Facie prima

Mittwoch, 20. Februar 2013

Heute: Der eigentlich ex cathedra unzurücktretbare Zurückgetretene, Joseph Ratzinger alias (noch) Benedikt XVI.

Kürzlich war er noch ein tatkräftiger Greis. Jedenfalls auf all den Bildern, die Artikel zierten, die päpstliche Themen zum Inhalt hatten. Ein fröhlich wirkender, bei Sinnen seiender Pontifex, den mancher Senior für seine Agilität beneidet haben mochte. Prompt mit der Bekanntgabe des baldigen Rücktritts und den einhergehenden Meldungen von den Altersgebrechen und den Krankheiten dieses Mannes, wechselten auch die Fotos, die man von ihm reichte. Aus dem noch kürzlich vitalen und geschäftigen Hirten, von dessen geistiger Emsigkeit man ohne weiteres überzeugt sein konnte, wurde nun ein schwacher, müder aussehender Mann, der gramgebeugt mit leerem Blick durch die Gemächer des Vatikans schlurft. Einst aufrecht, jetzt zusammengesackt. Vorher durch Sonne belichtet, jetzt im Dunkel vatikanischen Schattens. Ehedem zentrale Position des Bildes einnehmend, nun abseits, an den Bildrand arrangiert, aus dem Zentrum gedrängt.


Der Papstkult, die Wir-sind-Papst-Gemeinde, die selbst in der evangelischen Kirche Anhänger fand, machte einen Pontifex voll Elan, kraftstrotzend im Alter, geradezu zur Voraussetzung. So einen betagten Kraftprotz erwartete man. Nun aber tritt der Papst und die Papamanie dem Ende entgegen und mit ihm versiegen auch die Bilder dieses energiegeladenen Papstes. Keine ausgebreiteten Hände mehr, das Standardmotiv dieses Papstes der Rührigkeit. Ausgebreitete Hände, die mit wenig Phantasie auch mehr als Segen bedeuten konnten. Hände, die sagten, Hier bin ich!, die augenscheinlich fraternisierten und von Fitness zeugen, Mir geht es gut! suggerieren sollten. Jetzt hebt der Ratzinger-Papst seine Hand übernächtigt, schläfrig ist er abgelichtet. Die Hand zu heben kostet ihm Mühe, kann man da sehen. Mit Eintritt seiner Krankheit in die Öffentlichkeit ist aus der Segenshand eine kraftlos gehobene Greisenhand geworden. Der optimistische Blick ist der Miene einer ins Demente weisenden Traurigkeit gewichen. Aus dem vitalen Nestor ist urplötzlich ein Tattergreis geworden.

Das Amt drückt. Er, im voller Montur, mit Bischofsstab und Mitra ornata, ist offenkundig zu schwach für sein Position. Das war er vermutlich schon vor dem Tag, an dem er seinen Rückzug bekanntgab - gleichwohl bot man trotzdem einen Papst an, der voller Tatendrang schien, einen lustigen Alten gab. Just mit seinem verkündeten Rücktritt legen die gereichten Fotographien Zeugnis davon ab, dass er völlig überfordert zu sein scheint. Wie sonst könnte man das Amt als erdrückend karikieren, wenn nicht im vollem Ornat, mit schwerem Stock, mit drückender Stola? Es heißt nach schwerem Schicksalschlag sprichwörtlich, man altere über Nacht. Fotojournalistisch betrachtet ist dieser Mann, der Benedikt XVI. war, wirklich über Nacht alt geworden.



10 Kommentare:

mokoko 20. Februar 2013 um 09:11  

Sehr interessantes und wichtiges Thema. An der These ist garantiert auch was dran. Leider finde ich die Beweisführung etwas dünn. Wo sind die Bilder vom kränkelnden Papst? 1 mal sehe ich ihn am Bildrand. Wann wurde das veröffentlicht? Ist es vor oder nach dem Rücktritt? Belege? 5 von 6 Bildern zeigen einen vitalen Papst. Was belegt das? Woher stammen diese Bilder? Warum die entsprechenden Aufmacher nicht direkt verlinken und einen vorher/nachher Vergleich ermöglichen?
Schade, denn das Thema finde ich sehr wichtig (alltäglich gewordene Medienmanipulation & Propaganda per Bildsprache die dem Michel natürlich nicht auffällt) und ich vermute, dass der Papst-Rücktritt ein hervorragendes Beispiel darstellt.

Anonym 20. Februar 2013 um 09:59  

@Roberto J. de Lapuente

Der Ex-Theologe Küng warnt jedoch bereits vor einem "Schattenpapst", und dass man Benedikt XVI nicht unterschätzen dürfe:

"[...]Der Kirchenkritiker Hans Küng ist hart mit dem angekündigte Rücktritt Benedikt XIV. ins Gericht gegangen. Den Vatikan erwarte jetzt ein „Nepotismus neuer Art“, mit einem „Schattenpapst“, der indirekt weiter Einfluss nimmt[...]"

Quelle und kompletter Text:

http://www.focus.de/politik/ausland/machtkampf-im-vatikan-wie-benedikt-xvi-wohl-zum-schattenpapst-wird_aid_921270.html

...so zynisch sich das Anlesen mag, aber ein toter Papst zieht eben keine Fäden mehr im Hintergrund - Benedikt XVI, alias Großinquisitor Kardinal Ratzinger, könnte das, als dogmatischer Theologe und Ex-Papst, schon tun, da befürchte ich, dass Küng recht behält.....

Gruß
Bernie

flavo 20. Februar 2013 um 12:31  

Papst als Job. Die Prägung unserer Zeit nimmt unablässig auch die Kirche, Gestalt und Institution vergangener Jahrhunderte, in ihren Pressdruck. Der Heiligenschein um den Papst ist um einen Schritt dahin geschwunden. An der Glaubensqualität, welche die katholische Kirche zu vollziehen vorgibt, an der starren konischen Anorndung vom Kirchenvolk hinauf über Bischof und Kardinal bis zum Papst unter dem großen Sohne Gottes und Gott selbst, sind gerade vormals nicht sichtbare Lamellen und spröde gewordenes Geäder abgefallen. Der irdische Oberkern wurde dezentriert und degradiert. Die wuchtigen neoliberalen Magnetspulen haben den Papststuhl zu sich hingezogen und in ihr Spannungsfeld gestellt, worin er als eine Art Aufsichtsratssessel nun zu stehen kommt. Die Schichten des Heiligen, des Glaubens, der Unfehlbarkeit des Papstes und der Gottesnähe bleiben den Anhängern und ihren Irrgängern zur freien Verwaltung.
In gewisser Weise rächt sich der Eifer der Kirchgänger, die seit eh und je schon immer einen Hang zum Profit und aller kapitalistischen Hierarchie hatten. Nun hat sie das Doppelspiel einmal mehr eingeholt: Moral predigen und nach dem Geld handeln verkehrte sich zur subversiven Handlung des Geldes. Unter der Übermacht neoliberaler Indoktrination wurde nun des Kirchgängers moralpredigender Clubvorsteher umdefiniert. Gar der Pitbull Gottes, wie er genannt wurde, bezeugt nun seine Anerkennung der irdisch-kapitalistischen Biografie- und Organisationsordnung. Wie ein jeder Aufsichtsratsvorsitzender geht er nun in Pension. Und bekommt eine Rente. Irdischer wurde sie die Kirche. An Stück Reich der Phantasie ist weg gebrochen. Wie heute niemand mehr authentisch den griechischen Göttern sich ergeben fühlen kann, weil des Existenzschema schlicht weg nicht mehr vollzogen werden kann, so ist der Papst nun um einen Aspekt remoduliert geworden. Der nächste Papst wird auch in Pension gehen, wenn er nicht mehr fit genug ist. Was für ein kleinmütiger Tribut an den Zeitgeist. Ein langsamer Papst macht das Kirchenvolk schon ungeduldig. Teils federführend in der Anspannung des Existenzbogens zur neoliberalen Form, steht ein müder Papst dieser Eifrigkeit nun selbst im Wege. Gar beschämend wäre er wohl im globalen Konkurrenzgeschäft. Moslems, Juden, Buddhisten, allesamt haben sie keine solchen trägen Klotz am Bein. Und der Papst erkannte es angeblich gar noch selbst. Er weicht der Eile. 2000 Jahre Christentum beugt sich nach 20 Jahren einer verständnisvoll der neoliberalistischen Fitheitsideologie. Es kann fast nur ein deutscher Papst sein, der dies tat.

ad sinistram 20. Februar 2013 um 13:43  

Die unteren Bilder verschönern jeweils Artikel zum Thema Papstrücktritt. Die oberen sind aus der Zeit davor.

Banana Joe 20. Februar 2013 um 17:08  

Danke an Roberto für die zusätzliche Erläuterung. Ob es hilft, ist fraglich...

...dem Kommentator, der schreibt "...5 von 6 Bildern zeigen einen vitalen Papst..." fehlt es offenbar nicht nur am Textverständnis.

Wolfgang Buck 20. Februar 2013 um 19:08  

Was ich nie verstanden habe ist, dass diese BILD-Überschrift "Wir sind Papst" sowohl von Anhängern, als auch von Kritikern immer gleich mit "dem deutschen Volk" in Verbindung gebracht wurde.

Ich dachte mir spontan damals: "Ah ja, BILD ist also Papst?"

Ein offenkundig toller Psycho-Propaganda-Trick des Schmierblatts sich als "Volkes Stimme" zu etablieren.

ad sinistram 21. Februar 2013 um 14:12  

@ Banana Joe:
Facie prima soll ja zeigen, wie Bilder Texte beeinflussen. Der Kommentar von Mokoko zeigt, dass Bilder den Text überlagern, denn das Kommentierte ist mit dem von mir Gesagten gar nicht abgleichbar. In dem habe ich die Bilder ja erklärt.

maguscarolus 21. Februar 2013 um 15:01  

Ach herrje! Dass ich auch hier etwas über diese Papstelei lesen muss. Es bedürfte schon eines Herakles, um dieses total sklerotisierte Hornissennest namens Vatikan zu entgiften.

ad sinistram 21. Februar 2013 um 15:13  

Der Papst ist immer ein Thema wert. Und der scheidende sowieso.

D.B. 22. Februar 2013 um 18:58  

Der wahre Grund des Rücktritts ist wie ich vermutete, der ganze Dreck der Vatikan so läuft + Vatileaks...

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