Haltet mir das Mitleid vom Hals!

Freitag, 21. Oktober 2011

Tritt wieder mal der Fall ein, dass ein schlechter Mensch, der ehemals Diktator oder Terror-Pate war, erschossen wird, ohne einem Gerichtsverfahren, vielleicht sogar einer internationalen Gerichtsbarkeit, überführt worden zu sein, so argumentiert man zuweilen sachlich, warum zweiteres sinnvoller gewesen wäre. Schuld und Sühne, werden bemüht - und der Anspruch der Demokratie, jeden einen fairen Prozess zu ermöglichen. Justitia sei auch gegen Tyrannen blind. Im aktuellen Falle, da man sah, wie Gaddafi zu Tode gebracht wurde, kommt noch etwas hinzu, was sich nicht sachlich begründen läßt.

Man sah den ehemaligen guten Freund des Westens, wie er blutüberströmt, noch lebend gefangen wurde. Man sah, wie er sich wehrte, wie sie ihn trieben, schlugen, die Todesangst las man an seinen Augen ab - man sah, wie sie diesen Menschen geifernd vor Hass in ihrer Macht hatten. Man sah diese Bilder. Man weiß was dieser Mensch getan hat, dass er Menschen über die Klinge springen ließ, seinen Geheimdienst drakonische Strafgerichte über Regimegegner erlaubte - das ganze Programm der Tyrannei, das in der westlichen Welt aber gerne verschwiegen wurde, seitdem Staatsmänner und -frauen zum Händeschütteln und Geschäftemachen über das Mittelmeer flogen. Man sah diese Bilder, die verwackelt einen kurzen Augenblick der Ausgeliefertheit eines Menschen in der Masse irre hassender Menschen zeigen - man sah diese Bilder dann nicht mehr nur, man entfloh der Anonymität des Man. Man wurde zum Menschen. Als Mensch sah man diese Bilder. Als Mensch sah man, was einem Menschen angetan wurde.

Es ist widerlich, was mit diesem ehemaligen Machtmenschen geschah. Es ist so unglaublich dreckig, beschämend, ein Offenbarungseid der menschlichen Rasse - was empfand ich, als ich das erstmals sah? Den Ekel, den ich eigentlich für Gaddafi verspürt hatte, er wich augenblicklich. Ich forschte in mir. Was ist da in mir für ein Gefühl?, fragte ich mich. Warum begreife ich das nicht als gerechte Strafe? Mein Gefühl war Mitleid. Ich wollte nicht, aber ich hatte urplötzlich Mitleid mit diesem Mann, wie er da seinen gnadenlosen Häschern ausgeliefert war, ohne auch nur den Hauch eine Chance zu haben. Gaddafi, den ich sicherlich nie geschätzt hatte, erntete von mir, was er nie zuvor erntete: Mitleid! Ich war ihm in diesem Moment als Mensch zu Mensch nahe; gerne hätte ich dem Mob Einhalt geboten. Einen Tyrannen so verteidigen zu müssen: das ist ein emotionaler Skandal. Ich will kein Mitleid mit Despoten haben müssen!

Es gibt so viele gute Gründe, einen solchen Menschen vor einen Richter zu führen. Viele! Gute Gründe; sachliche Gründe; intellektuelle Gründe. Einer sollte das Heer an Gründen aber bereichern: um unser aller Mitleid nicht einem solchen Menschen zu sichern. Vor den Richter mit solchen! Damit man kein Mitleid haben muß mit einem, der ausgesprochen wenig Mitleid hatte mit seinen Opfern... ich will kein Mitleid mit so einem haben; verurteilte ihn ein Richter zu lebenslanger Haft, ich hätte keines - aber so... man muß sich echt schämen. Nicht weil man Mitleid hat, sondern weil sie machten, dass man es haben muß.



38 Kommentare:

Anonym 21. Oktober 2011 um 11:27  

"[...]Vor den Richter mit solchen! Damit man kein Mitleid haben muß mit einem, der ausgesprochen wenig Mitleid hatte mit seinen Opfern... ich will kein Mitleid mit so einem haben; verurteilte ihn ein Richter zu lebenslanger Haft, ich hätte keines - aber so... man muß sich echt schämen. Nicht weil man Mitleid hat, sondern weil sie machten, dass man es haben muß[...]"

Mich anschließ.

Übrigens, ich habe auch Mitleid mit der libyschen Bevölkerung, die mit dem "Übergangsrat" solchen
Menschen ausgeliefert wird, die ganz sicher auch nicht besser als Gaddafi sind, und da sind mir die ganzen Intellekutellen scheißegal, die behaupten, dass es unterschiedliche Versionen der "Scharia" gibt, die nun in Libyen als Gesetz eingeführt werden soll - die libyschen Frauen tun mir jetzt schon leid.

Die Bilder des Mobs ähnelten, wenn man ein anderes Land genommen hätte, fatal den Taliban, wie ich bereits wo anders schrieb, und tröpfchenweise kommt auch heraus, dass Gaddafi scheint's nicht einmal log als er Al Kaida und Taliban bei den Rebellen gesehen haben will - Frage: Welche Version der "Scharia" beschert der Übergangsrat bei solchen Freiheitskämpfern wohl Libyen?

Für Diktatoren und Terroristenführer brechen harte Zeiten an, denn der ursprüngliche Plan diese vor Den Haag zu bringen scheint immer mehr in Richtung einer Lynchjustiz abzuirren.

Tja, ich wage mal eine Zukunftsprognose, nachdem Gaddafi tot ist können wir schon auf die nächste NATO-Intervention, und den nächsten Lynchmord eines Diktators wetten - Wie wäre es mit Assad in Syrien? Castro in Kuba? Kim Jong Ill in Nordkorea? Ich hoffe ja so, dass ich Unrecht habe, und Den Haag einen größen Stellenwert bekommt - zumal unsere Staatsverbrecher ja froh sein können, dass Diktatoren gelyncht werden, und ich das nicht will, die gehören genauso vor Gericht in Den Haag wie Gaddafi & Konsorten, die Sarkozys, Berlusconis, Camerons und Merkels dieser Welt.

Gruß
Bernie

PS: Man sollte sich einmal den Film "Drachenläufer" über ein längst vergangenes talibanfreies Afghanistan reinziehen um zu sehen was den "Befreiten" in Libyen nun blüht - Oder auch nur mal etwas über die Zeit der Iranischen Revolution, die von fanatischen Moslems gekapert wurde, die aber ursprünglich weltlich gewesen sein soll, um zu sehen was libyschen Frauen nun droht, die unter Gaddafi westliche Freiheiten genossen hatten (wenn auch nur die Frauen....)

Anonym 21. Oktober 2011 um 11:32  

Danke, ich dachte schon ,ich wäre der einzige, dem das nahe geht!

potemkin 21. Oktober 2011 um 11:37  

Ich nehme doch mal an, dass seine ehemaligen Staatsfreunde und Waffenlieferanten diskret dafür gesorgt haben, dass der 'Volkszorn' einen für sie peinlichen äußerst Prozess in Den Haag unnötig gemacht hat. Es gibt schon 24 Stunden danach mindestens 5 Versionen über den Tod von Ghaddafi. Wie es wirklich war, wird man wohl kaum je erfahren. Der Hahn ist tot...

ninjaturkey 21. Oktober 2011 um 12:07  

Nicht umsonst darf in einem funktionierenden Rechtssystem ein Richter nicht befangen sein, darf also keine emotionale oder wirtschaftliche Nähe zum Delinquenten haben.

Hätten ich oder meine Familie/Freunde unter Gaddafi gelitten, dann würde ich für meine soziale Beißhemmung Schwächeren gegenüber (und das war er in seinen letzten Minuten) nicht garantieren. Den Menschen vor Ort kann man daher guten Gewissens nichts vorwerfen. Denjenigen (die Namen sind uns allen bekannt) allerdings, die aus politischen und wirtschaftlichen Gründen aus der Luft und ferngesteuert, mit Waffen und wirtschaftlichen Mitteln Menschen aus ihnen fremden Kulturen morden (lassen) oder kalt den Tod von Menschen mit einkalkulieren, werfe ich Mord aus niedersten Beweggründen vor und "achte" sie entsprechend.

Gaddafi dürfte mein Mitleid zuletzt als Kind verdient gehabt haben, bevor er mit radikalen Ideologien infiziert wurde. Seinen letzten "Schliff" bekam er u.a. in einer "vertiefenden" Offiziersausbildung in Großbritannnien(!). Danach hat er es lange verstanden, die Gier der "Großen" der Welt zu bedienen und sie letztlich als ebenfalls Menschen verachtende Despoten vorzuführen.

Wenn er nun winselnd und blutend aus einem Abwasserrohr gezogen wird, verdient er wieder mein (unbelastetes) Mitleid. Ein Würstchen, dem alle Macht und Brutalität letzten Endes nichts, aber auch gar nichts mehr gebracht hat und der als Schandfleck in der menschlichen Geschichtsschreibung noch lange überdauern wird - tolle Lebensleistung.

Nein, mein Mitleid halte ich mir nicht vom Hals. Es gilt wann immer mir möglich dem Schwächeren und verhindert im besten Fall das heute übliche Nachtreten, wenn der Angreifer besiegt am Boden liegt.

Anonym 21. Oktober 2011 um 12:16  

Danke! Wie immer eine Stimme der Menschlichkeit! Ob Gaddafi mitleid verdient? Es ist nicht an mir, das zu beurteilen, und es ist auch nicht in meiner Hand, ob ich es empfinde oder nicht. Aber auch mir geht es nahe, wenn ein Mensch (egal, was er getan hat) ermordet wird. Sicher kann man sagen, er hat die Früchte seiner Taten geerntet. Aber ich hab auch Mitleid mit denen, die ihn getötet haben.

Vielleicht empfinden sie im Augenblick Genugtuung, sich gar als Helden. Dennoch ist es eine schlimme Wunde, die man sich zufügt, wenn man zum Mörder wird. Ist es Gaddafi wert, dass man sich diese Bürde auflädt? Nein, das Mann gehört vor Gericht! Dafür sind Gerichte zuständig und nicht das rasenden Mob! Das ist unabdingbarer Teil, der uns zu Menschen macht! Die Gesetze, die Menschenrechte gelten für alle, auch für den Massenmörder Gaddafi.

Und ist der Tod dieses sicher scheußlichen Mannes wirklich mehr als eine kurze Genugtuung für seine Opfer? Ja, der musst auch leiden! Ja, er hatte auch Angst! Ja, er ist auch tot! Kann Rache Wunden heilen?

Und was für eine Chance wurde vertan! Wiedermal hat der Unmensch auch seine Gegner zu Unmenschen gemacht! Und das ist dieses Würstchen, dieser Despot wahrlich nicht wert! So wirkt sein Gift über seinen Tod hinaus.

epikur 21. Oktober 2011 um 12:31  

"Wie wäre es mit Assad in Syrien? Castro in Kuba? Kim Jong Ill in Nordkorea?"

Ich würde eher auf den Iran tippen. Nach dem Irak und Libyen, besitzt der Iran noch wertvolle Gas- und Ölvorkommen. Die entsprechende Kriegspropaganda läuft ja schon auf vollen Touren.

Anonym 21. Oktober 2011 um 12:44  

@epikur

"[...]Ich würde eher auf den Iran tippen. Nach dem Irak und Libyen, besitzt der Iran noch wertvolle Gas- und Ölvorkommen. Die entsprechende Kriegspropaganda läuft ja schon auf vollen Touren[...]"

Sorry, ich hab halt mir bekannte Beispiele herangezogen, auch wenn ich dir mit dem Iran recht gebe - Scheint für unsere US- und NATO-Militaristen auch ein lohnendes Ziel zu sein, zumal man mit Afghanistan ja eine (wenn auch noch nicht befriedete) Basis hat, und dem Irak (ebensowenig befriedet), der schon einmal in eine Schlacht gegen den Iran zog, als der dortige Diktator Saddam Hussein noch ein Freund der NATO und der USA war.

Gruß
Bernie

Anonym 21. Oktober 2011 um 13:02  

Etwas abschreckende Überschrift... Aber der Text trifft es auf den Punkt! Man muss sich eben auch daran messen lassen, wie man seine Feinde behandelt.

Jutta Rydzewski 21. Oktober 2011 um 13:42  

In der Tat, diese ganze Heuchelei ist nur noch widerlich. Was mit Gaddafi zu geschehen hat, ist doch von diesem so genannten libyschen Übergangsrat bereits im August "eindrucksvoll" bekannt gegeben worden. Offenkundig ist völlig in Vergessenheit geraten, dass der Übergangsrat ganz offen zur Ermordung Gaddafis aufgerufen bzw. angeheizt hatte. Damals hieß es: "Wer ihn tötet oder ausliefert wird Straffreiheit, und obendrauf eine Belohnung von 1,7 Millionen Dollar zugesichert." Gaddafi ist, schlicht und ergreifend, von der libyschen Übergangsregierung, schon vor Monaten, zum Abknallen freigegeben worden. Die Aufforderung des Übergangsrates Gaddafi zu töten, ist derzeitig übigens mit großer Gleichgültigkeit der westlichen Wertegemeinschaftler hingenommen worden. Über diese rechtsstaatliche Ungeheuerlichkeit hatte sich kein westlicher Staatsmann oder-frau aufgeregt. Auch in der medialen Berichterstattung herrschte diesbezügliches Schweigen. Wenn ich dann noch lese http://www.fr-online.de/politik/verdacht-der-hinrichtung-gaddafi-wurde-aus-naechster-naehe-erschossen,1472596,11040342.html, dass nach Ansicht von so genannten Experten der Tod von Gaddafi sogar besser für die weitere Entwicklung in Libyen ist, wegen des großen Vorteils, dass nun kein Gerichtsverfahren stattfinden müsse, wage ich mir noch nicht einmal mehr an meinen rechtsstaatlich orientierten Kopf zu fassen. Fehlt eigentlich nur noch, dass Frau Merkel ihre Freude über den Tod Gaddafis bekundet, wie sie es bei Bin Laden so "vorbildlich" getan hat. Natürlich wird es auch keine Untersuchung darüber geben, ob sich die NATO überhaupt an die UN-Resolution gehalten hat ... bei ihren 26 000 Luftangriffen. Warum auch? Jetzt wird nur noch gefeiert: Friede, Freude, Eierkuchen und viel Öl. Hoch lebe der demokratische Rechtsstaat, dreimal Hoch, Hoch, Hoch!!!

landbewohner 21. Oktober 2011 um 14:04  

wenn ein diktator vor gericht gestellt wird, dann sollte dieses gericht unbefangen, neutral und ausserdem aus bürgern des landes bestehen, das er unterdrückt hat oder haben soll.
im fall gaddafi ist das alles nicht gegeben und einen diktator vor gericht zu zerren nachdem man zigtausende seiner untertanen umgebracht hat muss man ja wohl als farce bezeichnen.
übel wird mir allerdings auch, wenn die feinde der usa wie gadaffi,saddam,noriega etc nach ihrer gefangennahme oder tod in absolut würdeloser weise der öffentlichkeit präsentiert und ihnen zusätzliche negative eigenschaften wie feigheit,flucht,jammer etc. angedichtet werden. selbst in steinzeitlichen kulturen wurde dem besiegten oder getöteten feinden zumindest ein mindestmaß an achtung gewährt.

Anonym 21. Oktober 2011 um 14:25  

Mitleid hin oder her - bei der Ermordung Gaddafis geht es nun wahrlich nicht um Mitleid. Wir sahen in den Filmen, dass er lebend gefangengenommen wurde, dass er körperlich attackiert wurde, hörte zwei Maschinenpistolenschüsse (der offizielle libysche Sprecher redet von einem Pistolenschuss), und dann sah man den zusammengebrochenen Gaddafi, den man dann wie ein Stück Unrat wegschleifte. Und als ich das sah, fragte ich mich, welche Art von Demokratie diese Banditen in Libyen eigentlich errichten wollen. Diese? Es gibt noch sehr viele Gaddafi-Anhänger, vor allem in der unbewaffneten Bevölkerung. Die Bilder davon, wie man mit ihnen umgeht, wird man im Fernsehen nicht zeigen. Mir sind auch noch die Bilder der schwarzen Vertragsarbeiter in Erinnerung, die man zum Lynchen freigegeben hatte. Das sind Banditen! Sie haben das Land der raubgierigen NATO ausgeliefert, das nennt man gewöhnlich Hochverrat. Sie haben eine Blutspur in Libyen hinterlassen. Und für solche Leute, für Mörder, soll ich, geht es nach den deutschen Medien, Sympathie empfinden? Gaddafi wird hunderttausendfacher Mord an Dissidenten vorgeworfen, deshalb sei es verständlich, dass er "bei der Befreiung seiner Geburtsstadt Sirte umgekommen" sei, meint der offiziöse Fernsehsender Phoenix. Ich kenne als Ostdeutscher nur zu gut die offiziellen Lügen der Medien und der jetzigen Obrigkeit über die DDR. Und da kann ich mir an einem Finger ausrechnen, dass im Fall Gaddafi nicht weniger gelogen wird.

Gaddafi war ein komischer, exzentrischer Kauz, aber er war nicht verrückt, als den man ihn hinstellt, ja, und er hat die in Vorderasien üblichen Foltermethoden gegen Staatsfeinde angewandt (die übrigens sogar den USA gefielen, die etliche ihrer Häftlinge nach Libyen zwecks Aussagen überstellten, damit sie dort ungehindert gefoltert werden konnten). Und ganz nebenbei gesagt, fällt mir die Parallelität der Lynchjustiz im Fall Osama bin Laden und Gaddafi auf.

Sie, Herr Lapuente, sind der Ansicht, man hätte Gaddafi nicht ermorden sollen, sondern vor ein Gericht stellen. Vor welches Gericht? Das dieser Banditen? Mir ist noch das Gerichtsverfahren gegen Saddam Hussein im Gedächtnis, seine Hinrichtung, die das deutsche Fernsehen seinen Zuschauern genüsslich zumutete. Sind Sie etwa der Ansicht, dass das ein fairer Prozeß gegen Gaddafi geworden wäre? Dass man seine guten gegen seine schlechten Taten gerecht abgewogen hätte?

Nein, hier geht es nicht um Mitleid. Wenn Mitleid, dann mit der libyschen Bevölkerung, die jetzt wieder in halbfeudale Verhältnisse zurückgestoßen werden wird, die man in Libyen lange überwunden glaubte. Libyen war im Nahen Osten Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung der Frau - das musste sogar Phoenix zugeben. Ganz abgesehen davon, dass der verhältnismäßige Wohlstand, in dem Libyen lebte, nun nur noch für wenige Aasgeier gelten wird, die Masse der Bevölkerung wird so verarmen wie die Bevölkerung Tunesiens oder Ägyptens. Als Ostdeutscher kann ich mir die Zukunftsvorstellungen eines gewöhnlichen Libyers ganz gut vorstellen. Überhaupt, bei den gestrigen Jubelarien, das fiel mir auf, waren nur Bewaffnete vor der Kamera, sehr wenig Zivilisten, schon gar nicht Leute, die vielleicht nur ein wenig skeptisch sich die Jubelarie der "Sieger" ansahen. Ist vielleicht der Jubel über die Ermordung Gaddafis in der libyschen Bevölkerung nicht so ungeheuer groß, wie uns die westdeutschen Medien weismachen wollen? Ein wenig Mitleid darf man auch den Mordbanditen spenden, zumal dann, wenn man bedenkt, dass sie einfach nur als Lakaien der EU und der USA missbraucht wurden. Betrogene Betrüger.

Jetzt werden wir ein erneutes Schauspiel erleben, nämlich dann, wenn sich die Aasgeier aus Europa und den USA auf Libyen stürzen werden. Ich freu mich schon drauf.

Inhumanist 21. Oktober 2011 um 17:12  

Wenn sich die Wut eines Volkes entläd sind Moral und Ethik nicht selten Kollateralschäden, doch stehen diese nicht sowieso auf wackeligen Beinen?

Es wäre vermutlich klüger gewesen den Schlächter nicht mit eigenen Mitteln zu besiegen. Doch gehören ebenso wie Gnade und Mitleid auch Gewalt und Hass zur Natur des Menschen, die man bändigen, jedoch nicht unterwerfen kann. Sie ist das einzige worauf dieser sich verlassen kann wenn alles andere versagt. Und das ist etwas was mir in jener Situation unzweifelhaft erscheint.

Anonym 21. Oktober 2011 um 17:18  

Das Mitleid, das wir empfinden als Menschen, Mitmenschen letztlich auch von ihm, macht uns ihm nicht gleich, und das ist das einzige, was zählt!

Anonym 21. Oktober 2011 um 19:32  

Ich bin dir dankbar für diesen Text.

Trojanerin 21. Oktober 2011 um 20:45  

Mitleid mit Gaddafi empfand ich auch. In meinem persönlichen Umfeld fand ich außer meinem Mann niemand, der sich so geäußert hat. Wir haben das aus Zeitgründen bisher auch nicht großartig diskutieren können.

Ist eine Gesellschaft mitleidlos so kann fehlendes Mitleid nicht nur furchtbare Diktatoren treffen, sondern auch diejenigen, die in einer bemitleidenswerten Lage sind, ohne dass sie etwas dafür können.

Anonym 22. Oktober 2011 um 08:05  

Ich glaube das man den Blick dafür verliert, was es bedeutet, wenn in einem Land Krieg herrscht.
Und was dieser Krieg für die unmittelbar Betroffenen bedeutet und was er aus ihnen macht.

Wir sehen die Grausamkeiten, wie sie noch einmal Gipfeln, ich habe auch Mitleid.

"Es ist wie ein Wald, in dem niemand den Weg kennt. Man ist verloren, während man noch ruft: „Ich bin gerettet!“ (Joseph Conrad)
Wieviele Generationen es wohl dauern wird bis diejenigen aus den letzten 25 Jahren ihr Trauma beerdigt haben?

Anonym 22. Oktober 2011 um 09:27  

.....ja..da kann man sagen, was man will.....unser GRÖFAZ hatte ja gegenüber diesen Diktatoren doch nnoch nen Arsch in der Hose....lach

Harald 22. Oktober 2011 um 09:33  

Ich habe manchmal das Gefühl, die Mächtigen wollen nicht, das deren ehemaligen Freunde(?) die jetzt entmachtenten Machthaber vor Gericht kommen - diese Wissen vermutlich zuviel. Da ist doch für den eigenen Machterhalt, für die eigene Reputation eine Lynchjustitz vermutlich doch von Vorteil...

Anonym 22. Oktober 2011 um 10:13  

Die We Fly Zoneist vorläufig beendet.
Der NATO Rat wird kommende Woche entscheiden, ob die Zivilbevölkerung nun sich selbst und dem drohenden Bürgerkrieg überlassen wird oder ob ein Stabilisierungseinsatz notwendig ist, um die Gefahr eines militanten Islamismus einzudämmen und die Ölförderung zu schützen.
http://tinyurl.com/652734g

Hartmut 22. Oktober 2011 um 13:24  

Vielen Dank für diesen sehr einfühlsamen Text.

Der Steinzeitmensch in uns, so ein gleichnamiger Buchtitel, er wird, solange es Menschen gibt nicht aussterben.

Vor vielen Jahren las ich über die bestialische Hinrichtung von, Rosa Luxemburg, diese Bilder sind in mir bei dieser Hinrichtung wieder aufgelebt.

Der Verlust des Mitgefühls, von Arno Gruen, ist zu diesem Thema eine sehr passende Lektüre.

Anonym 22. Oktober 2011 um 18:18  

"[...]Nein, hier geht es nicht um Mitleid. Wenn Mitleid, dann mit der libyschen Bevölkerung, die jetzt wieder in halbfeudale Verhältnisse zurückgestoßen werden wird, die man in Libyen lange überwunden glaubte[...]"

Volle Übereinstimmung, zumal ich mit dem Film "Persepolis" - über die Revolution im Iran - eine sehr gute Vorlage gesehen habe wie es in Libyen kommen könnte, nur diesmal mit vollem Wissen der USA, der NATO, der EU und Deutschlands.

Trauriger Gruß
Bernie

PS: Bei Persepolis geht es darum wie aus dem säkularen Iran Schritt für Schritt ein Mullah-Staat geworden ist, und wie - nach und nach - die Mullahs die Macht übernahmen - Damals noch gegen den Westen, heute in Libyen wohl mit ihm - Man kann es nicht oft genug erwähnen, der Vorwurf, den Gaddafi noch zu Lebzeiten äußerte, nämlich dass Teile von Al Kaida und Taliban-Söldnern die Revolution in Libyen gewaltsam lostraten, erweist sich anscheinend immer mehr als Wahrheit - Diesmal mit vollem Wissen der USA (unter George W. Bush hätte es so etwas nicht gegeben, und dies schreibe ich obwohl ich mal ein Fan von Obama war (schäm)).

Rocco 22. Oktober 2011 um 19:31  

Ich habe gestern an der Tankstelle die erste Seite Bild gesehen, zum kotzen. Ich denke mir dann das hat ja seinen Bedarf, jeder dritte deutsche kauft sich dieses Schmierblatt zum Leberkäs Semmel. Bin ich eigentlich von den gleichen Bestien umgeben?

Ich finde es widerwärtig, ich habe auch Mitleid und ich bekomme immer mehr Angst!

Ich glaube diese Zeit wird uns bald fürchterlich einholen..........

beziehungsWEISE 22. Oktober 2011 um 20:37  

Ehe alle Diktatoren dieser Welt, die linken Dinger unserer Demokratievertreter auspacken, da muss man sie eben friedhofsreif sacken.

Anonym 23. Oktober 2011 um 04:03  

Ja so vom Wohnzimmer aus, einen Moment vorher sich noch gedanken über die Frisur machend, sieht es grausam aus. Aber urteile nicht über Menschen, bevor du nicht das erlebt hast, was sie erleben mussten.

Ich kann diesen Hass nachvollziehen, an einen Diktator, dem Massenmorde am eigenem Volke zu gute stehen.

Klar ist der Mord an ihm ein Übel, aber diese Menschen verurteilen oder mich als etwas "Vernüntigeres" aufzuspielen kann ich auch nicht, denn Ihre "Schuhe" werde ich hoffentlich niemals tragen müssen.

Anonym 23. Oktober 2011 um 14:23  

Stimmt, aus dem Wohnzimmer heraus bin ich sogar froh, dass wir in einer Demokratie leben, die ich eben auch anderen gönne, lieber x to the z, und keine Version von "Der König ist tot, es lebe der König" - Im Falle von Libyen müßte es heißen "Der Diktator ist tot, es lebe die Diktatur".

Die ständigen Relativierungen einiger Besserwisser in der EU gehen mir übrigens auch auf die Nerven.

Früher hieß es einmal, dass man "diesen Menschen eine Demokratie nach westlichem Vorbild gönnt" - Tja, nun heißt es im zynischem Atemzug, wie in Afghanistan "Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass die ihre eigene Version von Regierung haben, und die (kommt einem irgendwie bekannt vor) sowieso andere Vorstellungen von Demokratie hätten in den arabisch muslimischen Ländern".

Wie hieß es eigentlich noch als es damals gegen Osama Bin Laden ging?

Die haben doch keine Ahnung was Demokratie ist in der arabischen Welt, und wären dazu auch nicht fähig - von unseren westlichen Mainstream-Medien - Tja, das einzige was sich geändert hat ist, der orwellsche Neusprech von dem Verständnis von Demokratie in den Ländern des Arabischen Frühlings.

Toll!

Anonym 23. Oktober 2011 um 20:25  

Hier wie die lateinamerikanische Welt auf die Ermordung des libyschen Diktators Gaddafi reagiert:

"[...]Lateinamerika freut sich nicht über Tod von Gaddafi[...]"

Quelle:

http://amerika21.de/nachrichten/2011/10/41227/lateinamerika-ghaddafi-tod

Wer jetzt denkt sind Chavez, Castro & Co. verrückt geworden, der sollte einmal darüber nachdenken wer als nächstes auf der Liste der NATO stehen würde - als angeblicher, oder wirklicher, Diktator - und ganz rasch schweigen.

Übrigens, ich finde auch vom Sofa aus sehr interessant, dass man in Lateinamerika Bilder ausstrahlt, die einen gefangenen, und noch lebendenden, Gaddafi zeigen, d.h. der Mann wurde tatsächlich ermordet.

Tja, ein schlechter Anfang für ein demokratisches Libyen, wenn man darüber nachdenkt wie die Opposition wahrscheinlich zusammengesetzt ist - in Lateinamerika:

"[...]In einem Interview sprach der venezolanische Schriftsteller Luis Britto den Rebellen in Libyen indes die ihnen zugeschriebene progressive Rolle ab. Eine repräsentative soziale Bewegung dürfe nicht auf die Hilfe der NATO angewiesen sein, sagte der Autor und politische Kommentator. Eine soziale Bewegung bestehe zudem aus neuen politischen Kräften. Im "Nationalen Übergangsrat" Libyens aber fänden sich alte Minister von Gaddafi und Anhänger der Monarchie von König Idris, zudem sei über Verbindungen zum Al-Qaida-Netzwerk berichtet worden. "Wenn es eine soziale Bewegung in Libyen gibt, dann sollte sie gegen die NATO kämpfen", so Brittos Resümee[....]"

Gruß
ein Sofasitzer

Anonym 24. Oktober 2011 um 00:10  

Ich habe erstmal Schwierigkeiten mit der Darstellung Gaddafis in der Vergangenheit. Es ist klar, dass wir unsere Informationen über Medien beziehen, denen wir vielen nachsagen können, aber sicher nicht eine objektive Berichterstattung (meint also eine wissentliche Verzerrung vermieden wird).

Ich kenne über die Libysche Gesellschaft nichts. Ich kenne die Umstände vor Ort nicht. Ich lese nur Zeitungsartikel oder aber dt. Blogs.

Ich höre, dass die Hälfte des Landes imme rnoch unter der Kontrolle des Clans wäre, dem Gaddafi angehörte und dass das ganze ein Bürgerkrieg wäre.

Ja wenn es ein Bürgerkrieg ist, dann scheint ja ein nicht unwesentlicher Teil der Gesellschaft anderer Meinung zu sein, als der, der heute in den Medien bevorzugt zu Wort kommt. Nur hat dieser Teil keine Stimme.

Ich lese auch, dass Gaddafi ein riesiges Wasserprojekt für sein Volk gestartet hat und in Afrika sehr viele Staaten unterstützt hat, um unabhängig vom IWF und Co. zu werden.

All das stimmt mich mindestens nachdenklich, ob das Medienbild Gaddafi das ist, was annähernd wirklich ist.

Ich kann es nicht sagen, was wirklich ist, aber ich bin mir fast sicher, dass das mediale Bild heute stark von der Wirklichkeit abweichen wird.

Warum? Weil Interessen im Spiel sind, die auch in Deutschland liegen und ab da kann man sicher sein, dass jeder Gegner zu einer Fratze des Bösen verzerrt wird.

Ich halte mich heutzutage mit Verurteilungen sehr zurück über fremde Länder, fremde Kulturen etc. Ohne Kenner zu sein, sind Urteile sehr heikel und das Vertrauen in fremde Kennde in den Medien habe ich schon lange verloren.

Anonym 24. Oktober 2011 um 09:07  

"[...]Ich halte mich heutzutage mit Verurteilungen sehr zurück über fremde Länder, fremde Kulturen etc. Ohne Kenner zu sein, sind Urteile sehr heikel und das Vertrauen in fremde Kennde in den Medien habe ich schon lange verloren[...]"

Seh ich ganz genauso. Übrigens als Angehöriger der Generation, die den ersten dt. Krieg der Neuzeit gegen Ex-Jugoslawien noch medial miterleben durfte kommt mir einiges an der Hetze gegen Gaddafi sehr bekannt vor.

Auch Milosevic galt als "verrückt", und wollte ein Groß-Serbien (wenn es nach der NATO-Propaganda ging) installieren.

Jahre später kommt hinten vor, dass der Westen Teil der Kriegspropaganda gegen Milosevic war, dass - ich las es zuerst beim Publizisten Jürgen Elsässer - Osama Bin Laden seine Kriegserfahrungen nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Bosnien gelernt hat. Soll heißen: Der Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien war viel breiter gefächert als die NATO-EU-Medien uns dies so verkaufen wollten.

Tja, jetzt wo wir ein "demokratisches" Serbien haben strahlt auch das dt. TV mal Videos, und Berichte, aus dieser Zeit aus wo man islamistische Gotteskrieger in Sarajewo Spalier stehen sieht, und wie der damalige bosnische Präsident eine Ansprache gegen Ungläubige (in diesem Fall Serben) hält.

Zu Milosevic Lebzeiten war dies noch undenkbar, da waren allein die Serben die Bösen, wie ich von einem serbischen Freund erfuhr, der sich so äußerte, dass man herauslas, die Verletzung durch deutsche und NATO-Medien sitzt immer noch tief in der Serbischen Seele.

Tja, seither glaube ich nichts mehr, und schließe mich dir oben an - in deiner Meinung.

Gruß
Bernie

PS: Irgenwo las ich mal "Im jedem Krieg stirbt die Wahrheit als erstes" - und da Deutschland seit 1992 Kriegspartei ist ist die Lügerei unserer Kriegsmedien eigentlich kein Wunder.

Dalmeier 24. Oktober 2011 um 13:39  

Wie bekannt, gehört zu Menschlichkeit auch Hass, und diese Menschlichkeit wurde nun Gaddafi angedeiht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Es scheint auch immer wieder in Vergessenheit zu geraten, dass Kriege jeder Art nun mal schmutzig sind - es gibt keine "gerechten" Kriege, so wie das der Autor hier offenbar erwartet.
Oder sollen Kriege wenn dann nur über eine Drohkulisse ablaufen dürfen, in der die eine Partei die andere vor Gericht führt, ohne dass Blut fliessen kann? Wie stellt man sich das bitte vor?

ad sinistram 24. Oktober 2011 um 13:41  

Es ist ein intellektueller Witz, wenn man versucht, das was da geschah, mit Menschlichkeit zu umschreiben. Wer so argumentiert, ist so dumm, wie es Menschen zuweilen sind.

Nichts ändert sich an der Einsicht, dass es immer besser wäre, man würde einen Verbrecher vor Gericht bringen - das ist im Interesse der Menschlichkeit und Menschheit. Alles andere ist die Legitimierung von Gewalt und nicht hinnehmbar...

Anonym 24. Oktober 2011 um 13:56  

@Roberto J. de Lapuente

Seh ich ganz genauso ;-)

Gruß
Bernie

Dalmeier 24. Oktober 2011 um 16:24  

Du selbst warst es, Roberto, der hier einen Artikel darüber verfasstest, dass Menschlichkeit nicht nur das Gute sondern auch das "Böse" umfaßt.

Dass man Verbrecher besser vor Gericht bringt als ihnen kurzen Prozess zu machen, ist sicherlich eine nicht immer als solche erachtete Binsenweisheit, der du ja auch immer wieder mal einen Text widmest.
Nichtsdestotrotz handelt es sich hier um einen Bürgerkrieg, und solche werden nie "sauber" ablaufen. Auch dies ist eine Binsenweisheit.

ad sinistram 24. Oktober 2011 um 16:57  

Das eine war eine Begriffsdefinition - bei einem solchen Akt aber von Menschlichkeit zu sprechen, das halte ich für grundverkehrt. Krieg, Bürgerkrieg, was auch immer - auch hier hat der Anspruch vertreten zu werden. Wenn nicht da, wo sonst?

Anonym 26. Oktober 2011 um 13:18  

Sowas könnte bei uns nicht passieren, soviel ist mir nach diesen Videos klar...
Diese Tiere!

ad sinistram 26. Oktober 2011 um 13:24  

Stimmt, bei uns wirft man sich vorher noch in Schale - und verfügt Erlässe. Dann schaut das Tier nicht so tierisch aus.

Anonym 26. Oktober 2011 um 13:56  

Ach ja? Wer wird denn hierzulande massakriert?

Anonym 26. Oktober 2011 um 14:12  

Ach ja? Wer wird denn hier massakriert?

ad sinistram 26. Oktober 2011 um 14:12  

Na, mancher Schwarze zum Beispiel. Manche verbrennen gar in Polizeigewahrsam. Aber abgezielt hat das auf eine Zeit, die noch nicht lange vorbei ist und bei der man auch Tier war - in Uniform natürlich. Dein dumpfer Einwurf, dass das hier nicht passieren könne, um dann mit "Diese Tiere!" zu beschließen, ist mehr als zweideutig.

Achja, auf Diskussionen in diese Richtung (wohlgemerkt: in diese Richtung!) lasse ich mich nicht ein...

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