Das verkannte Untalent

Montag, 23. April 2012

Grundsätzlich war die Idee, am Vorabend Personen des öffentlichen Lebens einzuladen, um mit ihnen zu quatschen, gar nicht schlecht. Der Vorabend, diese intellektuell so unerfüllte Zeit, sie könnte ein solches Sendekonzept durchaus gebrauchen. Gottschalk versuchte sich daran und scheiterte. Das ist aber trotzdem kaum zu bedauern.

Seicht, einstudiert, monologisierend

Man hat Gottschalk im Vorfeld attestiert, ein solches Talk-Konzept tragen zu können. Dabei hat man eines verkannt: Gottschalk kann keinen Dialog - schon gar keinen, der tiefgründig wäre. Für Wetten dass..? hat seine Gesprächsqualität schon kaum ausgereicht. Eingestreute Showacts und Wetten haben ihn hierbei aber gerettet.

Gottschalk ist kein Talker - er führt Monologe, die er mit Kniegetätschel und konziliantem Zurschaustellen seiner angeblichen Weltläufigkeit, unterstreicht. Dabei kommt nichts heraus. Die als Talk verkauften Monologe, die wahlweise Gast oder Gottschalk führen, das aneinander Vorbeireden, es erzielt keinen Gewinn für den Zuschauer. Gottschalk scheint dabei überfordert, seinen Gast in einen Dialog zu verstricken. Aufeinander einzugehen ist seine Stärke nicht - keine gute Grundlage für einen vermeintlichen Talker. Tiefgründig ist Gottschalk nur in der Pflege seiner Oberflächlichkeit, die sich am stärksten dann zeigt, wenn er begierig auf weibliche Kurven und Beine zu sprechen kommen darf.

Gottschalk erstickt jede Spannung in seinen seichten Gewässern. Er quatscht genauso inhaltslos mit Mario Barth wie mit Hans Küng über den Papst. Erkenntnisgewinn für seine Zuschauer ist nicht sein Metier. Was die Paradedisziplin seines Entertainments ist, kann man so beantworten: seichter Plausch. Erschwerend kommt hinzu, dass es jeden doch mal spannenden Gesprächsfetzen seitens seiner Gäste mit Floskeln abschließt, die man als Zuschauer seit Jahren von ihm kennt. Gottschalk ist einstudiert, hat wenig helle Momente - seine oberflächliche Abarbeitung an Gästen ist zahm und ausdruckslos. Man geht gerne zu ihm, weil kritische Fragen von ihm garantiert nicht gestellt werden.

Legendenbildung

Das Talent Gottschalks ist ein Märchen. Er ist ein verkanntes Untalent. Jemand, den man Qualitäten attestiert, die er nie hatte. Seine Sendung scheiterte an den mangelnden Zuschauerzahlen. Es kann natürlich so sein, dass das Konzept kein Massenpublikum rekrutierte. Gleichwohl kann das aber Folge des qualitativen Mangels des Gastgebers sein. Gottschalk Live hätte etwas werden können, wenn es ohne Gottschalk gelaufen wäre. Es fehlte stets nicht nur der letzte Schritt, ein lockeres, aber auch profundes Gespräch zu führen - es fehlten viele Schritte dorthin. Sich mit Gästen über Frisuren zu unterhalten, das lockt nicht. Wenn Gloria von Thurn und Taxis latent ihren Stockkonservatismus ausbreitet, wie erst kürzlich, so erwartet man, dass ein Gastgeber auf den Zahn fühlt und nicht zur nächsten Monologisierung schreitet.

Dass Gottschalk an einem Publikum gescheitert sei, welches das Konzept der Sendung nicht annehmen wollte, dürfte als Teil der Legendenbildung um seine Person bewertet werden. Gottschalk ist an sich selbst gescheitert - an den Erwartungen, die man in ihn setzte (und die er selbst in sich setzte) und an der mangelnden Gesprächskompetenz, die er mitbrachte. Anspruch und Wirklichkeit klafften weit auseinander. Und Gottschalk langweilte wie eh und je, wenn er sprach und lauschte. Ein Gastgeber, dessen Fragen und Einwürfe auf dem Niveau einer geselligen Männerrunde schlummern, kann einen Gast nicht spannend gestalten. Um den Ruf Gottschalks zu bewahren, ersinnt man Entschuldigungen seines Scheiterns, schiebt es auf das Publikum - dass aus einem Selbstdarsteller kein Talker wurde, ist aber nicht die Schuld der Zuschauer.



6 Kommentare:

Anonym 23. April 2012 um 08:05  

Von Gottschalk so etwas wie Courage zu verlangen, gleich dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln. Gottschalk hat sich bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises an Marcel Reich-Ranicki im Jahre 2008 eindeutig auf der falschen Seite positioniert und versucht, den Preisträger, der den Preis ablehnte, umzupolen und einzuschleimen. Auch wenn Gottschalk damals sagte, es sei alles richtig, was Reich-Ranicki in seiner Begründung der Ablehnung über das Fernsehen sagte, so zog er -Gottschalk- daraus nicht die richtigen Konsequenzen.

Marcel R.-R. blieb aber bei seiner Entscheidung und Meinung.

Ich stelle dazu analog im Sinne Reich-Ranickis fest: Preise sind wie Hömorrhoiden. Irgendwann kriegt jedes Ar...loch eine(n).

Potemkin 23. April 2012 um 10:13  

Ich muss sagen, dass ich noch keinen Artikel gesehen habe, der die Schuld bei den Zuschauern gesucht hat, aber z.B. als Aufmacher auf Spiegel Online diesen Artikel, der die Sache gar nicht so viel anders sieht als Sie:
www.spiegel.de/kultur/tv/0,1518,828367,00.html
Die Kernstärke Gottschalk ist ganz klar das spontane Kommentieren von Geschehnissen, die Wetten waren genau der Stoff dafür. Folgerichtig fragt der Artikel:
"Warum nur konnte man Thomas Gottschalk nicht eine Sendung auf den Leib schneidern, die ihm Gelegenheit gegeben hätte, überraschende Alltagsphänomene zu kommentieren?"
Ach, und wo Sie gerade dabei sind: Haben Sie auch eine Erklärung für das Ende von Harald Schmidt?

flavo 23. April 2012 um 12:23  

Wer ist Harald Gottschalk?

pillo 23. April 2012 um 12:37  

[...]Gottschalk kann keinen Dialog - schon gar keinen, der tiefgründig wäre.
...
Gottschalk erstickt jede Spannung in seinen seichten Gewässern. Er quatscht genauso inhaltslos mit Mario Barth wie mit Hans Küng über den Papst. Erkenntnisgewinn für seine Zuschauer ist nicht sein Metier.[...]

Na damit ist Gottschalk doch geradezu prädestiniert für die Moderation einer der unsäglichen (all)abendlichen "Polit"-Talkshows. Während man mit Jauch, Maischberger, Will und Konsorten dem Publikum noch Sachkompetenz vorzugauckeln sucht, wüsste der geneigte Zuschauer bei seinem Tommy gleich, was er bekommt. Sonntag abend um 21:45 Uhr Gottschalk live aus dem Gasometer wäre die ehrlichere Variante. It's showtime!

Anonym 23. April 2012 um 20:24  

Es geht ja das Gerücht um Gottschalks Sendeplatz würde in Kürze an Dieter Nuhr für eine "Satire-Sendung" gehen. Was das heißt sieht seinen letzten Auftritt zu ACTA - und für ganz Hartgesottene Zeitgenossen empfehle ich ein paar Minuten seines "Satiregipfels".

Und so könnte es sein das der seichte Talk des Gottschalk durch die Sparflammen-Propaganda des Nuhr ersetzt wird. So gesehen vermisst man Gottsckalk dann doch fast.

Anonym 23. April 2012 um 21:36  

Als Nachfolger von Gottschalk ist Markus Lanz nominiert, ein noch größerer Weichspüler als sein Vorgänger. Wenn ich dann auch noch bedenke, dass Anne Will durch Gülle Günter ersetzt wurde, bekomme ich allmählich den Verdacht, dass die Verblödung der Zuschauer jetzt in ganz großen Stil organisiert wird.

Wenn Jauch und Lanz Journalisten sind, dann ist ein Friseur ein Gehirnforscher.

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