Rassismus wegtreten?

Mittwoch, 7. Juli 2010

Say no to racism!, wurde als Slogan plötzlich vor den Bäuchen der Spieler ausgerollt. Zuvor ein Bekenntnis der Spielführer beider Mannschaften - uninspiriert vorgetragen: sind ja schließlich Fußballer, keine Dr. Kings vor dem Lincoln Memorial. Keine Macht den Drogen!, haben sie früher mal moralisiert - gebracht hat es wenig: die Macht der Drogen ist konstant. Ob sich der Rassismus per Plakat aus der Gesellschaft verabschieden läßt, anders gesagt: ob der Rassist beim Entziffern eines Posters seinem Herzen einen Ruck gibt, von seiner Passion ablässt, ist nicht nur zweifelhaft - nein, wer an sowas glaubt, der legt infantile Naivität an den Tag.

Überhaupt die Fußballwelt mit ihren schlichten Bekenntnissen. Die Verbände meinen, mit einem griffigen Motto sei ausreichend Stellung bezogen. Mein Freund ist Ausländer!, stand auch mal auf Trikots und Schildern - viele Ausländer haben auch Freunde gefunden. Alle aber sicherlich nicht. Ungestüm naiv geben sich auch die kommentierenden Reporter, die dem arg einstudierten Say no to racism! natürlich nur höchsten Respekt entgegenbringen und dem Zirkus dann auch noch die Krone aufsetzen, weil sie der multikulturellen DFB-Elf attestieren, der beste Botschafter gegen den Rassismus zu sein. Eine gut eingespielte Truppe, die Spieler mit nigerianischen, türkischen, ghanaischen, tunesischen oder polnischen Wurzeln beinhaltet, würde dem Rassismus am wirkungsvollsten entgegentreten. Dabei schimmert die Devise durch, die man derzeit immer öfter hört: wir sind weltoffen und haben nichts gegen Ausländer - wenn sie nur dazu bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und Leistung zu zeigen.

Die DFB-Elf als erfolgreicher Botschafter: und zeitgleich füttert dieses Land Zeitgenossen mit rassistischer Grundtendenz
durch. Ehemalige Senatoren und bayerische Innenminister, die ganz ungeniert von brauchbaren Einwanderern sprechen. Und man vergesse nicht jene Soziologen, die ganz offen dem Sozialrassismus huldigen, jener Spielart des Wahn also, bei dem Rassen nur indirekt gegeneinander in Stellung gebracht werden, bei dem es um die Sublimierung der Rassenspezifika geht. (Rasse ist indes ein Begriff, der mit der existierenden Menschheit nicht in Einklang zu bringen ist, weil es Menschenrassen nicht gibt. Aber es gab sie vor Jahrtausenden, damals nämlich als neben dem Homo sapiens noch der Neandertaler auf Erden jagte und sammelte - alle Menschenrassen sind also ausgestorben, nur der Homo sapiens blieb als einzige Rasse zurück.) Selbst der gemeine Fußballreporter stimmt in den rassigen Kanon mit ein, lobt den DFB, weil er viele eigentlich ausländische Spieler berufen hat, die tollen Einsatz zeigten - selektive Aussagen, die eine feinsinnige Unterstützung des Gedankengebäudes darstellen. Gleichwohl nämlich die meisten diese Spieler in Deutschland geboren wurden, gelten sie letztlich beharrlich als Ausländer - als integrierte Paradebeispiele; solche die aufzeigen, dass man es aus Ausländerkind zu etwas bringen kann, wenn man nur mitzieht.

Während es in der namentlichen "Mitte der Gesellschaft" rassisch mieft, gedämpfte Sarrazinaden mittlerweile zum guten Ton gehören, zieht man ausgerechnet den Fußball als Alibi heran. Eigentlich sei der Rassismus bereits am Abflauen, soll man an der Zusammensetzung der DFB-Mannschaft herauslesen - so wie man gegen das runde Leder tritt, so könne man auch den Rassismus wegtreten. Und außerdem sei dem Rassismus mit Plakaten beizukommen, soll obendrein suggeriert werden. Wir tun was gegen Rassismus! Wie gesagt: zwischenzeitlich der Fußball und seine Verbände allerlei Übelstände reinwaschen, gärt in der gesellschaftlichen Mitte der alte Wahn. So wie die DFB-Auswahl die Koalition gerettet zu haben scheint - Löw entblödete sich nicht, sich und seine Mannschaft im Vorfeld des Viertelfinales, als Fans der Merkel zu outen -, so bedeckt sie auch die real existierenden Rassismen des Alltags. Die Nationalelf: ein Faktotum in Sachen Verhüllen und Vergessenmachen; die Nationalelf: der Allerbarmer für Politik und niedere Instinkte...



6 Kommentare:

Inglorious Basterd 7. Juli 2010 um 09:23  

Gut, dass dieses Thema "Utilitarismus" und Rassismus in Verbindung mit der FIFA-WM endlich mal in dieser Deutlichkeit angesprochen wird. Ich habe dazu folgende e-mail an das ZDF gesandt:

Sehr geehrte Damen und Herren,
während der Eröffnungszeremonie am 03.07.2010 vor dem WM-Spiel Deutschland
gegen Argentinien verlasen die Kapitäne beider Teams eine Erklärung gegen
Rassismus. Dieses Geschehen wurde von dem Kommentator Bela Rethy mit den
Worten begleitet, die sinngemäß folgenden Inhalt hatten (ich finde weder
unter ZDF noch unter Ypoutube einen Mitschnitt): "Dieser Appell ist für
Südafrika mit seiner Vergangenheit besondern wichtig (oder: "von besonderer
Bedeutung")."

Hallo??? Hat Herr Rethy übersehen, aus welchem Land das gegnerische Team
kam? Hat die deutsche Nation keinen historisch rassistischen und aktuell neonazistischen Hintergrund?

Herr Rethy sollte beim nächsten Spiel Gelegenheit nehmen, sich zu entschuldigen und zu korrigieren.


Die Antwort des ZDF kam schnell und endete mit folgendem Statement:
"Insgesamt ist das ZDF mit den bisherigen Leistungen Béla Réthys sehr zufrieden. Sollte es, wie bei jedem Live-Reporter (auch anderer Sender) möglich, zu kleineren Fehlern und Missverständnissen gekommen sein, bitten wir dies zu entschuldigen. In jedem Fall danken wir Ihnen aber für Ihre Kritik, die dazu beiträgt, unsere Übertragungen ständig zu hinterfragen."

harry.heine@gmx.de 7. Juli 2010 um 10:00  

Hi Roberto

Sie verpaßten etwas: Der bekannte Rassismusforscher HEITMEYER-BI, auch Schlau- oder Klaumeyer genannt, beforscht seit Jahren schon den ganzdeutschen PARTYRASSISMUS besonders in seiner Enkelgeneration.

Danke, daß ich Ihr Augenmerk dadrauf lenken durfte und schön´ Tach noch

Harry

Lutz Hausstein 7. Juli 2010 um 10:00  

Es ist wie immer in dieser verlogenen und scheinheiligen Gesellschaft. Man baut ein großes Schild "Gegen Rassismus" auf, um dahinter diesen umso ungestörter betreiben zu können. Man baut an einem immer pompöseren Freiheitsbegriff, um in dessen Schatten die wirkliche Freiheit immer mehr abzubauen. Man schwadroniert von Frieden, um umso heftiger zu den Waffen zu greifen. Man proklamiert ein "Jahr gegen Armut", um diese immer noch tiefer in die Armut zu treten.

Diese Gesellschaft ist ein Hohn. Immer deutlicher zeigt sie, dass sie ausschließlich auf Schein, nicht auf Sein, aufgebaut ist.

Anonym 7. Juli 2010 um 16:23  

Hallo Roberto, ich sehe es so, dass man den archaischen, tumben, mehr auf die Menge der Hautpikmentierung gerichteten Rassismus eher den rechten Vogelscheuchen von der NPD und ähnlichen Vereinen überlässt, der soziale Rassismus, der moderne Sozialrassismus aber ganz exklusiv eine Angelegenheit vieler unserer "aufrechten Demokraten" geworden ist.
Denn dieser hat sich schon längst als ein viel wirkungsmächtigeres Mittel unserer Eliten erwiesen, diese Gesellschaft zu beherrschen, auszubeuten, in IHREM Interesse zu regieren.
Nieder mit dem Rassismus, es lebe der Sozialrassismus!.....

MfG Bakunin

Egon 8. Juli 2010 um 07:46  

In diesem Sinne war das gestrige Spiel Spanien gegen Germany das, was im Namen der Vernunft unbedingt kommen musste und auf das ich so lange gewartet hatte. Ich hatte mich schon auf aufgerissene Mäuler und fahnenschwenkende Bierdrösel eingestellt - wurde aber angenehm enttäuscht. Und da stand ich nicht ganz allein, in meiner Wohngegend wurden beim Abpfiff Raketen in die Luft gejagt.

Peinhard 8. Juli 2010 um 10:14  

In diesem Zusammenhang zumindest lesenswert:

Europäischer Rassismus oder Die inhumane Kontinuität aufklärungsideologischen Denkens

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