener Denke. Peter Sloterdijk nannte die Steuererhebung sogar herablassend eine „Revolution der gebenden Hand“ und sprach von kleptokratischen Strukturen, denen sich der Reichtum zugunsten der Armut unterordnen müsse. Dass Leistungsträger selbstlos der Enteignung ihrer Einkünfte zustimmten, sei indes „ein politisches Dressurergebnis, das jeden Finanzminister des Absolutismus vor Neid hätte erblassen lassen“. Moderne Finanzminister seien daher wie Robin Hood, beschloss Sloterdijk mit sophistischer Chuzpe.

Dieser philosophische Anstrich eines Lebensgefühls, das verinnerlicht hatte, dass Reichtum immer eigene Leistung und dass damit Umverteilung ein ungerechter Akt sei, der Armut und somit letztlich Faulheit stütze, war die intellektuelle Krone einer Ego-Kultur, wie sie in den Achtzigerjahren schon im Yuppie angelegt war. Später hockten diese erfolgsorientierten und ignoranten Personen in politischen Talkshows und flehten darum, zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und natürlich aus Gründen der Fairness, die Steuerlast runterzuschrauben. Steuerlast war dabei ein Lieblingswort, denn es korrumpierte die Klarsicht, überlagerte Debatten um maßlose Einkünfte mit Gefühlsduselei für Menschen, deren Leistung mit drückenden Lasten belegt würden. Sie seien schließlich die Lastesel der Nation.

Der allgemeine Widerstand dieser von Steuern verfolgten Minderheit war ein Programm, das man auch dem kleinen Steuerzahler irgendwie schmackhaft machen wollte. Das gelang auch eindrucksvoll, die Mehr Netto vom Brutto!-Parolen der Steuer runter!-Partei unter dem Vorsitz Westerwelles wurden bei der letzten Bundestagswahl hochprozentig belohnt. Die Agenda reicher Pfeffersäcke war plötzlich in der Mitte und im Unten dieser Schnäppchen-Gesellschaft angekommen.

Für die Leute, die nun namentlich bei OffshoreLeaks genannt werden, mögen einige schwere Monate ins Haus stehen. Man wird sich öffentlich moralisch erklären müssen. Das ist lästig. Untereinander werden sie diese Liste aber nicht als Verdammung betrachten, sondern als Datensatz des Widerstandes. Da stehen Leute drauf, die sich des unkontrollierten Zugriffs ihrer zu Geld gewordenen Eigenleistungen erwehrt haben, die anpackten und nicht nur jammerten, richtige Macher eben. Diese Resistance gegen diebische Staatsstrukturen versteht sich nicht als Verbrecherbande, sondern als Gruppe wehrhafter Demokraten, die nicht mal ein Kavaliersdelikt begangen, sondern nur die notwendigen Schritte unternommen hat, um sich aus ausbeuterischen Verhältnissen zu entwinden.

OffshoreLeaks wird gleichsam zur Gedenkstätte für Helden wie für Märtyrer. Jenes dumpfe Wahlvolk, das vorher zustimmte, die Steuerlast sei eigentlich ungerecht verteilt und es sei schon richtig, dass Leistungsträger aus der Wirtschaft bei zu hoher Besteuerung die Lust an der Leistung verlören, liest nun in der Süddeutschen von Steuerbetrügern und wird böse darüber. Aber gibt es denn überhaupt einen Betrug an der Steuer? Vorher nannten es diese Eliten Widerstandsgebot und ernteten Applaus. Und nun soll alles falsch gewesen sein? Dabei war man auf dem besten Wege, die Steuerhinterziehung als Straftatbestand zu entmoralisieren. Und nun dieser investigative Drang, die Entwicklung zu verkehren. Was damals richtig war, kann doch heute nicht falsch sein!

Vielleicht gründen die Personen des Datensatzes ja bald einen Verband, in dem sich alle Verfolgten der "Staats-Kleptokratie" vereinen. Dort wird man OffshoreLeaks als Yad Vashem von der Steuer verfolgter Minderheiten verstehen. Respekt für die Helden aufbringen, die ungeschoren davonkamen und Trauer für die Märtyrer, die einst von der neoliberalen Welle getragen Beifall bekamen und dann am Ende doch nicht mehr waren als Steuerbetrüger und Ganoven, deren Lebensleistung man nicht anerkennen wollte, sondern abschöpfte wie Rahm von der Milch.

5 Kommentare:

Anonym 17. April 2013 um 08:00  

Vielleicht wird die eine oder andere Steueroase jetzt einen effizienten Geheimdienst aufbauen, der Verräter und Feinde auch im Ausland verfolgen kann. Der Ankauf der Steuer-CDs zeigt doch, dass man sich auf den Rechtsstaat nicht mehr verlassen kann.

Volker Birk 17. April 2013 um 11:56  

Du liegst nur in einem Punkte falsch: Du nennst sie "Demokraten".

Von Demokratie halten diese Leute jedoch rein gar nichts. Sie sind Feudalisten.

alien observer 17. April 2013 um 15:24  

Wenn schon Steuern gezahlt werden dann doch bitte um "Banken zu retten", sprich diese dazu zu benutzen Renditen zu Erwirtschaften.

Die Investmentbanken und ihre Kunden haben sich das doch verdient!
ausserdem leistet Goldman Sachs laut seinem CEO Lloyd Blankfein schliesslich das Werk Gottes.

Es doch in höchstem Maße inneffizient, das Geld erst von den Banken und ihren Kunden zu nehmen um es ihnen danach wieder zu Überweisen.

Nein, dass müssen schon diejenigen bezahlen die es zu nichts gebracht haben, die Minderperformer, die nutzlos Ihre Zeit mit der Krankenpflege, Kinderbetreuung, Sozialarbeit oder der Produktion von Nahrung, Kleidung und anderen Lebensnotwendigen Gütern verschwenden. die Minderperformer und Leistungsverweigerer eben.

Ironir Off: Ich fürchte, das wird so lange weitergehen, bis sich der Volkszorn Global (wie z.B. 2011 in London) gewaltsam Bahn bricht.

Die Hoffnung, das dem Raubzug am Volk durch demokratischen Mittel ein Ende gesetzt wird ist bei mir auf dem Tiefpunkt angelangt.

flavo 18. April 2013 um 10:06  

Treffend wie immer! In der Tat eine kaum nachvollziehbare Aspiration, sich als in einer Resistance gegen die Steuertentakel befindend zu sehen und diese als wuchernder Monsterauswuchs einer Jauchengrube, in der eckliger Pöbel sich wälzt. Derartige Perspektive vereinen Steuerbefreiungskämpfer oft, vor allem wenn sie zu den zu neuem Elan erwachten Adelsgeschlechtern, Industriefamilien, Gutsherrenfamilien oder städtischem Hochbürgertum gehören. Letzterem zollte man vor nicht allzu langer Zeit ja noch einen Funken Verstand zu und das Vermögen zur Reflexion. Nun, der Standesdünkel, alte sensuelle Anlagen, verklärten das Bild der Welt neu. Fast barrierefrei fand dieses Weltbild eine reibungslose Eingängigkeit in den Köpfen vor und dessen Aspirationen und Neigungen erfassten die Seelen wie mit Samthandschuhen kitzelnd von innen her und trieben sie zu neuen Anrichtungen. Der als Philosoph beim Staat angestellte SLoterdjik, man mag eigentlich zugeben, dass man seine Gedankengänge nicht nachvollziehen kann und auch nicht verstehen kann, was eine solche Konzentration seines Denkens ausgerechnet auf dieses Thema verursacht haben mag. Bildung scheint vor gar nichts zu schützen und gerade zu in das Gegenteil umschlagen zu können.
Im Grunde ist es überhaupt kaum nachvollziehbar, was hier geschieht, bevor solche Haltungen verlautbart werden. Die sind halt so, kann man sagen. Gut. Sie waren immer schon so. Auch gut. Aber was ist mit dem 'so'? In der Tat ist dieses So fast gar nicht erschlossen. Dies zeigt schon allein der Umstand, dass es in Europa gerade mal zwei Dozenten gibt, die sich damit befassen. Einer ist inzwischen auch noch emeritiert. Die vierte Macht hat, wie unlängst der Befund erbracht wurde, auch ein Problem mit Reichtum. Dieser ist mächtiger und zähmt die vierte Macht anscheinend ohne gröbere Interferenzen. Dies liegt auch nahe: der Journalist weiß ja gar nichts von diesen Leuten. Woher auch? Allgemein ist wenig bekannt. Gerade so ist es, wie wenn man durch Luxusvillenviertel spaziert und die Zäune und Mauern immer gerade so hoch sind, dass man nicht hinein sieht. Sich da heranzumachen ist riskant, abgesehen davon, dass diese Leute dies nicht goutieren würden, wenn ein Mitglied gewissermaßen des Hofes sie beschnüffelte.
Der Beobachter der Ausserirdischen meint, dies wird weitergehen, bis der Volkszorn sich erhebt wie in London 2011. Mir wäre nichts bekannt davon, dass der Volkszorn in London 2011 etwas am weitergehen gehindert hätte.
Die Gewalt, wer weiß ob sie die Lösung ist. Vermutlich richtet sie allen voran einmal ein riesen Chaos an, in dem jene, die riesige Ressourcen haben im Vorteil sind, da sie wieder Ordnungsstrukturen bilden können und diese ihrem Vorteil gemäß sein würden. In der Not finden sich immer genug Leute, die sich dem Aufbau der Unterordnung hingeben. Man sieht dies ja auch heute, was in der Not alles gemacht wird und wie lange es dauern kann, bis aus der Not eine Eskalation hervor geht und auch, dass dann fragwürdig ist, ob die alte Ordnung sich nicht wieder, obzwar etwas durchmischt, auf richtet. Denn, die gewohnten Schema verschaffen sich ganz von alleine Vorrang.

flavo 18. April 2013 um 10:06  

Vermutlich wäre es da besser, wenn eine parlamentarische Kraft sich ausbildete, die Mechanismen implementiert, die das soziale System langsam so rekonfigurieren, dass Reichtum nicht mehr so konzentriert sich sammeln kann. Jene, die in diesen Sammlungszonen heute leben, brauchen es daher auch nicht persönlich zu nehmen. Niemand sucht sich aus, wo er hingeboren wird. Aber man kann daran arbeiten, dass diese Sammlungszonen weniger werden und es dann auch mehr Orte gibt, in denen man gut leben kann, nachdem man dort geboren wurde. Gewissermaßen ein Hammer, der auf den Spitz der Reichtumspyramide drauf haut, sodass dieser sich senkt und die Seiten sich dementsprechend anheben und das Reichtumsvolumen eine neue Gestalt annehmen würde, vielleicht eine liegende Raute oder ein liegendes Oval. Dies bleibt zu hoffen. Damit die Steuerresistance es nicht schafft, die Gestalt überhaupt zu brechen und zwei Gestalten entstehen zu lassen: ein Kügelchen ganz weit oben und unten, knapp über der Nullachse eine immens lange, dichte schmale Ansammlung.

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