Nomen non est omen

Mittwoch, 26. August 2009

Heute: "Jobcenter"
"Die Zusammenarbeit von Stadt und Arbeitsagentur in der Arbeitsgemeinschaft Jobcenter, kurz ARGE genannt, funktioniert. Sie funktioniert so gut, dass es gelungen ist, die Arbeitslosenquote bei den unter 25-Jährigen auf 3,6 Prozent zu drücken."
- Mitteilung von Stadtrat Joachim Horner aus der Gemeinderatsfraktion der SPD Mannheim vom 9. Februar 2009 -
Die Bezeichnungen des sogenannten "Jobcenters", der "Arbeitsgemeinschaft" (ARGE) oder auch der "Agentur für Arbeit" sind klassische Euphemismen. Das zu deutsch "Zentrum für Arbeit" suggeriert eine Institution, in der es Lohnarbeit zu verteilen gäbe. Quasi ein Hort der Arbeit für Arbeitssuchende. In Wahrheit wird Arbeitslosigkeit, werden die Arbeitslosen verwaltet, schikaniert und herumgestoßen. Das gleiche gilt für die "Agentur für Arbeit". Dieses Marketing-BWL-Neusprech soll dem Arbeitslosen klar machen, dass dort vermittelt und nicht verwaltet wird.

Mit dieser Bezeichnung soll den Arbeitslosen suggeriert werden, dass es ja genügend Lohnarbeit zu verteilen gäbe. Es liegt also nicht an mangelnden Arbeitsplätzen, sondern an der Qualifizierung des Arbeitssuchenden. Und hier beginnt das Jobcenter seine Legitimierung für sämtliche (Repressions-)Maßnahmen zu begründen. Der "Kunde" müsse mehr Eigenverantwortung zeigen, Schulabschlüsse nachmachen, Bewerbungstrainingskurse absolvieren, Ein-Euro-Jobs machen und sich sowieso weiterbilden, was das Zeug hält. Natürlich wird er dazu nicht gezwungen, sondern "eingeladen". Dann hat er vielleicht eines Tages die Chance einen der so vielen Jobs – welche die ARGE, das Jobcenter und die Agentur für Arbeit für alle bereit halten – zu bekommen.

Grundsätzlich muss natürlich betont werden, dass "Jobs" heutzutage schon lange keine sozialversicherungspflichtige Vollbeschäftigung mehr bedeuten. Alles wird als Job definiert, solange der Arbeitslose nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auftaucht. Ob Ein-Euro-Jobs, Leiharbeit, Aufstocker, Mini-Jobs, Praktika oder Maßnahmen. Beschäftigung im Sinne von "beschäftigt sein" ist alles.

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

9 Kommentare:

klaus baum 26. August 2009 um 14:33  

die formulierung "zu drücken" gefällt mir am besten.

Anonym 26. August 2009 um 15:33  

@Epikur

Fast alles müßte es heißen, denn "sittenwidrige Jobs" (z.B. Prostitution, Killerbrigade etc.) dürfen weder von Jobcentern noch von Arbeitsagenturen angeboten werden.

Wir wollen doch nicht, dass diese Einrichtungen zu Zweigstellen der Mafia verkommen? Oder?

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Stefanie 26. August 2009 um 16:02  

Heute ist mir wieder die Unsinnigkeit dieser "Anstalt" vor Augen geführt worden. Leider muß ich für meine Familie für zwei Monate Hartz IV beantragen (Überbrückung zwischen zwei Beschäftigungsverhältnissen). So waren wir auch heute da und was hat man uns mitgeteilt? Meine 15-jährige Tochter (noch ein Jahr schulpflichtig) muß zum Arbeitsamt um dort über ihre berufliche Situation zu sprechen. Natürlich morgens um 9 Uhr während der Schulzeit. Ich dachte, man hätte mir das falsche Drehbuch ausgehändigt, aber nein.

Siegfried 26. August 2009 um 17:45  

Noch schlimmer ist die Bezeichnung meiner "ARGE", "Mittelmärkische Arbeitsgemeinschaft zur Integration in Arbeit", kurz MAIA.
Die haben dort absolut keine Arbeit, alles Spinner, Lügner, Diletanten.
Im neuen Jobportal des Arbeitsamtes sind 400 000 offene Stellen registriert.
Auf der Suche zwecks Bewerbung bemerkte ich, das hinter meist 4-5 Angeboten der gleiche Job wartet. Was soll das?
Die angebl. offenen Stellen wären eh nur 5 Prozent der Benötigten und dann noch jede Menge Fakes und wahrscheinlich genauso viele Karteileichen, Stellen die längst vergeben sind.
Diese Ämter mit über 120 000 Mitarbeiter gehören einfach abgeschafft und sofort auf Hartz IV gesetzt, wegen ihrer ständigen Diskriminierungen ihrer "Opfer".

G. G. 26. August 2009 um 20:37  

Bei den ARGEn liegt einiges im Argen. ;)

Anonym 26. August 2009 um 23:19  

Was ich eigentlich extrem schockierend finde ist, dass die Hartz IV-Gesetze von vielen Lehrern und Schülern an meiner Schule (Gymnasium, Klasse 12) als positiv angesehen werden. Noch schlimmer ist eigentlich, dass im Sozialkundeunterricht nicht vor Augen geführt wird was dort mit Menschen geschieht, sondern das auf unterstem BILD-Niveau aufgezeigt wird, dass Arbeitslose nichts arbeiten wollen und dazu noch die Allgemeinheit bestehlen würde. Wenn das alles von irgendwelchen Schülern kommen würde, wäre das vielleicht noch ertragbar, der Punkt an dem es wirklich eklig wird ist da erreicht wenn die Lehrkraft/Leerkraft anfängt zuzustimmen und Schüler die etwas erwidern durch einen Satz wie "Das stimmt so nicht" oder "Die Statistiken sagen was anderes" einfach mundtot gemacht werden.

Anonym 27. August 2009 um 00:17  

Was mich sehr wurmt, ist die Vielfachauschreibung und höchstwarscheinlich auch die mehrfachzählung von Stellen, die von Zeitarbeitsfirmen ausgeschrieben werden, welche identisch sind.

Beispiel:

Bewirbt man sich in einer Region, sucht Stellen, dann konkurrieren viele der Zeitarbeitsfirmen miteinander um die Bewerber beim Ausschreiber vorstellen zu dürfen. Das fördert dann vielfach Bewerbungstätigkeit auf dieselbe Stelle mehrfach, vor allem weil die Haltung der Zeitarbeitsfirmen darauf hinausläuft, das alle Informationen erst dann an den Bewerber vermittelt werden, wenn man die Sache im Sack hat. Als Bewerber weiß man gar nicht genau, um was für eine Firma es gerade geht.

Auch kenne ich eine Firma, die durch asoziale Geschäftspraktik und einen sehr sehr extreme MAFluktuation auffällt, selbst unter Call Centern!
Es kann doch nicht sein, daß sich solche Firmen als "Qualitäts Call Center" anpreisen dürfen, mit 40 Jobs werben und in Wirklichkeit eigentlich keine Stellen anbieten, sondern nur befristete Jobgelegenheiten, bei denen selbst mit guten Abschlüssen kaum 700 Euro verdient werden bei Outbound in Vollzeit! Das an einer "Leistungsorientierten" Entlohnung, die auf einem Staffelsystem basiert liegt.

Ein Beispiel von vielen.

Aber die Frage der Vielfachausschreibung und -zählung bei der stolzen Preisgabe der vermeintlich offenen Stellen würde mich wirklich interessieren.

Frank Benedikt 27. August 2009 um 15:15  

"Eigenverantwortung" ist ein hübsches Stichwort. Die braucht es in der Tat, allerdings auch in ganz anderer Form. Leider gibt die Otto Normalbürger regelmäßig alle 4 Jahre in der Wahlkabine ab, statt sich zu emanzipieren und politische Partizipation einzufordern.
Irgendwie sind wir seit den Tagen von Dutschke und der APO nicht recht weitergekommen :-(
Wenn ich noch daran zurückdenke, wie wir einst mit geballter Faust in der Pause über den Schulhof liefen und "Ho-Ho-Ho Chi Minh" skandierten ...

Charlie 27. August 2009 um 15:23  

Gestern abend in der ARD: In der unsäglichen Sendung "Hart aber fair" kam eine so genannte "Hartz-IV-Aufstockerin" zu Wort und erzählte ihre Geschichte (Tochter macht Ferienjob, um sich einen E-Bass kaufen zu können, die ARGE rechnet das als "Einkommen" an und zieht das Geld vom Regelsatz wieder ab). Zu guter Letzt sagte sie sinngemäß, sie fände die Hartz-Gesetze eigentlich in Ordnung - in vielen anderen Ländern sei man sozial nicht so abgesichert wie in Deutschland.

War das eine bezahlte Schauspielerin - oder gibt es tatsächlich so dumme Menschen in diesem Land, die es auch dann noch nicht merken, dass sie niedergetreten werden, wenn sie schon am Boden liegen??

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