Es herrenmenschelte...

Montag, 28. Februar 2011

Oh wie es menschelte im Bundestag! Vorallem Sie, Herr Hans-Peter Friedrich, Bundestagsabgeordneter der Christsozialen... vorallem Sie menschelten gar sehr! Ein Zeichen könne von diesem Hause ausgehen, jodelten Sie vom Pult herab ins Mikrofon; und zwar dann, wenn der Bundestag die Entschuldigung des Herrn Doktor Guttenberg, der jetzt ja gar keiner mehr ist, annehmen würde. Dann würden die Menschen da draußen sehen, dass niemand den Kopf runtergerissen bekomme, wenn man nur die Courage habe, sich auch zu entschuldigen. Fehlte nur noch, dass Sie Plattitüden vom "reuigen Sünder" feilgeboten hätten, denn dann hätte man Ihnen wahrscheinlich auch noch einen Dr. theol. verliehen - honoris causa, versteht sich, damit Sie als theologischer Laie nicht in die Versuchung gerieten, Ihre Dissertation seitenweise abzuschreiben. Überhaupt, warum sind Sie nicht auf den naheliegenden Gedanken gekommen, des Bürgers Guttenberg Dr. jur. in einen Dr. h.c. zu verwandeln? Dann könnte er auch ohne Unterschleif den Titel weiterhin führen - und nur darauf kommt es doch letztlich an, oder nicht?

Ein Verzeihung anzunehmen, das sei mal ein Zeichen aus diesem Hause, frotzelten Sie, Herr Friedrich. Ich kannte Sie bis dato nur am Rande, verwechselte Sie hin und wieder aus einem unerfindlichen Grund mit Heribert Prantl (vielleicht lag es an der Nockerl-Frisur!), bei dem ich mich übrigens hierfür entschuldigen müsste, läse er hier mit. Ich hielt Sie für einen dieser Abgeordneten, die dem Kadergehorsam der Partei unterordnet sind - ihr Abstimmverhalten unterstreicht diese Einordnung aber auch. Sie haben stets so entschieden, wie es die Partei vorgab - sicherlich, was können Sie dafür, dass sich ihr Gewissen zufällig mit den Ansichten ihrer Parteidoktrin deckt? Nunja, aber möglich ist auch, dass ich mich getäuscht habe: vielleicht sind Sie gar kein trockener Parteiling; Ihre Intervention zugunsten der Gnade, sie hatte ja doch fast humanistische Züge, klang nach Milde, Vergebung, fast möchte ich sagen: nach Liebe. So spricht doch keiner, dessen Partei immer wieder Verunglimpfungen gegen Arbeitslose und Ausländer ausstösst - Sie sprachen, geben Sie es zu, Herr Friedrich, nicht als Abgeordneter sondern als Mensch, nicht als Christsozialer sondern als Christ...

Nun bin ich mir aber nicht ganz sicher, wie ich Sie einschätzen soll - und Sie stehen da nur exemplarisch für all jene, die nun für diesen Ritter von der traurigen Gestalt Partei ergreifen. Denn einerseits hatten Sie einstens nichts gegen Strafverschärfungen bezüglich des sogenannten Sozialmissbrauchs, andererseits zweckentfremden Sie den Bundestag und nutzen ihn als Kanzel, von der Sie Vergebung und ein weites Herz predigen. Wie läßt sich das vereinbaren? Wie ist das eigentlich, Herr Friedrich, wenn ein Langzeitarbeitsloser versehentlich nicht angibt, dass er sich Achtfuffzig erbettelt hat oder Zweifuffzig an Flaschenpfand zusätzlich zu seinem Regelsatz eingenommen hat? Manchmal war das hierzulande schon ein Fall für den Staatsanwalt - der Bedürftige habe ja nicht alle Tatsachen angegeben und damit den Sozialstaat und den Steuerzahler betrogen, las man dann. Wenn sich dieser Hochstapler am untersten Ende der bundesrepublikanischen Gesellschaft einfach entschuldigte, Herr Friedrich: sollten wir ihm nicht verzeihen und den Staatsanwalt zurückpfeifen? Sollten wir die Staatsanwälte dieses Landes nicht sogar dazu verpflichten, dass sie jedem Sünder zunächst die Möglichkeit der Entschuldigung einräumen, damit die Allgemeinheit ihnen bedingungslos verzeihen kann?

Ich befürchte, Herr Friedrich, diese Idee mundet Ihnen nicht. Chaos bräche aus, würden Sie vermutlich einwenden. Aber wissen Sie, dieses Chaos müsste man konsequent erdulden: im Namen der Menschlichkeit! Einer Menschlichkeit, die Sie ja letztens so lautstark propagiert haben, als Sie dem Herrn Ex-Doktor Guttenberg ein guter Nächster sein wollten. Einen Aristokraten zu vergeben bedeutet, dass man auch dem Pöbel vergeben muß - die elitären Zirkel sind ja gerne Vorbild und als solches gilt alles, was man dem Blaublüter angedeihen läßt, auch für diejenigen, von denen ihr Milieu behauptet, dass sie schon vormittags blau wären. Das ist ja die Konsequenz Ihrer Menschelei - wenn sie es nicht wäre, menschelten Sie ja nur für den Aristokraten und würden demnach nur dem ein Anrecht auf Menschlichkeit geben. Der Rückschluss, dass die anderen, jene am Bodensatz, unter Umständen gar keine Menschen seien, ist dann nicht mehr unbedingt ausgeschlossen. Wann nun genau, Herr Friedrich, reichen Sie einen Antrag auf Gesetzesänderung ein, in dem steht, dass jeder Langzeitarbeitslose, der sich womöglich etwas zu Schulden kommen ließ (und dieses "woooomöglich" reicht heute schon aus!), zunächst ein Recht darauf hat, dass man ihm vergibt, wenn er sich höflich entschuldigt? Das wäre doch auch mal so Zeichen, das von jenem hohen Hause ausgehen würde, nicht wahr?

Oh, wie es doch menschelte - nur, wenn nichts weiter kommt, als dieses eine Plädoyer für Herrn Guttenberg, ohne Vergebung und Milde auch für andere, für "Kleinere" gelten lassen zu wollen, dann ist es gar kein Menscheln gewesen, was da stattfand, sondern ein Herrenmenscheln. Es herrenmenschelte doch arg im Bundestag! Nichts für ungut, Herr Friedrich, seien Sie mir nicht beleidigt, weil ich Ihrer hier so von oben herab spöttelte - ich entschuldige mich natürlich und Sie werden mir verzeihen; denn das wäre ein Zeichen, das von Ihrem privaten Hause ausginge...



13 Kommentare:

Anonym 28. Februar 2011 um 12:40  

das sollte man dem mann mal schicken

Fleur 28. Februar 2011 um 14:53  

Ja, das wäre schön. Hat mir dann dochmal wieder gut gefallen.

lupe 28. Februar 2011 um 16:17  

"bei dem ich mich übrigens hierfür entschuldigen müsste"

Niemand kann sich selbst entschuldigen. Jeder kann jedoch um Entschuldigung bitten. Von der Schuld befreien können wir uns nicht selbst; das können nur die Schuldiger - in jedem Fall.

Das Sich-Entschuldigen ist eine Farce, nichts als abgedroschene Floskel, etwas, das nicht besagt und ist nicht zuletzt ein Zeichen von Arroganz.

Anonym 28. Februar 2011 um 16:38  

Zitat: Ich kannte Sie bis dato nur am Rande, verwechselte Sie hin und wieder aus einem unerfindlichen Grund mit Heribert Prantl (vielleicht lag es an der Nockerl-Frisur!), bei dem ich mich übrigens hierfür entschuldigen müsste, läse er hier mit.

Ich habe mich beim Lesen dieses Satzes halb tot gelacht und die Hose war fast nass.

Atze Schröder hat aber auch so eine verblüffend ähnliche Frisur.

Trojanerin 28. Februar 2011 um 16:45  

Herrenmenschelei
Der Beitrag ist zutreffend und entlarfend für den Angesprochenen CSU Politiker.

Wie sollte man Nachsicht mit einem Arbeitslosen, der sich einen kleinen Fehler geleistet hat üben wollen, wenn sozial schwache Menschen zu Hauf in unserem Land schikaniert und drangsaliert werden, die sich keines Fehlverhaltens schuldig gemacht haben. Die Schikane und Willkür sind Bestandteil der Praxis, wie Behörden mit Bedürftigen Menschen umgehen.
Das sich Herr Friedrich christlicher Rhetorik bemüht, finde ich abstoßend.

Anonym 28. Februar 2011 um 16:51  

Es menschelt in diesem Lande nur unter den "Leistungsträgern."

"Betrug" bei den Bedarfsgemeinschaften, da gibt es aber nichts zu entschuldigen. Da ist Vorrang für die "Anständigen" geboten:

http://www.harald-thome.de/media/files/Gesetzestexte%20SGB%20II%20+%20VO/Gesetzestexte%20SGB%20XII%20+%20VO/Seminare/Clement/Sozialmissbrauch_Bericht_BMWA.pdf

Jutta Rydzewski 28. Februar 2011 um 20:17  

@Trojanerin

"... wenn sozial schwache Menschen zu Hauf in unserem Land schikaniert und drangsaliert werden, die sich keines Fehlverhaltens schuldig gemacht haben." ...

Nur der guten "deutschen" Ordnung halber. Sie meinen sicherlich einkommensschwache Menschen. Die wirklich sozial Schwachen, wie z.B. Zumwinkel, Clement, Henkel, Baring, Heinsohn, Sarrazin usw. usw, werden in diesem Lande (leider) weder drangsaliert noch schickaniert. Ganz im Gegenteil, die machen mit ihrer eklatanten sozialen Schwäche, mit erbärmlichen Rassismus und purer Menschenverachtung, sogar noch Millionen, und erfreuen sich in gewissen Kreisen größter Beliebtheit.

mfg
Jutta Rydzewski

Anonym 28. Februar 2011 um 21:32  

Wenn morgen der Kölner Dom umfallen würde, wäre Theodor vom Tisch. Dann
bräuchte sich der Bundesverteidigungsminister nicht mehr zu verteidigen.

Trojanerin 28. Februar 2011 um 21:44  

@Jutta Rydzewski

Sie haben Recht.

Anonym 28. Februar 2011 um 23:06  

Ein kranker und sozialschwacher Haufen regiert uns in Berlin.
Ich vermute, die meissten sind Narzissten.
Schaut mal im Ostseezeitung Blog von Lupe vorbei.
Das tolle Hartz IV Gesetz, 5,00 € mehr, aber und jetzt kommts, den Behinderten werden 20% weggenommen.
Es wird unerträglich.

Jutta Rydzewski 1. März 2011 um 10:08  

@Anonym 28. Februar 2011 23:06

"Ein kranker und sozialschwacher Haufen regiert uns in Berlin.
Das tolle Hartz IV Gesetz, 5,00 mehr, aber und jetzt kommts, den Behinderten werden 20% weggenommen.
Es wird unerträglich."

Genau das ist der größte politische, mediale und gesellschaftliche Skandal im Hinblick auf dieses so genannte Hartz IV-"Reformpaket". Völlig unabhängig von den beschämenden Umständen dieser Staatsposse überhaupt, geht dieser Aspekt der "Reform", wonach erwachsene Behinderte, die bei ihren Eltern oder in einer Wohngemeinschaft leben, nur noch 80 Prozent vom Regelsatz erhalten, was einer Kürzung von etwa 70 Euro entspricht, in der Berichterstattung so gut wie völlig unter. Das muss sich mensch einmal vorstellen, da wird seit Wochen über einen betrügerischen und verlogenen Bundesminister, rauf und runter, Tag und Nacht, schwadroniert und berichtet, eine Talkshow jagt die andere, Sondersendungen, Sondersitzung und aktuelle Stunde im Bundestag, keine Nachrichtensendung mehr ohne diesen Schwindel- und Lügenbaron, die Kanzlerin in Sonderheit, aber auch Minister, Abgeordnete der Schwarz/Gelben und andere "Guttenberger", blamieren sich mit ihrer unglaublich heuchlerischen Guttenbergverteidigung bis auf die Knochen, doch über diese zwanzigprozentige Kürzung der Leistungen für Behinderte, wird so gut wie kein Wort verloren. Es gibt dazu keine Talkshow, keine Sondersendung, kein Aufschrei, nix, absolut nix. Die denkbar größte sozialpolitische Verkommenheit geht einfach mal so unter, darüber redet kein Mensch. Geht ja "nur" um Behinderte, um Menschen, die einschließlich ihrer Familienangehörigen, ohnehin vom Schicksal hart getroffen sind. Doch das juckt alles nicht. Und so etwas geschieht in einem Lande, in dem so genanntes unwertes Leben, mit einer für mich immer noch unvorstellbaren Menschenverachtung vernichtet wurde.

Und das "Hartz IV-Vermittlungsergebnis", was diese erbärmliche Kürzung beinhaltet, wird von Frau von der Leyen-haft und ihrer "sozial"demokratischen Kumpanin mit einem widerlichen Lach-Grinsen medial gefeiert, und beide säuseln ihre unvermeidliche Kinderarie herunter. In den Monaten des unwürdigen Geschachere und Gefeilsche gab es zwar in der so genannten SPD als auch in der Union zaghafte Stimmen, die eventuell doch noch über einen kleinen Rest an Anstand verfügen, mit dem Vorschlag, über die Kürzung zumindest noch einmal "nachzudenken" bzw. "zu reden"; passiert ist jedoch nix. Die zwanzigprozentige Kürzung ist weiterhin Bestandteil in diesem so genannten "Kompromiss", den ich einen schandvollen Deal nenne. Lediglich eine "Notiz" ist in diesem Deal vermerkt, wonach man die Sache "überprüfen" wolle. Wann, wie, wo, beinhaltet die "Notiz" allerdings nicht. So sieht es mittlerweile in diesem Lande aus. Es wird nicht unerträglich, es IST unerträglich. Dieser "Kompromiss" ist eine nationale Schande. Mir dreht sich der Magen um, bei so viel Verkommenheit. In diesem Fall reicht es sicher nicht, nur von sozial Schwachen in der Politik bzw. den oberen Etagen zu sprechen, wer so etwas zu verantworten hat, ist ein sozialpolitischer Schwerverbrecher bzw. eine Schwerverbrecherin.

mfg
Jutta Rydzewski

landbewohner 1. März 2011 um 10:34  

jutta
du hast noch die blogs vergessen.
auch da ist der aufschrei über einen plagiator, der sowieso schon zu einer bande von kriminellen gehört, weitaus grössser als der über einen planstabsmäsig vollzogenen zumindest "mittelschweren toschlag". anders kann hartz 4 eigtl. nicht bezeichnet werden. das wäre verniedlichung.

Anonym 5. März 2011 um 13:38  

Der 35-jährige Rapper und Radiomoderator Harris ist mit u.a. diesem Song jetzt auf Tour:

"Ich glaube manche wissen gar nicht, wie gut sie es hier haben
Ich denke mal da wo du herkommst hast du gar nichts zu sagen
Schäm dich über Deutschland so schlecht zu reden
Wenn du genau drüber nachdenkst ist es schön in Deutschland zu leben"

-> www.youtube.com/watch?v=5t71H4FE0eM

Gegenstimmen hört man praktisch keine.

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