Nomen non est omen

Mittwoch, 1. Juli 2009

Heute: "Krankheit"

"Es geht nicht, dass sich jeder bei Kopfschmerzen drei Tage krank schreiben lassen kann. Die ersten drei Krankheitstage sollten auf den Urlaub angerechnet oder nicht mehr bezahlt werden."
- Klaus-Peter Meinzer, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Mittelstands – und Wirtschaftsvereinigung bei netdoktor.de am 13. Juni 2006 -

"Angestellten, die ihren Chefs bereitwillig Wehwehchen schildern, drohen negative Konsequenzen. Kranke sollten daher nicht nur das Bett, sondern auch ihre Zunge hüten."
- Meldung im Focus vom 7. April 2009 -
Die Krankheit wird gemeinhin als eine unerwünschte Einschränkung bzw. Benachteiligung des Menschen gesehen. Sie wird als eine negative Zustandsform betrachtet, welche die eigenen Fähigkeiten beeinträchtigt. Das nicht Vorhandensein von Harmonie und Glück wird als Krankheit definiert. Im marktradikalen Deutschland wird die Krankheit sprachlich und ideologisch auf eine fehlende Funktion reduziert, da der Lohnarbeiter nicht mehr ganz (oder eben nur teilweise) fähig ist, einer bezahlten Arbeit nachzugehen.

Ursache, Symptom und Auswirkungen der individuellen Krankheit interessieren die wenigsten Arbeitgeber. Der Mensch soll funktionieren. Dabei muss die Krankheit nicht zwingend etwas negatives sein. Sie kann uns Dinge bewusst werden lassen, die wir im Alltag verdrängen oder nicht wahrhaben wollen. Im Sinne einer ganzheitlichen Einheit und Polarität des Menschen, ist die Krankheit ein ebenso wichtiger Bestandteil des Lebens wie die Gesundheit. Die Krankheit als Phänomen zu verdrängen, gleicht der weitverbreiteten Angst vor dem Tod. Eine Krankheit nur als eine "Fehlfunktion" des Menschen zu betrachten, macht ihn zu einem Ding und verkennt die Krankheit als ein ganzheitliches Phänomen des Menschen.

Krankheit in Deutschland bedeutet: in der Arbeitswelt nicht-zu-funktionieren. So werden bisweilen auch schwangere, körperlich oder geistig beeinträchtigte Menschen oder Rentner als "krank" angesehen. Das gleiche gilt für Oppositionelle, Weltenbummler und Unangepasste. Wer sich dem Verwurstungsapparat nicht fügt, wird als abnormal, als "krank" angesehen. Dabei macht die kapitalistische Zwangsgesellschaft, in dem jeder dem Geld, dem sozialen Status und der Macht – ohne Rücksicht auf seine Mitmenschen und vor allem auf sich selbst – hinterher jagt, die Menschen schleichend kaputt, macht sie wirklich krank. Denn nur wer ohne Zwang lebt, kann auch wahrhaftig gesund sein.

Dies ist ein Gastbeitrag von
Markus Vollack aka Epikur.

3 Kommentare:

Alexander Tetzlaf 1. Juli 2009 um 11:22  

Das Problem ist systemisch.

Warum sollten in einem kranken Gesellschaftsmodell:

Rendite/Gewinne/Gier/Umsatz/Absatz/Geld/Gold/Aktien/Autos/Mammon

vs

Natur/Gleichgewicht/Kinder/Alter/Leben/Freude/Menschlichkeit

nicht auch die Menschen krank werden?

Peinhard 2. Juli 2009 um 13:35  

Richtig. Es ist im Gegenteil sogar meistens ein Zeichen grundsätzlicher geistiger Gesundheit, in dieser Gesellschaft psychische bzw psychosomatische Symptome zu entwickeln... :(

Und selbst bei denen, die sich 'ganz selbstverständlich' vorwiegend als 'Ware' begreifen - also 'gut gelernt' haben - sucht sich der verdrängte 'Rest-Mensch' irgendwie und irgendwo einen Ausgang... und das kann dann auch schon mal ein Amoklauf sein.

otti 3. Juli 2009 um 17:18  

Wenn neoliberale Wucherungen metastasieren ...
Aber ein solcher Krebs wird uns als Fortschritt verkauft.

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP