Deutscher, bewirb dich nicht beim Türken!

Donnerstag, 7. März 2013

Die alltägliche Nichtanerkennung von undeutscher Autorität.

Ein Bootsmann asiatischen Typs wird von Untergebenen gequält. Ein türkischer General war grob zu deutschen Feldjägern. Dabei wird betont: türkischer General, deutsche Feldjäger. Es geht nicht um Vorgesetztengewalt gegen Untergebene, sondern um einen Türken, der sich Deutschen vorsetzt.

Die Frage des hessischen Justizministers bleibt aktuell. Der wollte vor einiger Zeit wissen, „ob unsere Gesellschaft schon so weit“ sei, „einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren“.

Ein berechtigter Gedankengang, scheint man doch schon bei weitaus niedrigeren Rängen und Ämtern Akzeptanzprobleme an den Tag zu legen. So wie jene Obermaaten und folglich Oberidioten, die ihren Bootsmann asiatischer Abstammung fesselten und mit der Aufschrift „Mongo“ verzierten. So krass muss es ja nicht gleich automatisch sein. Beispiel: Als Klinsmann neuer Trainer der Bayern wurde und die Kapitänsfrage nicht gleich beantwortete, munkelte man schon, er mache vielleicht einen Ausländer zum Chef. Dem großen Reformer Klinsmann wäre es zuzutrauen, las man im erstaunten Sportfeuilleton. Hohoho! Der traut sich was!

Kolportage zur Nichtanerkennung von undeutscher Autorität: Da hatte das Unternehmen, in dem ich ein wenig beschäftigt bin, neulich einen Praktikanten an der Hand. Nach vier Stunden hing er „seinen Job“ an den Nagel, weil er – erstens – keine Putzfrau sei und – zweitens – sich von einem Inder nicht kommandieren lasse. Und schon ward er entschwunden. Der Praktikant wohlgemerkt, nicht der indischstämmige Bartender

Was hat man diesem hessischen Minister doch alles unterstellt. Ein verkappter Rassist sei er, verwegen außerdem – et cetera, et cetera. Keine Ahnung, ob das berechtigt war oder nicht. Vielleicht hat er jedoch unwissentlich etwas angesprochen, was grundsätzlich richtig ist. Soll ja auch bei den Freien Radikalen mal vorkommen. Selten.

Von Integration sprechen wir immer als Einbahnstraße. Aber offensichtlich haben in diesem Land Menschen ein Problem mit nichtdeutscher Autorität. Gibt es denn viele Deutsche, die im türkischen Supermarkt angestellt sind? Warum bedient keine deutsche Studentin abends beim Griechen? Als ich noch Arbeitslosengeld bezog, suchte mir meine Jobvermittlerin ein Stellenangebot heraus. Sie starrte auf ihren Bildschirm, sprach mit sich selbst, wie das überforderte Menschen manchmal tun, und ich ertappte sie, wie sie bei sich flüsterte: Das hier nicht, das ist ein türkischer Laden. Deutscher, bewirb dich nicht beim Türken!

Wann ist die Integration gelungen? Wenn hier lebende Menschen aus dem arabischen Raum Ostereier färben? Oder erst wenn türkische Eltern ihren Sohn Gottfried nennen? Eventuell reicht es ja, wenn sie einfach den Fastenmonat ausfallen lassen oder gelegentlich Schweinefleisch verkonsumieren. Oder vielleicht beginnt gelungene Integration gerade auch damit, dass man seine Aversion bändigt, wenn da ein asiatisch aussehender oder türkisch heißender Mensch irgendeinen Posten schmückt, bei dem „man was zu sagen hat“, der also per definitionem eine Autoritätsperson sein sollte.

Jetzt wird mancher sagen: Soll man dem Posten des Vizekanzlers tatsächlich Autorität bemessen? Stimmt auch wieder! Und andere werden einwenden: Bei uns in der Montage hat sich Hüseyin hochgearbeitet, ist jetzt quasi Vorarbeiter. Wer bin ich, das zu bezweifeln? Ich frage allerdings auf Basis eigener Erlebnisse entgegen: Wie groß ist das Genörgel darüber? Der Banater Schwabe, der in meinem Ausbildungsbetrieb Polier war, wurde hinterrücks als Scheiß-Romanski bezeichnet. Der andere Polier, ein grobschlächtiger Bayer, wurde einfach nur als Arsch tituliert. Bei dem einen war immer die Herkunft das Fanal der heimlichen Empörung – dem anderen attestierte man lediglich einen schlechten Charakter.

Ja, es wäre also tatsächlich spannend, ob diese deutsche Gesellschaft einen Vizekanzler mit asiatischen Aussehen länger ertragen würde, wo es doch schon Unmut gibt, wenn Hüseyin Weisungsberechtigung gegenüber Gerhard oder Rainer erhält. Gleichwohl plädiere ich: Keine Experimente! Ich wäre froh, wenn wir von ihm erlöst würden. Egal wie er aussieht. Ich habe mir diesen Ersatzkanzler nämlich nie richtig angesehen, mir hat es schon immer gereicht, ihn zu hören.



10 Kommentare:

Anonym 7. März 2013 um 14:18  

Danke für diesen geilen Text.

Anonym 7. März 2013 um 15:44  

Ich lese morgens immer erstmal Ad Sinistram. Das dämpft die Erwartungen in den Tag, und macht mich dabei unwiderstehlich zynisch.

Anonym 8. März 2013 um 21:42  

Wo war der Text? Danke das er wieder da ist. Wär schade ums kleine Kunstwerk gewesen.

Anonym 8. März 2013 um 22:47  

War der Text zu "böse" für das neue Deutschland oder warum war der gestern auf einmal dort verschwunden? Freut mich, dass ich ihn hier jetzt doch noch in Gänze lesen konnte.

ad sinistram 9. März 2013 um 11:41  

Es gab Differenzen, über die ich mich aber nicht weiter äußere.

Anonym 9. März 2013 um 13:47  

Es ist gut, daß man den Artikel jetzt wieder lesen kann. Er bringt verschiedene rassistische Nachrichten aus den letzten Tagen zusammen. Bin froh, daß er wieder da ist.

Anonym 10. März 2013 um 16:07  

Ich leite einen türkischen Supermarkt. Suche seit langem Personal, gerne auch Deutsche. Das Job Center schicht mir keine. In dem Stellenprofil beim Job Center steht ich würd jemand mit Türkisch-Kennntisse suchen. Ich habe denen gesagt, das das nicht nötig ist. Sie löschen es aber nicht. Ich hatte mal einen Bewerber der hat nicht anfangen wollen weil das ein ausländischer Laden ist.

Anonym 10. März 2013 um 16:08  

welche differenzen bitte?

ad sinistram 10. März 2013 um 16:14  

Es ging um Textlänge und den literarischen Stil. Inhaltlich lag man auf meiner Wellenlänge. Das betonte man ausdrücklich. Man sehe die rassistischen Affekte ganz ähnlich und hielt die jeweiligen Fälle für berichtenswert. Er soll auch nochmals in etwas "journalistischerer" Form erscheinen.

ad sinistram 11. März 2013 um 07:02  

Nun wieder online:
http://www.neues-deutschland.de/artikel/815359.deutscher-bewirb-dich-nicht-beim-tuerken.html

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