Zugehörig

Samstag, 13. März 2010

Unlängst, di Lorenzo hatte sich gerade mit halbseidenen Bemerkungen ins Räderwerk der Demagogie verschrauben lassen, warf sich die Frage auf, wie jemand, dessen Wurzeln in der Fremde liegen, sich derart vergessen auf die Seite der Xenophoben zu stellen getraut. Weshalb wird man zum hundertfünfzigprozentigen Deutschen, zu jemanden, der bis ins Mark angekommen sein möchte und daher, mit einem halben Pfund Übereifer und nationaltümelnden Dünkel aufgeladen, durch die Lande tingelt? Zu jemanden also, der seine Verbissenheit im Gepäck herumträgt. Ein Gepäckstück, das man jedoch niemals abstellt, wenn man hier als Mensch mit ausländischen Wurzeln anwesend sein darf.

Nun weiß ich diese Zugehörigkeitsreflexe nicht hinreichend zu erklären, unbekannt sind sie mir aber nicht. In meinem Buch schleiche ich mich mit einer Handvoll Sätze heran, deute an, dass auch ich, Jahre ist es her, in falsche Richtungen zugehörig sein wollte. Lediglich zaghaft, ein wenig schüchtern, streckte ich meine Hände aus - nicht schüchtern genug, nicht zaghaft genug, so dass ich nun allzeit ein wenig beschämt meines Lebensromans gedenken muß. Nach meines Vaters Tod, nach dem Absterben der spanischen Wurzel letztlich, fischte auch ich in trüben, in bräunlichen Brackwassern, um meinen Mangel an Zugehörigkeit durch hundertfünfzigprozentiges Engagement, durch eine radikale Sichtweise, wettzumachen. Plötzlich erschien es mir geschmackvoll, rassistisch zu vernünfteln, einem soften, ja flauschigen Rassismus zu folgen; jählings gab ich mich sozialdarwinistischen Standpunkten hin, war ich kurzzeitig ein Starker und meinte, fort mit den Schwachen. Herrlich einfach war mir die Welt, unkompliziert ließ es sich auf Sündenböcke schimpfen, die sich ihre Hörner, ihre Gegenwehr, schon lange abgestoßen hatten. Dieses dampfige Gemisch süffiger Stammtische, es schien nur einen Augenblick so, als wäre ich jemand, der mitmacht, dazugehört, zugehörig ist - leise und besonnene Trauergestalt neben lauteren, bissigeren Trauergestalten: das war ich.

Manch tristes Geschehnis in meinem Leben, es hat mich Demut gelehrt. Auch den Schatten durchflutet Licht. Fern davon, den Stammtischbruder in mir zu reanimieren, wähne ich mich heute in Sicherheit. Ohne Fehler kein Lernen, kein Zurechtfinden in der Welt. Es ist wohl eine irrationale Eigenart von Menschen mit fremden Ursprung, sich irgendwann mit ganzer Statur, zu hundertfünfzig Prozent, dem Autochthonen zu verschreiben. So wie jene Rumänen, die mein Vater gerne belächelte und zuweilen, wenn sie es besonders bunt trieben, verachtete; jene Rumänen, die voll Inbrunst erklärten, sie würden nur deutsche Wagen kaufen, um die deutsche Wirtschaft zu beflügeln; die mehr Kraut und Würstel verdrückten, als je eine bayerische Plauze vertragen würde; die brüllten und jaulten, wüster als deutsche Hooligans; die auf schmarotzende Türken und parasitäre Afrikaner spuckten, wie weiland polierte Glatzköpfe. Irgendwann, so scheint es, gelangt jeder, der ausländische Wurzeln aufweist, an seine hundertfünfzig Prozent. Manche auf ewig. Andere vorübergehend, fallen wieder davon ab, um zeit ihres Lebens eindringlich vor diesen künstlichen, fast schon krankhaften Mitläuferversuchen zu warnen.

Dann gleichen sie Nichtrauchern, die vormals paketeweise inhalierten, die ausgemergelte Kettenrauchergestelle waren, und nun das Rauchen einer Todsünde als gleichstellen; sie sind wie alkoholverdammende Abstinenzler, die früher mit ihrer Leber um die Wette soffen, um herauszufinden, wer wohl zuerst verliere: das Leben oder die Leberfunktion; sie wirken wie Zölibatäre, die einst fickten und trunken vor Geilheit ihren Unterleib hinräkelten, die jetzt aber erklären, der erregte Mensch sei schlecht.

7 Kommentare:

Die Katze aus dem Sack 13. März 2010 um 00:56  

Ist es tatsächlich wichtig zu wissen woher Jemand kommt, nur um herauszufinden, wohin Dieser dann gehört? Schiebt sich also somit selbst ins Lager der Starken, nur um nicht von Anderen fluchs ins Lager der Schwachen verschoben zu werden? Wie erbärmlich.

Dumme Bioroboter. Verhalten sich wie Babys. Machen Krach - wissen nicht was sie tun.

Lutz Hausstein 13. März 2010 um 10:32  

Danke für Dein offenenes Bekenntnis. Zeigt es doch nur, dass sehr viele Menschen erst ihren Standpunkt finden müssen, oftmals auch durch eigene Erfahrung.

Dies lässt auch mich immer wieder betont ruhig mit mir widerstrebenden Einstellungen diskutieren, mit möglichst rationalen Argumenten den teilweisen Irrsinn der Ideologie meines Gegenübers zu widerlegen.

Doch manchmal, wenn ich spüre, dass mich deren Irrsinn regelrecht umzingelt hat, von allen Seiten deren nimmermüden gleichen Strickmuster entgegengehalten werden, vermag ich auch nicht mehr an mich zu halten. Dran krame ich die grobe Keule raus, obschon im Wissen, dass dieser mit einer noch gröberen Keule begegnet werden wird.

Dies lässt mich immer wieder zum feineren Florett greifen, auch wenn ich weiß, dass diesem kurzfristig kein Erfolg verhießen ist. Dennoch bleibt nur zu hoffen, dass den logischen (und menschlichen) Argumenten auf Dauer kein Kraut gewachsen ist. Denn irgendwann werden die meisten ihre persönliche Erleuchtung erleben. So wie auch Du, Roberto.

Lutz Hausstein 13. März 2010 um 10:34  

Sorry! :-( Schreibfehler.

Statt "dran" natürlich "dann".

Anonym 13. März 2010 um 11:53  

Seit den 60er Jahren gibt es nun einmal "Gastarbeiter", die Bezeichnung ist schon ein Unding, hätte damals sicher als Unwort des Jahres Erfolg gehabt, und es war schon damals ein Irrglaube, dass alle wieder das Land verlassen würden.

So lernte ich 1998 während einer Wahlveranstaltung einen Italiener kennen, der hiergeblieben ist. Der schimpfte wie eine Rohrspatz auf die "Ausländer", die sich hier "breit machen würden". Er meinte damit die Türken. Auf meinen Einwand, er selber habe sich hier doch ebenfalls "breit" gemacht, wo denn da der Unterschied sei, meinte er nur, er habe sich eben angepasst. Ich sah keinen Sinn in einer weiteren Konfrontation.

Für mich ist das Verhalten aber einfach (vielleicht zu einfach) zu erklären.

Untergang der Titanic - Wer den Platz in einem Rettungsboot gefunden hat, hat Angst davor, das zu viele in das Boot wollen.

Da trifft auch die Redewendung zu: "Die größten Feinde der Elche waren früher selber welche".

CC-Agent 13. März 2010 um 17:43  

Es ist die Sehnsucht nach Zugehörigkeit.
Selber bin ich deutscher, als man sich das wünschen könnte. Selbst die blauen Augen und blonden Haare sind natürlich vorhanden.
Dennoch war ich stets ein Aussenseiter. Doch statt daran zu verzweifeln und die Harmonie zu suchen, habe ich mich damit angefreundet, und ich muss ehrlich gestehen: vom Rand des Pulkes aus hat man einen viel besseren, klareren Blick.

ozza elag 13. März 2010 um 19:05  

ein halber fascho war er. is er immer noch finde ich. ekelhaft!!

Anonym 14. März 2010 um 17:25  

"ein halber fascho war er. is er immer noch finde ich. ekelhaft!!"

Nix verstehen. Wer, was, wo?

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