Kind, das sich rechnet

Samstag, 27. März 2010

Still! Nicht lärmen! Der Herr Sohn büffelt. Er brütet über seinen Schulheften. Er weiß, um was es geht; ist erfüllt von Elan, durchdrungen von Wißbegier. Leise, bitte! Er arbeitet - er verdient uns etwas hinzu. Nicht stören! Unsere Haushaltskasse hängt von seiner Ungestörtheit ab. Was nützt der schönste Zimmerarrest zwecks Büffelei, wenn hernach der Trubel ausbricht? Sachte jetzt, piano jetzt! Wir brauchen das Geld dringend. Das weiß unser Dreikäsehoch auch, daher paukt er mächtig. Selbst das Abendbrot liefern wir ihm aufs Zimmer - er darf keine Zeit verlieren.

Ruhe, bitteschön! Lärm hatten wir ausreichend vor einigen Wochen. Bringt der Bengel doch das Halbjahreszeugnis nach Hause. Was für ein Zeugnis! Eine Freichheit von Zeugnis! Ein Schnitt von Drei Komma nochwas. Was für ein Gebrüll! Wir wollten ihm ja sachlich darlegen, dass das nicht ausreicht. Doch er hatte nichts anderes zu seiner Verteidigung vorzubringen, als brühwarm zu behaupten, er hätte sich bemüht. Er hätte sich sogar in Rechnen verbessert, hätte sich die Vier dort mit viel Schweiß erarbeitet. Schau den nicht an! Sicherlich, ein rhetorisch gestrickter Drittklässler - und ein viel zu selbstzufriedener Drittklässler, wie wir fanden. Ein Wort ergab weitere, fehlende Einsichtigkeit unseres Abkömmlings nährte die Wut und... wir haben uns später auch entschuldigt, aber die Ohrfeige war in jenem Moment dringlich. Nun wieder leise, wir werden zu laut, wir sollten unsere Stimmen senken.

Danach hat er pariert, zwar nicht begriffen, aber eine Weile das getan, was wir verlangten. Und er hatte endlich seine erwartungsfrohe Haltung aufgegeben - er glaubte doch wirklich, wir würden ihn loben und einen Kinobesuch springen lassen, weil er sich im ersten Halbjahr bemüht hatte. Nichts da, haben wir sofort klar Tisch gemacht, jetzt wird gelernt, Freundchen! Drei Komma irgendwas - das reicht nicht. Dann hielten wir ihm die Tageszeitung vor Augen und er mußte einen Artikel laut vorlesen: Bonus für gute Schulnoten! Mittellose Abkömmlinge können ihrer bedauerlichen Familie einen Dienst erweisen, können mitverdienen, sich nützlich machen. Wir taten ihm dar, dass diese Idee aus den Köpfen von Erfolgsmenschen stammte, dass damit auch in der Idee der Erfolg eingewoben sein muß. Wir hätten keine großen Ansprüche, wir wollten nur einen erfolgreicheren Sohn, ließen wir verlauten.

Augenblick, ich luge geschwind ins Kinderzimmer... Er lernt noch immer fleißig. Ruhig! Das war ein Kampf, bis wir ihn dort hatten. Alles hatte sich gegen uns verschworen: seine Freunde, die plötzlich zu Geburtstagsfeiern luden; die Sonne, die jetzt öfter schien; Verwandte, die mit ihm etwas unternehmen wollten. Dieses Geschrei, wenn wir ihn auf einen notwendigen Notendurchschnitt von Zwei Komma Fünf hinwiesen, wenn wir ihm deutlich machten, dass erst die Arbeit, dann das Vergnügen käme. Einsperren mußten wir ihn! Ohne Abendessen ins Bett schicken! Man muß dem Kind begreiflich machen, dass es Verantwortung trägt. Man muß es mit Anreizen wie diesem Bonus ködern, damit es für diese Gesellschaft gerüstet wird. Wir mußten hart zu uns selbst sein - wer sein Kind liebt, der züchtigt es; wer möchte, dass sein Kind sich rechnet, der kommt an Zucht nicht vorbei. Soll das Kind besser rechnen, könnte Nachhilfe dienlich sein; soll das Kind sich besser rechnen, dann ist nur ein unangenehmes Klima hilfreich.

Freundchen, haben wir irgendwann gesagt, so geht das mit uns nicht weiter. Einen Blödian als Sohn wollen wir uns nicht leisten, wir wollen die Schmach nicht erleben, dass es am Ende des Schuljahres heißt, es gäbe keinen Bonus, weil unser Kind zu dumm ist. Still! Mäßigen wir unsere Stimmen, man kann auch leise erzählen, wenn einem der Sproß schon Boni beschafft. Zäh mußten wir sein, seinen Freiheitswillen erwürgen. Er mußte endlich verstehen, dass dort, wo unsere Familie gesellschaftlich angesiedelt ist, keine idyllische Kindheit umsetzbar ist; er mußte einsehen, dass er nun alt genug ist, auch etwas für seine Familie zu leisten, wenn man es ihm schon anbietet. Wenn Jungunternehmer schon eine solche Idee zu modifizierter Kinderarbeit haben, dann sollte man sie auch dankbar aufgreifen. Diese Damen und Herren, sie haben erkannt, dass ein Verbot der Kinderarbeit in unseren Gesellschaftsschichten nur schadet, dass so ein Verbot nützliche Arbeitskraft brachliegen läßt, uns aufhält und behindert.

War das ein Theater! Er wollte es nicht verstehen, hat verdutzt dreingestarrt, als würde er die Zusammenhänge nicht erfassen. Wieder und wieder redeten wir auf ihn ein. Dankbar sollte er sein, dass man ihm die Gelegenheit gibt, sein hungriges Maul selbst zu stopfen. Wir seien gesetzestreue Leute, erklärten wir ihm, würden ihn nie zur Kinderarbeit drängen, solange sie verboten ist. Aber wenn sich da mal eine Türe öffnet, so wie im Falle der Boni, dann sollte man zugreifen. Auch wenn es ungerecht ist, weil ja nur die dummen Kinder der Leistungsbezieher belohnt würden - die dummen Kinder aus Arbeiterhäusern, die belohnt niemand - und die kindlichen Blödiane aus reichen Familien, die gehen auch leer aus, gehen auch mit leeren Taschen auf höhere Schulen. Er sollte dankbarer sein, dass man ihm diese Chance bietet, ihn anreizt, an ihn denkt, während der arme Millionärsbengel mit seiner Dummheit alleine und unbezahlt zum Abitur schreitet. Aber was sollen wir sagen! Es war umsonst, er wollte lieber spielen, sich im Antlitz seiner Drei Komma sonstwie sonnen.

Es tut einem Elternteil in der Seele weh, wenn man wahrnimmt, dass sein Kind ein Halbidiot, ein Drittklässler ohne Antrieb und Sinn für Anreize ist. Wir wollten schon aufgeben... doch dann wurde alles anders, schlechter - und weil es schlechter wurde, wurde es besser. Unser Herr Sohn wurde zunehmend appetitloser, blaßer, schwächlicher - und vorallem lustloser, verbrachte wieder mehr Zeit in seinem Zimmer. Wir sorgten uns zunächst, machten dann aus dem Dilemma eine Tugend. Da er eh viel Zeit zwischen seinen vier Wänden verbrachte, klemmten wir ihn ein Schulheft unter die antriebslose Nase. Unsere Sorge lichtete sich, wir nahmen seinen Wandel als Verantwortungsbewußtsein wahr, waren froh, dass er zu schwächlich war, um sich mit unnötigen Spielereien zu beschäftigen, nurmehr wenig Spaß daran fand, mit Freunden zu spielen. Endlich wurde er erwachsen, bevorzugte die Stille, mied die Auseinandersetzung, nickte einsichtig, wenn man ihm den Bonus schmackhaft machte.

Nur noch kurz, unser ganzer Stolz benötigt absolute Ruhe. Diese Idee, sie ist ein Segen. Die Damen und Herren, die sie entworfen haben, müssen über massenweise Menschenkenntnis verfügen. Sie wissen, wie man Kinder anspornt und Eltern von Erfolgskindern belohnt. Man muß Kindern zeigen, dass sich Arbeit lohnt; man muß ihnen demonstrieren, dass sich Kinderarbeit auszahlt, dass es auch selbst für den Unterhalt der Familie sorgen kann, wenn man ihm die Gelegenheit dazu gibt. Wenn wir heute unseren Sprößlingen beibringen, dass auch sie schon erwachsen sein müssen, ihre Kindheit durch den gesunden Druck familiärer Erwartungshaltung ersetzen sollten, dann muß es uns nicht bang werden. Was für ein erhebendes Gefühl für Kind und Eltern, wenn der belohnende Sachbearbeiter ein Geldgeschenk überreicht - dann weiß auch der Knirps schon, dass brave Mittellose manchmal ein Zuckerchen bekommen, dann weiß er, dass Arbeit ein kleines Stückchen Freiheit bedeutet...

17 Kommentare:

potemkin 27. März 2010 um 08:15  

Man konnte damit rechnen, daß es eine 'progressive' Antwort zu den rückwärtsgewandten Thesen von Professor Heinsohn und Ex-Senator Sarrazin geben würde. Gebären? Ja doch, aber mit Drill!

Anonym 27. März 2010 um 11:14  

Sehr schön und kaum übertrieben. Manchmal denke ich, dass viele Eltern ihre Kinder hassen... Aber wie könnte es anders sein, als dass Opfer ihre Nachkommen zu Opfern erziehen!

Interessanter Artikel http://tiny.cc/el03z

Anonym 27. März 2010 um 13:46  

Na besser als das diese Kinder auf Bohnhöfen herumlungern oder zu den Tafeln gehen (O-Ton Leyen). Man weiss ja wem bisland das "Rumlungern auf Bahnhöfen" vergeworfen wurde... Strichern und Drogenabhängigen. Nun sind auch die Hartz-Kinder gedanklich ein Teil dieser Klintel geworden. Zu gut das Leyen nicht gesagt hat das die Hartz-Kinder auch generell auf den Strich gehen.

Zoran

Anonym 27. März 2010 um 16:00  

Nachtrag
"Die Berliner wünschen sich in der Integrationspolitik finanzielle Sanktionen gegen integrationsunwillige Migranten. Im Berlin-Trend sprachen sich 80 Prozent der Befragten dafür aus, Migranten, die ihre Pflichten wie etwa die Teilnahme an Sprachkursen nicht erfüllen, Sozialleistungen zu streichen.

Entsprechende Forderungen sind zuletzt von SPD-Politikern wie Heinz Buschkowsky und Thilo Sarrazin erhoben worden. Quer durch alle politischen Lager halten es die Wähler für richtig, als letztes Druckmittel gegen Kooperationsverweigerer auch Transferzahlungen zurückzuhalten. Selbst unter den Wählern der Grünen teilen zwei Drittel der Befragten diese Meinung, die Anhänger der anderen Parteien sind jeweils zu 80 Prozent und mehr dafür."
Hab ich gerade gefunden.

http://www.morgenpost.de/printarchiv/titelseite/article1282058/Integration-Berliner-fuer-Sanktionen.html

Es soll ja nicht nur Zuckerbrot in Form von Boni geben, sondern auch die Peitsche der Sanktionen. Hilfe oder Unterstützung für diese Familien sind nicht gefragt, sondern Sanktionen. 80% sind dafür. Was denn wird, wenn das Geld gänzlich gestrichen wird, das scheint sich keiner der Befürworter zu fragen.

Kassandra 27. März 2010 um 16:04  

Das Kindsein, das Menschsein von kindesbeinen an ausgetrieben - nicht nur bei diesen Kindern, sondern auch bei den meisten anderen.

Habhaft werden der Seelen: Kinderkrippe, Kindergarten, Schule, Ganztagsschule, Nachhilfe, Internat, Kirchenunterricht in Schule, Konfirmations-/Kommunionsunterricht, usw..
Habhaft werden auch der Seelen, die auszubüchsen drohen, z. B. über Hartz-IV, Privatunterricht.

Standardisierung, Zertifizierung, um gleich zu sein und Einzigartigkeit und Orginalität bei den verbliebenen Menschen zu stigmatisieren.

Die, die als hyperaktiv gelten, scheinen sich noch einen letzten Rest von eigenem Empfinden bewahrt zu haben, wissen aber nicht wohin damit und werden's über die ausufernde Bewegung los. Denen gibt man dann Medikamente, stellt sie ruhig, damit sie wieder ins Raster passen.

Leistung statt Wachstum. Einheitsbrei. Austauschbarkeit. Human-Resourcen.

Und kaum einer erkennt's, weil fast alle da durch sind.
Und alle hatten eine glückliche Kindheit. "Das hat mir nicht geschadet, den anderen ging es ja genauso, und sie atmen und laufen ja auch immer noch, sehen aus wie ich, verhalten sich NORMal ...!"

landbewohner 27. März 2010 um 18:05  

traurigerweise bedarf es noch nicht einmal der 250€boni, da ja heute schon jeder 1.klässler lernt, daß er auf den notendurchschnitt von 0,8 hinzuarbeiten hat und jede ordentliche familie dafür sorgt, daß der nachwuchs schon im lindergarten englisch und chinesisch lernt.
irgendein kluger mensch hatte schon in den 70 ern festgestellt, daß 4 jahre schule 50% der natürlichen intelligenz eines kindes vernichten.
wie blöd müssen dann diese hochleistungskinder dann erst als erwachsene werden? schon jetzt graust es mir beim betrachten meiner "mitmenschen".

Stefan 27. März 2010 um 22:13  

Alternatives Ende:
Endlich wurde er erwachsen, bevorzugte die Stille, mied die Auseinandersetzung,
nickte einsichtig, wenn man ihm den Bonus schmackhaft machte.
...
Nachdem der Bub hundert Auseinandersetzungen umschiffte, hundert mal genickt hatte, fast den ersten Bonus heimbrachte, am einhundertersten Tag, da lag der Bub nicht mehr im Bett, dies war leer. Der Bub lag bei offenem Fenster auf der Straße, sechs Etagen tiefer. Und das einzige was schmerzt, ist der nicht gezahlte Bonus.

Anonym 28. März 2010 um 05:20  

@ Stefan,

oder er ist als Erwachsener einer der zunächst alles schluckt und in sich hineinfrißt. Bei entsprechender Arbeitshetze landet er dann in der Psychiatrie mit einer Depression oder Psychose.

Gruß
Bernd

Kassandra 28. März 2010 um 12:20  

@ Stefan:
Die, die nicht springen, gieren später z. B. im Beruf nach Prämien, Boni und Ehrungen/ Preisen, weil sie es nicht mehr anders kennen/ können und vor sich und anderen über "Erfolg" ihre "glückliche" Kindheit im Nachhinein rechtfertigen wollen. Andernfalls, so ihre unbewusste Angst, würden sie zusammenbrechen und womöglich damit dann zu der Gruppe der Depressiven (siehe Bernd) gehören ... und sterblich sein. Und sterben tut ja heutzutage niemand mehr.Sterblich sind ja nur die anderen.


@ Bernd:

Die Empfindsamsten (nicht Empfindlichsten!) und damit Menschlichsten landen in der Depression oder Psychose. Sie trauen sich nicht, ihr Empfinden zu spüren oder gar, es zu artikulieren. Denn dann würde sich ihr Umfeld verändern (Berufswahl, Partnerschaft, Verlust von manchen "Freunden" oder Familienzugehörigkeit, usw.). Und das traut sich nicht jeder (zu).

Die anderen, die auf Grund ihrer Erziehung und Sozialisation als NORMal gelten, obwohl sie einer Neurose ("Normopathie") unterliegen, schlucken ZUNÄCHST auch alles herunter, kompensieren via Prämien ... und betreiben dann aktive Arbeitshetze und Mobbing/ Bossing - nämlich dann, wenn der Dampf im Kessel zu hoch wird.
Sie sind zu 100 Prozent angsterfüllt, behaupten von sich aber, keine Angst zu kennen, weil sie den Zustand von (temporärer) Angstfreiheit wohl nie kennengelernt haben und das für normal halten. Ja, es wird wohl immer norm-aler.

Die zwei Seiten einer Medaille!

Haben "wir" nur noch die Wahl zwischen Neurose und Depression/ Psychose?

G. G. 28. März 2010 um 13:05  

Erinnert ihr euch noch an Sebastian B.?

Zitat:

Unverständlich ist, warum nicht nur die Videos, sondern auch der Abschiedsbrief des Amokläufers schnell aus dem Web beseitigt wurde. Es ist ein Dokument, das die Motive und die Verzweiflung des 18-Jährigen deutlichen werden lässt, vor allem auch, dass es nicht wirklich um Killerspiele geht, wie manche Politiker dies meinen ("Ich hasse es, überflüssig zu sein"). Der Brief schildert sicherlich die Erfahrungen eines Jugendlichen, wie sie nicht nur er macht. Er zeigt die gesellschaftlichen Hintergründe und Zwänge, an denen manche Jugendliche – nicht unbedingt die Schlechtesten – verzweifeln, weil sie keinen aufrechten Ausgang aus der Situation finden und ihnen nirgendwo einer angeboten wird. Damit in der Diskussion nicht nur die reißerischen Themen und Aspekte, sondern auch die Überlegungen und die Befindlichkeit des Jugendlichen berücksichtigt werden können, der sich zu Mord und Selbstmord entschlossen hat, haben wir den Abschiedsbrief veröffentlicht. Mit solchen verzweifelten Taten von Menschen, die überflüssig sind oder sich als solche fühlen, werden wir vermutlich nicht das letzte Mal zu tun haben. Anstatt selbst argumentativ und erklärend loszuschießen, sollte man auch einmal kurz zuhören. – Florian Rötzer

Der Abschiedsbrief: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24032/1.html

Stefan 28. März 2010 um 13:19  

Wenn unser aller Bub dann doch nicht gesprungen ist, so möge man sich fragen warum:
Aus Angst vor der Höhe: Er mag dann in seinem späteren Leben in der Tat sich für den neurotischen oder den depressiven 'entscheiden' (Anführungszeichen, weil ein freier Wille bei Erkrankungen nicht zählt!)
Aus Angst, den Eltern Schmerz zuzuführen, die wollen ja nur mein Bestes: Das kann m.E. auch nur zu obigen, bösen Erkrankungen führen
Aus Freude auf die Rache: Gnade allen, die dem Bub Schmerz zugefügt haben!
Aus Freude am Leben in der Hoffnung, es wird schon schöner: Der Königsweg, wenn dann doch die Enttäschung kommt, möchte ich jedoch nicht in der Nähe sein...

Wo bleibt eigentlich die Revolution?

Anonym 28. März 2010 um 13:23  

Hab noch was schönes zum Thema gefuneden. Dieser Artikel (aus einem berliner Wochenblatt)ist mir zufällig in die Hände gefallen, als vor ein paar Minuten die Zeitung wegwerfen wollte. Schön, in diesem Fall, dass es auch die Oniline-Ausgabe dieses Blattes gibt.Ich fand, der Artikel passt gut in die Diskussion.
Zoran

"Vorübergehende Störung

Eltern machen sich leicht
Sorgen, wenn ihr Kind dauernd
blinzelt oder sich räuspert.
Doch solche Tics sind
nicht unnormal oder gefährlich.
Bis zu 20 Prozent der
Kinder in der Grundschule
haben laut Prof. Veit Rößner
von der Uniklinik Dresden
vorübergehende Tics.
Die meisten Tics hören innerhalb
von maximal einem Jahr
wieder auf. Manche aber werden
chronisch und müssen (((medikametös?))) behandelt
werden. Durch eine
Therapie können die Störungen
zwar nicht geheilt, aber zumindest
kontrolliert werden. „Tics
sind kurze Muskelzuckungen,
die sich unrhythmisch wiederholen“,
erklärt Rößner.
Jeder kann einen Tic bekommen.
Betroffen sind vor allem
Kinder und Jugendliche. Nach
der Grundschulzeit geht der
Anteil auf etwa drei bis vier
Prozent zurück. Patienten, die
ihre Tics länger als ein Jahr
haben, gelten als chronisch
krank. Bei ihnen wandern die
Tics vom Gesicht dann auch zu
den Gliedmaßen, meist zucken
gleich mehrere Muskeln. Manche
Patienten entwickeln eine Vorahnung, wann der Tic
kommt – vergleichbar mit dem
Gefühl, bevor man niest. Das
Kribbeln oder die innere Unruhe
lässt sich für ein Wahrnehmungstraining
nutzen. So lernen
Patienten, den bevorstehenden
Tic willentlich zu unterdrücken.
Einem Kind den Tic zu
verbieten, ist keine gute Idee.
Es kann das Kind zusätzlich
stressen und so die Störung verstärken.
Selbst Lob für „ticfreie
Zeiten“ kann kontraproduktiv
sein. Am besten verhalten sich
Eltern und Lehrer ganz normal,
als seien die Tics nichts Besonderes. (((Anmerkung von mir: Bloß keiner soll nach den möglichen psychischen Ursachen fragen, ob sich zB. das Kind überfordert, überlastet, ungeliebt, verängstigt etc fühlt)))

Selbstbewusstsein trainieren [sic!]

Oft werden Menschen mit
Tics aber ausgelacht oder verspottet.
In einer Verhaltenstherapie
werden Strategien entwickelt,
damit sich Betroffene in
solchen Situationen selbstbewusst
zu verhalten. Jürgen
Wild vom Berufsverband Deutscher
Psychologinnen und Psychologen
in Berlin rät, sich einfach
zu denken: „Ich habe einen
Tic, na und?“ Die Betroffenen
können ihre Zuckungen ja
nicht steuern, also können sie
nichts dafür. Eltern sollten aber
die Lehrer ihres Kindes so früh
wie möglich über die Störung
informieren."

Juergen 28. März 2010 um 19:42  

Wenn esin Kind auf die Welt kommt, ist es "fertig gemacht". Später dann wird es "fertiggemacht".

fletcher2 28. März 2010 um 21:32  

Kinder-Geld

Muß ich mir künftig die Frage stellen: Soll ich sieben lange Jahre meine Zuneigung oder gar meine Liebe gewähren? Wird es sich für mich lohnen, ein Balg zu hegen und zu pflegen? Wird meine Fürsorge finanzielle Früchte tragen?

Am Ende stehe ich wohl da mit nichts als Kosten - in materieller Hinsicht und schlimmer noch - mit ausgeweideten Gefühlen elterlicher Zuwendung. Man müßte, damit sich Kinder künftig rechnen, die Möglichkeit einer Zwangsabschiebung in staatliche Fürsorge ins Auge fassen.

Doch wie es aussieht, werden am Ende die Eltern die Last mit ihrem versagenden Nachwuchs alleine tragen müssen. Kosten, nichts als Kosten. Liebe und Zuneigung - in Zukunft nur noch auf Kredit?!

(Zynismus, Ironie - und - unendliche Traurigkeit und hilflose Wut)

pillo 28. März 2010 um 23:41  

Wenn ein Mensch erscheint, stürzt sich die Welt auf ihn und bricht ihm das Rückgrat. Immer sind zu viele morsche Säulen stehen geblieben, zuviel verfaulte Menschheit, als das ein Mensch aufblühen könnte. Der Überbau ist eine Lüge und das Fundament eine riesige, zitternde Angst.

Wenn in Abständen von Jahrhunderten ein Mensch mit einem verzweifelten, hungrigen Blick in den Augen auftritt, ein Mensch, der die ganze Welt umwälzen würde, um ein neues Geschlecht zu schaffen, wird die Liebe, die er in die Welt mitbringt, in Bitterkeit verwandelt und er wird zur Geisel.

(Henry Miller)

Anonym 30. März 2010 um 02:37  

Lesenswert, die Links im Kommentarbereich.

Ein bedrückender Abschiedsbrief, der uns allen den Spiegel vorhält.

Die neoliberale Religion ist bei großen Teilen der Bevölkerung angekommen.

Die Television hat ganze Arbeit geleistet und die Menschen gleichgeschaltet.

http://www.brucelevine.net/

Eine Sozialisation erfolgt nicht im menschengemäßen Miteinander, sondern im menschenwidrigen Gegeneinander, verniedlichend auch Wettbewerb genannt und mit Boni versüßt (Vorsicht! Zucker schadet den Zähnen.).

Yadgar 18. Februar 2016 um 20:33  

...und wenn das schöne Teil, in das man doch soviel investiert hat, nichts taugt: ab in den Schredder damit, dann kann sich der Kadaver immerhin noch als Rohstoff für Humanprotein-Kraftnahrung nützlich machen, während wir uns ein neues Kind klonen lassen! Was tut man nicht alles für den STANDORT DEUTSCHLAND...

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