Der Neoliberalismus braucht keine FDP

Dienstag, 27. September 2011

Die Freien (Markt-)Liberalen, die mit der historischen Erscheinung des Liberalismus ungefähr gar nichts gemeinsam haben, wackeln flott aus allen Parlamenten. Ihre Wählerschaft läßt sich bald an einer Hand abzählen. Sie galten in den letzten Jahren als das Gesicht des Neoliberalismus in Deutschland. Das Geschwafel um Steuersenkungen für Reiche, Klientel- und Kopfpauschalenpolitik und Analysen, die römische Dekadenzen freilegen: die Freien Marktliberalen, die unter ihrem Kürzel FDP ins Parlament strebten, hatten nur einen kurzen Frühling. Man nahm sie als das Übel war, als die Vertreter der neoliberalen Egomanie - und nun werden sie gegangen, möglicherweise aus sämtlichen Parlamenten, die dieses Land zu bieten hat. Ein Ende des Neoliberalismus aber ist nicht in Sicht.

Der große Irrtum

Es war so herrlich einfach, in die FDP die ganze Misere zu projizieren. Sie vertrat demnach nicht den ultraliberalen Marktradikalismus und die Diktatur der Renditen, sie war das System selbst. So anspruchslos konnte man es sich machen. Wenn erst mal die FDP taumelt, nahm man optimistisch an, so wäre auch dieses System in Bedrängnis. Die Kanzlerin, so schrieb es der etablierte Journalismus in uniformer Biederkeit, sei durch den Koalitionspartner in den Liberalismus gedrängt. Die Freien Marktliberalen seien es, die das Programm grenzenloser Profiterei zulasten sozialer und Menschenrechte aufrechterhielten. Sie waren der Teufel.

Der Teufel stirbt nun - das klingt zu brav, wird der Situation nicht gerecht. Er stirbt nicht, er verreckt geradezu jämmerlich. Freudestrahlend verfolgt man dieses öffentliche Krepieren. Immerhin stirbt mit der FDP auch ein Stückchen Neoliberalismus, eventuell sogar das gesamte morsche System. Ändert sich nun etwas, da man nur noch auf die restlose Beseitigung der Freien Marktradikalen wartet? Verändert sich die Denkweise der anderen Parteien? Sagt man, am Niedergang der FDP erkennt man nun als Union, als SPD oder als Grüne, dass man etwas ändern muß? Die asoziale Politik der FDP wurde abgestraft, hört man aus Kreisen der Opposition - stimmt ja: sie war ja der Neoliberalismus! Selbst war man es nie. Nicht vormals, zu Zeiten Schröders, nicht jetzt, da man für die Politik Schröders immer noch wirbt.

Die FDP war nicht das Gesicht des Neoliberalismus - sie war nur die hässliche, die verpickelte Fratze dieser Weltanschauung. Dieselbe Weltsicht hat auch schönere, gepflegtere Gesichter zu bieten. Deswegen sind es aber trotzdem Gesichter, die aus dem Schlund der Egomanie strömen, trotzdem Vertreter einer asozialen, ja diktatorischen Anschauung.

Die Sprache bleibt

Ganz anders wie die Zahnarzt-Partei sei man, betonen Sozis und Grüne leidenschaftlich. Die FDP war stets der Ausbund der Hölle, die Partei der Schlimmsten der Schlimmen. Das neoliberale Gerüst, auf dem die Ideologie aufgeknüpft war. Seit zwei Jahren, seitdem man den Zenit der Beliebtheit bei der Bundestagswahl überschritten hatte, straucheln die Jünger des totalen Marktes - erst fielen die Umfragewerte, dann purzelten die Koalitionen mit gelbem Gehalt, jetzt wird man sogar für die Tore der Landesparlamente verbannt. Aber die Ideologie bleibt. Sie ist fest verankert im politischen Diskurs. Man spricht von Wettbewerben, davon, dass Profit unser aller Wohlstand sichert, benutzt die Arbeitslosigkeit als Knute und macht Arbeitslosen ein schlechtes Gewissen, um das Märchen von einer Vollbeschäftigung mit satten Gehältern aufrechtzuerhalten, um den prekären Arbeitsmarkt zu vertuschen - und natürlich: der Markt, er ist der große Weltenlenker. Das Vokabular steht auch jetzt noch, nachdem die FDP nicht mehr steht.

Das Vokubular stand vorher schon. Der kritische Bürger, der den Aufschwung der Freien Marktliberalen angewidert beobachtet hat, muß sich vorwerfen lassen, dass er wie die Opposition auch, eine Weile dazu tendierte, die FDP mit dem Neoliberalismus gleichzusetzen.
Sie ist neoliberal - natürlich! Aber die anderen sind es auch. Sie brauchen die FDP nicht, um sich in Neoliberalisch zu unterhalten, um die Normen dieser egomanischen Ideologie am Leben zu erhalten. Fragt denn irgendeiner auch nur im Ansatz nach, ob die Profiterei denn ein hehres Ziel für das Allgemeinwohl hat? Sieht sich auch nur ein Sozi oder ein Grüner dazu bemüßigt, mal ganz offen und ungeniert nach dem Sinn eines Wettbewerbs zu fragen, der Menschen nur gegeneinander in Stellung bringt und ein friedliches Leben stört? Das sind neoliberale Prämissen - und das sind die Prämissen aller politischen Parteien.
Die Alternativlosigkeit des Systems wurde von der FDP auch propagiert - natürlich! Bieten alle anderen Alternativen - bieten sie Alternativen, jetzt, da die FDP nur noch als Wahlzettel-Auffüller dient? Auch die SPD, auch die Grünen, die Union sowieso, sind davon überzeugt, dass es außerhalb des Neoliberalismus nichts geben kann. Die Linken unter diesen Parteien glauben an einen Neoliberalismus light - andere Visionen haben sie schon nicht mehr. Es kann ohne Wettbewerb nicht gehen, sagen sie - es kann ohne Profit zum Wohlstand aller nicht funktionieren, erklären sie - es kann ohne dem Kurzhalten derer, die keine Arbeit mehr finden, nicht laufen, meinen sie. Man braucht keine FDP, um neoliberal zu sein.
Die FDP betrieb Privilegiertenpolitik - natürlich! Aber hierzu braucht man sie auch nicht, das haben die anderen mit oder ohne sie auch ganz gut bewerkstelligt. Elterngeld ging auch ohne FDP. Hartz IV auch. Steuersenkungen für Konzerne, wie damals unter dem Dreigestirn Schröderfischermüntefering: wo war da die FDP? Applaudierend in der Opposition! Von der Oppositionsbank aufrührend, noch weiter zu kürzen, noch mehr Spielräume für Konzerne zu schaffen. Die FDP ist weg - der Neoliberalismus bleibt da.
Die FDP entschuldigte das Asoziale mit der Globalisierung und der Wettbewerbsfähigkeit - natürlich! Die Sozialdemokratie etwa nicht, als sie ihr Asoziales in die Sozialpolitik trugen? Das haben sie gemacht, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Hat jemand einen Politiker außerhalb der FDP je fragen gehört, ob die Globalisierung nicht etwa ein Konstrukt ist, ein Feigenblatt zur Mehrung des Profits? Nicht wir kürzen bei euch, sagten auch die außerhalb der FDP zu uns, es ist die globalisierte Welt, die es tut.

Man denkt zuweilen zu statisch

Die politische Linke muß es sich vorwerfen lassen: dort, wo sie noch am Werk ist - und das ist sie selten genug -, denkt sie zu statisch. Die Freien Marktliberalen galten für sie in den letzten Monaten als Prellbock. Sie verhielten sich eklig, keine Frage. Aber sie waren nur die Charaktermaske des Neoliberalismus, man schob sie vor, verdeckte damit, dass dieselben krassen Denkmuster auch in anderen Parteien krassieren. Sicherlich, die besonders fiesen Radikalos sind bei SPD und Grünen weg. Fischer kariolt als ökologische Litfaßsäule über den Globus; Metzger hat seine politischen Ambitionen via Christdemokratie vermetzgert; Clement ist heute offiziell, was er immer war: Sprachrohr der Wirtschaft; Schröder hat seinen Lebensraum im Osten vergoldet. Aber die, die geblieben sind, die vom Schröderianismus bereinigten Hinterbliebenen, teilweise vom linken Parteiflügel, die stützen ihre Prämissen und ihre Lösungsvorschläge auf neoliberal vorgefertigte Wahrheiten. Pragmatisch Politik betreiben, nennen sie das. Das tun, was unter diesen Umständen, möglich ist, entschuldigen sie sich. Dass damit jede Alternative unmöglich wird, ist die Wahrheit, die keinen findet, der sie ausspricht.

Die FDP alleine ist nur der Neoliberalismus, wenn man statisch denkt. Die NPD ist im heutigen sozialen Klima dieses Landes nur Rassismus, wenn man statisch denkt. Die sattsame Linke, nennen wir sie die taz-Linke, eine Linke, die sich für arg links ansieht, dabei aber neoliberalen Prämissen nachhechelt und die Institutionen durchwandert hat, bestreitet ein statisches Weltbild. Hier FDP - Neoliberalismus; dort NPD - Rassismus. Die taz sieht sich in der Pflicht, gegen Faschisten ins Feld zu ziehen - das ist gut! Aber sie berichtet dabei beinahe nur von NPD, Republikanern und der DVU. Dieselben Tendenzen, die man bei Sozis, Grünen und den Christdiktatoren vermehrt erkennt, tut man als Einzelfälle ab. Wer statisch denkt, muß zwangsläufig dergestalt abwiegeln. Dasselbe Szenario gilt für die Freien Marktliberalen, die man mit dem Zeitgeist assoziert. Aber der braucht die FDP gar nicht - lassen wir uns da nicht täuschen!



16 Kommentare:

Anonym 27. September 2011 um 07:58  

"Fischer kariolt als ökologische Litfaßsäule über den Globus; Metzger hat seine politischen Ambitionen via Christdemokratie vermetzgert; Clement ist heute offiziell, was er immer war: Sprachrohr der Wirtschaft; Schröder hat seinen Lebensraum im Osten vergoldet."

Da die meisten Wähler von diesen "Vergoldern" aller Coleur die Nase voll haben und sie gemerkt haben, es geht seit Jahren an ihre Substanz, da bleiben sie von den Urnen weg.

Nichts ist mehr auf längere Sicht planbar, Familien zerbrechen, Erwebsbiografien münden in Altersarmut, Jugendliche die Perspektivlos sind suchen ihr Ventil in der Gewalt, Alte vegetieren in freudlosen Heimen und und und...

Wollt ihr den totalen Maaarkt!?

klaus baum 27. September 2011 um 08:13  

Wenn man auf das Verschwinden der Tannine in der Politik einen Chapotannaz Grand Cru trinkt, nimmt man doch wieder nur Tannine zu sich.
Oder anders gesagt: Westerwelle ist die picklige Ausgabe von Schröder.

Anonym 27. September 2011 um 08:34  

"die besonders fiesen Radikalos sind bei SPD und Grünen weg."

Stimmt nicht ganz. Bei den Grünen wurden die Linksradikalen gegen Radikalopportunisten ausgetauscht!

flavo 27. September 2011 um 09:51  

Treffend gesagt!
Natürlich braucht der Neoliberalismus keine FDP. Die ist ja zu tolpatschig. Überhaupt: neoliberalismus zeichnet sich durch Rückbau des Staates aus. Seine Akteure agieren in extrastaatlichen Bahnen. Eine neoliberale Partei ist gewissermaßen ein Widerspruch. Das ist das grundlegende Problem der FDP. Ihr Erfolg verdankt sich politischen Konjunkturen und Wechselbewegungen, aber niemals ihrem Inhalt. Neoliberale Subjekte, die politische Karriere machen wollen, ihren Denkansatz in die Politik tragen wollen, haben ihre eigene Ideologie nicht verstanden. Das ist grotesk, karikaturhaft.

Anonym 27. September 2011 um 10:25  

Das ist absolut richtig. Der Neoliberalismus braucht die FDP nicht. Ich glaube sogar, in der Opposition nützt sie dem Neoliberalismus noch mehr. Denn egal, welche Farben die nächste Regierungskoalition trägt, eine oppositions FDP im Verbund mit unserer mittlerweile flächendeckenden neoliberalen- Kampagnen- Presse kann den Ausbau eines neoliberalen Staatssystems als nicht weitreichend genug postulieren und damit der einzigen Opposition der Linkspartei entgegenwirkt.

Lutz Hausstein 27. September 2011 um 12:11  

Gern ziehe ich immer wieder Vergleiche mit den Umständen in der DDR. Denn dies zeigt, wie nahe man dran ist an diesen. Daran ändert auch nichts, wenn die Befürworter des jetzigen Systems, mit beiden Händen vor den Augen, "Ich kann da nichts dergleichen sehen." schreien.

Auch damals gab es, um den Anschein der Demokratie und realer Alternativen darzustellen, neben der SED andere politische Parteien. Diese Christdemokraten (CDU), Liberaldemokraten (LDPD) und all die anderen Parteien bekannten sich jedoch genauso zum "planmäßigen Aufbau des Sozialismus in der DDR" wie die SED. Eines Sozialismus´, welcher laut Selbstdarstellung für die Menschen da sein sollte, der sie in der Praxis jedoch allzuhäufig einschränkte und bevormundete.

Diese Schein-Alternativen hatten dieselben Ziele (ja sogar mit denselben Formulierungen) wie die staatstragende Partei. Sie stellten also die Alternativen dar, ohne anders zu sein. Sie waren "erfolgreich assimiliert" , obwohl sie ein bisschen anders aussahen.

Und schaut man sich das heutige Theater an, stellt man fest, das sich eigentlich nichts geändert hat. Man propagiert eine Alternative, wo keine ist.

Anonym 27. September 2011 um 13:16  

Was oder wie auch immer ein Mensch heute in unserem Land wählt, am Ende wählt ein Mensch eine neoliberale Politik.

Darum sollten an der Urne die Stimmzettel ungültig gemacht werden, anstatt einfach nicht zur Wahl zu erscheinen. Ich glaube, daß das Nichterscheinen mehr Schaden anrichtet, als alles andere.

Anonym 27. September 2011 um 13:50  

Der Artikel liest mit Recht vielen sich als links verstehenden die Leviten. Immer wieder wurde nach "sozialdemokratischen" Wahlsiegen vom Ende der Hegemonie des Neoliberalismus schnabuliert. Eine Hegemonie setzt jedoch eine real existierende politisch-ideologische Alternative voraus. Diese war bis 1989 der Sozialismus (in all seinen Erscheinugsformen, die auch von vielen Linken, besonders was seine Existenz in Osteuropa betrifft sehr herablassend, nicht von wissenschaftlicher Geschichtsbetrachtung kündend, betrachtet wird. Dies ist aber ein anderes Thema).In den letzten zwanzig Jahren ist es den Herrschenden schrittweuse gelungen jegliches Denken außerhalb der neoliberalen Dogmen als außerhalb des Lebens stehend, weltfremd, darzustellen. Es gibt keine massenwirksame Diskussion mehr über diese Dogmen.Alle Massenmedien und -organisationen sind mehr oder weniger auf Linie. Die Linke muss aufhören sich von Namen blenden zu lassen. Die SPD ist lange nicht mehr sozialdemokratisch sondern reaktionär. Gewerkschaften, die den mit Riester/Hartz verbundenen Umsturz der Sozialverfassung der BRD tolerieren, sind keine Gewerkschaften. Ohne realistische Analyse der Zustände und Kräfteverhältnisse kann es keinen erfolgreichen Widerstand geben (mit Selbiger wahrscheinlich auch nicht mehr). Wohin der Neoliberalismus zu Ende gedacht führt, haben wir im Grunde schon erlebt: Waren die Lohnnebenkosten in den KZs der Nazis nicht herrlich konkurrenzfähig, und das obwohl die Nazis "Sozialisten" waren und den Liberalismus als Feind ansahen.
Die These vom Verschwinden der FDP teile ich übrigens nicht, ist aber auch nicht so wichtig.

Anonym 27. September 2011 um 17:53  

Anmerkung zu Anonym von 13:16 Uhr:

Eine ungültige Stimme wird nicht gewertet. Am Wahlausgang ändert sich nichts. Sinnvoller finde ich es, eine der "sonstigen Parteien" zu wählen. Dies hat den Vorteil, dass die Stimme gezählt wird und sich damit der prozentuale Anteil der etablierten Parteien reduziert. Wäre doch schön, wenn selbst eine "große Koalition" nicht mehr genug Stimmen zur Regierungsbildung erhält. Vielleicht wachen die Parteien auf und machen dann Politik im Sinn der Bürger.

Schaut dir dazu noch einmal Robertos Rubrik "De omnibus dubitandum" an, und verteilt die Nichtwähler auf sonstige Parteien.

Grüße
Klotzkopf

Anonym 27. September 2011 um 18:39  

"[...]Dasselbe Szenario gilt für die Freien Marktliberalen, die man mit dem Zeitgeist assoziert. Aber der braucht die FDP gar nicht - lassen wir uns da nicht täuschen![...]"

Vortrefflich getroffen. Es ist so, und da ärgert mich nicht einmal, dass die Linkspartei in Berlin bzw. Mecklenburg-Vorpommern in die Opposition gewählt wurde. Sogar bei denen sah ich stellenweise neoliberal-marktradikale Tendenzen.

Von den Pseudogrünen und der SPD ganz zu schweigen.

Einfach danke für die vortreffliche Analyse Roberto J. de Lapuente.

Übrigens, "Der Neoliberalismus braucht keine FDP" nein er benötigt nicht einmal Parteien - das gesellschaftliche Klima ist schon so vergiftet wie einst in der Sowjetunion zu den Hochzeiten Stalins, als jeder Stalinkritiker ein Ketzer war - egal wo der gerade gesellschaftlich tätig war.

Am Schlimmsten, und das gilt auch für den Neoliberalismus sind die Apparatischiks der Medien, und der geschichtsschreibenden Zunft auch Historiker genannt - Das sollte man bei der, berechtigten, Kritik am Neoliberalismus im Auge behalten.

Gruß
Bernie

Anton Chigurh 28. September 2011 um 00:17  

"Übrigens, "Der Neoliberalismus braucht keine FDP" nein er benötigt nicht einmal Parteien - das gesellschaftliche Klima ist schon so vergiftet wie einst in der Sowjetunion zu den Hochzeiten Stalins, als jeder Stalinkritiker ein Ketzer war - egal wo der gerade gesellschaftlich tätig war."

Bravo Bernie. Genau das ist es.
Neoliberalismus ist die derzeitige Erscheinungsform, in Deutschland (eigentlich in ganz Europa) Macht auszuüben, Macht ausüben zu DÜRFEN ! Das hat mit Parteien nichts zu tun. Die, die hier im "demokratischen Westen" gewählt werden und auf den Regierungsbänken Platz nehmen, sind diejenigen, die von der Großkonzerne Gnaden vors Rednerpult treten dürfen. Es sind die Marionetten, die der große Georg Schramm meint. Die Marionetten, die an den Fäden der wahren Entscheider hängen und uns in der Berliner (oder Pariser, Londoner, Römischer...) Puppenkiste ein wenig "Demokratie" vorspielen dürfen. Es sind nicht mehr Staaten, die den Lauf der Dinge bestimmen, diese werden ohnehin bald Geschichte sein. Es werden einige wenige Großkonzerne sein, die auch dann ganz offiziell die "Dinge regeln" - so wie sie es eigentlich jetzt schon aus den Vorstandsetagen und Bankdirektionen heraus tun.
Neoliberalismus ist die Erscheinungsform dieses Phänomens. Und es hat fleißige, dankbare Gehilfen - frage man nur mal "Käpt´n Ahab" alias "Prof." Sinn...

Anonym 28. September 2011 um 17:37  

Heute in der Berliner Zeitung...
Ein Gespräch mit (dem Kulturwissenschaftler) Joseph Vogl über die Zukunft des Kapitalismus und die Notwendigkeit einer weiteren ökonomischen Aufklärung

www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2011/0928/feuilleton/0002/index.html

Anonym 28. September 2011 um 17:46  

Zitat aus dem Interview mit Joseph Vogl in da Berliner Zeitung:

Der Kapitalismus ist ein sehr heterogenes Konglomerat von Praktiken, Institutionen, Akteuren. Ungenügend wäre aber auch die marxistische These, die behauptet, das System könnte an seinen inneren Widersprüchen zugrunde gehen. Der Kapitalismus ist ein System, das sehr effizient darin ist, Widersprüche zu verwalten, Oppositionen zu absorbieren, sich an den eigenen Krisen zu optimieren. Zudem hat dieser Kapitalismus eine wichtige Frage gelöst, er hat sich nämlich mehr und mehr von der Arbeit unabhängig gemacht. Marx hatte erwartet, die steigenden Kosten für Arbeit würden das System tatsächlich in eine Finanzierungsfalle treiben. Nichts dergleichen ist geschehen. Stattdessen ist es gelungen, den Faktor Arbeit zu minimieren - sei es durch Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen oder die Beanspruchung so genannter "Prosumer", d.h. Konsumenten, die gratis an der Produktion ihrer Konsumgüter mitarbeiten. Das Ikea-Prinzip.

...
Das Ziel kann nicht die Durchsetzung reiner Lehren sein, neoliberaler, marxistischer oder anderer. Ich würde für einen gewissen Eklektizismus im Umgang mit ökonomischen Problemen plädieren. Oder wie der amerikanische Ökonom Hyman Minsky sagte: "Es gibt keine letztgültige Lösung für das Problem der Organisation des Wirtschaftslebens."

Klarspüler 28. September 2011 um 23:45  

Sehr gut, sehr treffend formuliert, nur der Hoffnung, dass mit dem Niedergang der FDP auch der Niedergang des Neoliberalismus in all seinen Erscheinungsformen verbunden sein könnte, kann ich so nicht folgen, so wünschenswert es auch wäre.
Der Raubtierkapitalismus, als der sich die als Neoliberalismus bezeichneten Handlungsformen des ungezügelten wirtschaftens darstellt wird erst dann Geschichte werden, wenn die Reichen zu reich werden, und die Armen zu arm - und ich befürchte, dies wird ein schmerzhafter Prozess...

Anonym 29. September 2011 um 14:50  

Klarspüler, vielleicht lesen Sie nochmal den vor dem Ihren Kommentar geposteten Artikel...

Wenn Menschen den Polirikern Alternativen ins Stammbuch diktieren würden, könnte sich ja was ändern, aber das passiert eben nicht, weil keiner einen Plan hat. KEINER.

Klarspüler 29. September 2011 um 21:57  

Re@anonym
Den Artikel kenne ich, bin allerdings nicht in allen Folgerungen und Herleitungen gleicher Meinung.
Die Idee der „unsichtbaren Hand“ Adam Smith´s in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen als Quasi-Rechtfertigung für ein (gänzlich) unreguliertes wirtschaftliches Handeln muss man m.E. vor dem Hintergrund der Herrschaftsstruktur Ende des 18.Jh. sehen. Den freien Markt einem Naturgesetz zu vergleichen bedeutete eben auch, eine Autorität zu setzen, die der der damals herrschenden Feudalherren deutlich übergeordnet war.
Bereits hier ist das Fundament des neoliberalen Wirtschaftens nicht solide, wird aber immer wieder zur Rechtfertigung angeführt.
Vogl erkennt richtig, dass die Politik, Reagan, Thatcher, Blair, Schröder und andere, das bis dahin herrschende annähernde „Gestaltungsgleichgewicht“ der Nachkriegszeit zwischen den Arbeitern und den Besitzern aufhob. Das impliziert aber auch, dass der Zustand sich von der Politik wieder verändern lässt, allein der Wille fehlt bisher, selbst der Wille zur Erkenntnis, siehe SPD.
Ganz und gar nicht bin ich mit der Aussage einverstanden, dass der Neoliberalismus „höchst erfolgreich“ war, es sei den man versteht ein gelungenes Verbrechen als höchst erfolgreiche Tat an sich, was aber hier sicherlich nicht der Intention des Autors entspricht.
Jedoch bedient sich der Neoliberalismus einiger recht erfolgreicher Strategien. So führt z.B. das permanente und allgegenwärtige Ranking in allen seinen Formen dazu, das allerorten Gesetze, Bedenken und auch ethische/moralische Grundsätze geopfert werden, Subventionen gesteuert werden und vieles mehr, nur um Erster zu sein, Menschen sind für so etwas anfällig, Führungsmenschen besonders.
Der Kardinalfehler der Politik war wohl, die Spielbanken (Das sog. Investmentgeschäft) in die Realbanken (Geld-und Kreditgeschäft) zu integrieren. Hier bestand auf einmal die Möglichkeit das Monopolygeld der Spielbanken auf dem viel breiteren Fundament der Realbanken einzufordern. Erst hierdurch ist die vielbeschworene Systemrelevanz begründet worden.
Man vermutet, dass die Schattenwirtschaft der Spielbanken mindestens das 100-fache Volumen der Realwirtschaft hat. Logische Folgerung hieraus ist, dass jeder verantwortliche Politiker darauf drängen muss, die Bereiche schnellstmöglich wieder zu trennen. Wer spielen will, soll das tun können, aber ohne Ausgleichsanspruch an die, die für ihr Geld arbeiten müssen/wollen.
R.J.de Lapuente hat recht, wenn er allen Parteien den Spiegel vorhält und fragt wie viel Neoliberal in der roten, gelben grünen oder andersfarbigen Verpackung steckt. Bei den meisten Medien erübrigt sich die Frage mittlerweile, womit wir wieder beim Zeitgeist wären…!
Ob sich allerdings besonders in der FDP über voran gesagtes viele Menschen Gedanken machen, wohl eher nicht! Ich für mich glaube eher, das viele die der FDP zuneigen einen gewissen Elitestatus bei sich vermuten, viele wollen einfach „Erster“ sein und sind vielleicht deshalb für die neoliberale Ersatzreligion so empfänglich (siehe oben).

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