Deutschlands Obama

Dienstag, 3. Februar 2009

Türkisch- oder Russischstämmige sollten sich sputen, denn noch könnten sie vom sogenannten "Obama-Effekt" profitieren. So wie Lale Akgün, die früher oder später als Bundespräsidentin kandidieren will - und dies nicht, weil sie sich als passende Person für dieses Amt wähnt, sondern weil sie türkische Wurzeln hat. Das alleine soll ausreichen, um gewählt zu werden; der von ihr zur Schau getragene Wert ist ihre türkische Herkunft. Politische Anschauungen, eine moralische Einwandfreiheit, die das Amt des Bundespräsidenten bekleiden sollte, scheinen keinerlei Prämissen mehr zu sein, was nach Herzog und Köhler freilich auch nicht verwunderlich ist. Doch wirft es dennoch ein bezeichnendes Bild auf die Politik.

Jeder, der auch nur rudimentäres Wissen zur US-Politik besitzt, dem muß bei der Drohung mit dem "Obama-Effekt" Angst und Bange werden. Nicht weil eine türkischstämmige Bundespräsidentin unerträglich wäre; eher weil es einen weiteren Schritt zur Veroberflächlichung des politischen Alltags darstellt. Politische Inhalte kümmern uns hierzulande sowieso immer weniger, aber wenn wir jetzt auch noch herangehen, das Mandat bestimmter Herrschaften an deren Herkunft, an deren sexuelle Neigung oder an deren Geschlecht festzumachen, dann entpolitisieren wir die Politik vollends. Alles verläuft dann nach dem gleichen eindimensionalen Blickwinkel, mit dem die US-Gesellschaft neuerdings Dinge bewertet. Denn wenn ein Schwarzer Präsident ist, kann es ja keinen Rassismus mehr geben - für deutsche Verhältnisse könnte es dann heißen: Wenn Akgün erstmal Bundespräsidentin ist, dann kann Kochs Wahlkampf-Rassismus von 2008 - sofern er diesen eines Tages wieder reaktiviert - kein Rassismus mehr sein. Denn in einem Land mit türkischstämmiger Bundespräsidentin...

Die Stimmen mehren sich, wonach Deutschland einen Obama bräuchte. Jemanden, der nicht aus den üblichen Gefilden Machthungriger hervorpirscht, sondern aus einer gesellschaftlichen Nische auftaucht - aus der Obama gar nicht kommt -, um die Gesellschaft als Ganzes mitzuziehen. Dabei wird vergessen, dass dieses Land "seinen Obama" schon erleben durfte. Wer hätte denn noch vor einigen Jahren geglaubt, dass eine ehemals staatstreue DDR-Bürgerin zu bundesrepublikanischen Amt und Würden geraten würde? Wer hätte denn überhaupt gedacht, dass eine Frau den Kanzlerposten einnehmen würde? Ein doppeltes Obama-Szenario beinahe - ostdeutsch und Frau! Und gehen wir noch weiter: Die betreffende Dame stammt aus einer der ärmsten Gegenden Deutschlands - das könnte man beinahe als "Obama-Triple" bezeichnen! Und was hat es bewirkt?

Die Situation der Ostdeutschen hat sich in keinster Weise verbessert, die Arbeitslosigkeit grassiert wie eh und je. Frauen arbeiten immer noch für weniger Geld als Männer. Und die Uckermark blüht lediglich im Frühling, wirtschaftlich nicht. Damals hat man Merkels Wahl als einen kleinen Markstein am bundesdeutschen Himmel bewertet, aber geändert hat sich kaum etwas. Denn Politik läßt sich nicht mit Oberflächlichkeiten erzwingen; sie muß inhaltsvoll sein, was sie bei Merkel nie war. Wenn demnach Stimmen aus der Politik eine Obama-Mentalität fordern, die einerseits "Randgruppen" in ein Mandat drücken sollen, die dann auch noch dümmliche "Yes, we can"-Parolen plärren sollen, dann darf man das getrost als Drohung verstehen. Hier wird nämlich wahrer, wirklicher, offen praktizierter Populismus gefordert - ein Populismus, dem man inhaltsvolleren Politikern der BRD nachsagt (Lafontaine oder Gysi) -, eine Aushöhlung des letzten Restes politischer Kultur zugunsten eines Personenkultes, der sich nicht einmal an der Person selbst, wohl aber an ihrem "Randgruppendasein" orientiert.

Deutschlands Obama-Effekt fand 2005 statt, nachdem eine Frau aus der ärmsten Gegend (Ost-)Deutschlands Kanzlerin wurde. Was davon geblieben ist, was uns dieser "Paradigmenwechsel" einbrachte, läßt sich täglich betrachten - ob schwarz oder weiß, ob Frau oder Mann: Politik wird nicht an Äußerlichkeiten gemessen...

7 Kommentare:

fbr 3. Februar 2009 um 03:41  

Tja, ein Obama...
Ich kann es mich bald selbst nicht mehr tippen hören, aber Y. hätte das sein können. Die wollte im Grunde genommen das machen, was Obama in gut einer Woche auf den Weg gebracht hat. Aber wie Sie richtig erkennen, geht es in Deutschland überhaupt gar nicht mehr um Inhalte. Moment... das stimmt nicht ganz. Fast ein halbes Jahr, nachdem uns aufgeweckten Linken (o) bewusst war, was wirtschaftlich gesehen auf uns zukommt, viele viele Jahre nachdem wir vernichtende OECD-Berichte vorhersagen konnten und ein paar Tage nach der abgeklungenen Hessenwahl und den damit verbundenen medialen Denkverboten, scheint sich Widerstand gegen die Kanzlerin zu regen, scheint Kritik an CDU, CSU und FDP wieder erlaubt, scheinen so mitläuferische Blätter wie "zeit.de" zu neuem Leben zu erwachen. (Dieser Satz war sehr lang. Nur kein Neid!) Das scheint jetzt eine Zeit zu werden, in der die SPD einfach nur stillhalten, Gabriel von Pressekonferenz zu Pressekonferenz schicken und Münte den Mund zukleben muss, um sich zu erholen. Was eine vollkommen inhaltsleere Erholung wäre - versteht sich. Der Rest wird nach folgendem Muster ablaufen: Verlust- und Existenzängste der Eliten treiben FDP ins Extrem, FDP treibt auf Bundesebene die CDU und in Bayern die CSU vor sich her, worauf hin die CSU ihrerseits die Bundes-CDU und ihre Vorsitzende wie ein Schwein vor sich herjagt, weil die ja dann demnächst mit der FDP 'ne Schicki-Micki-Regierung machen will usw. (Ich glaube, so wie ich das formuliert habe, wird die Bundeskanzlerin nicht als Schwein bezeichnet!) Aber den Damen und Herren Journaille ist meines Erachtens nach aufgegangen, dass die Westerwell'sche Partei für all das steht, was die nächste große Krise vorbereitet (und natürlich für ein "weiter-so-es-war-doch-nichts"). Ich glaube sogar zu spüren, dass den Schreiberlingen selbst etwas Angst und Bange davor wird, die FDP könne all zu hoch aus den BT-Wahlen hervorgehen, weil die dummen Wähler denken könnten, dass das mit dem Brutto vom Einkomenssteuernetto unter ruckartigem Ziehen der Schuldenbremse eine ganz tolle Idee und eine aufrichtige Aussage von der Kanzlertante wäre. Wie gesagt, nur so'n Gefühl. Egal. Was ich sagen wollte war natürlich: Ich wollte eigentlich Ypsilanti haben! Aber falls nach Ypsilanti wieder genügend Sauerstoff in den Redaktionshirnen versammelt ist, um endlich festzustellen, dass Frau Kanzler lügt, manipuliert, intrigiert und dummschwätzt wo sie nur kann, dann sage ich: mach's gut Andrea. Gib die Pressehirne frei und such' schon mal das Scotch-Band für den Franz raus. Denn gut getape(t) ist halb gewonnen. (Ach Quatsch, nicht gewonnen, dings... win-win... also GroKo die Zweite ... der 2nd-worst-case... Ich hoffe, das war verständlich soweit.) Danke. Grüße.

Anonym 3. Februar 2009 um 03:49  

Deutschlands Obama könnte eine Tagesmutter aus dem Rheinland sein, namentlich Susanne Wiest. Sie stellte Ende Dezember eine Sammelpetition an den Deutschen Bundestag in der sie ihn aufforderte, ein Bedingungsloses Grundeinkommen zu beschließen.

Konkret gefordert wird hier ein konsumsteuerfinanziertes Grundeinkommen. Die Höhe wird bei 1.500 € für Erwachsene und 1.000 € für Kinder angesetzt. Die Petition wird begründet mit der unvermeidlich hohen Arbeitslosenquote und einer dringend notwendigen Steuerreform.

Momentan hat diese Petition bereits über 9.300 Mitzeichner, und ist damit die momentan meist gezeichnete ePetition.

Nun geb ich zu, B. Obama und A. Merkel haben wesentlich mehr Anhänger & Fans. Aber nicht halb so viel wirklichen politischen Wandel!

https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition%3Bsa=details%3Bpetition=1422

Anonym 3. Februar 2009 um 08:48  

Was Obama angeht, da hab ich hier ja schon was dazu geschrieben - Mir wird nicht Angst und Bange vor der Forderung nach einem "deutschen Obama" sondern nach den Eigenschaften, die unsere neoliberal-konservativen "Eliten" von einem solchen Obama verlangen.

Gerade in Deutschland fürchte ich mich vor diesen Eigenschaften, denn wir hatten von 1933 - 1945 schon einen solchen Politiker, der diese Eigenschaften mitbrachte - Sein Name? Adolf Hitler.

Wie schon gesagt, die US-Presse und den US-Obama unterstütze ich, aber was unsere Journalie für Forderungen an einen "deutschen Obama" stellt kommt einem furchtbar bekannt vor - Jeder, der sich näher mit Hitlers Eigenschaften auseinandergesetz hat kann mir da nur zustimmen.

In diesem Sinne bin ich froh, dass es keinen "deutschen Obama" gibt, und wenn dann nur ohne die Eigenschaften, die die deutsche neoliberale "Elite" einem solchen "deutschen Obama" abverlangt.

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 3. Februar 2009 um 08:52  

"[...]Sternstunden des demokratischen Personenkults – Obama in Berlin
Ein Führer wie gemalt
Der amerikanische Präsidentschaftskandidat, der demokratische Senator Barack Obama, kommt auf seiner Welttournee nach Stationen in Nahost, Irak und Afghanistan auch nach Berlin. Dort kündigt er einen öffentlichen Redeauftritt an, mit dem er, wie mit der ganzen Reise, sich den amerikanischen Wählern auch als außenpolitisch kompetenter Wahlbewerber vorstellen, also sein außenpolitisches Profil schärfen will.
Natürlich ist er in Deutschland kein Unbekannter. Die öffentliche Berichterstattung sorgt seit langem dafür, dass der Besucher dem Publikum bis ins persönliche Detail vertraut ist: Immerhin ist er der erste farbige Kandidat der US-Geschichte und hat einen kometenhaften Aufstieg hinter sich. Sein erfolgreicher Kampf gegen seine innerparteilichen Mitbewerber hat die deutsche Öffentlichkeit ebenso bewegt wie die angeblich ganz neuen, die Massen begeisternden Methoden seines bisherigen Erfolges in der politischen Konkurrenz. Nicht weniger als ein ganz neuer Typus von Politiker soll sich da um die Führung der imperialistischen Hauptmacht bewerben, mit einem neuen Politik-Stil der auf ein ganz neues Amerika hoffen lässt. Den derart großkalibrigen Ankündigungen der Medien entsprechend, ist die Visite tagelang eines der beherrschenden Themen der Titelseiten und die Rundfunkanstalten übertragen das Ereignis live.[...]"

Quelle und ausführlicher Text:

http://www.gegenstandpunkt.com/gs/08/3/gs20083067.html

Genau dies befürchte ich auch....

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 3. Februar 2009 um 11:19  

Obama ist ein bißchen mehr, als oaft aus ihm gemacht wird. Er ist vor allem ein brillianter Redner und mit einem IQ ausgestattet, der auch bei aufgedrehter Heizung die Raumtemperatur überragt. Dazu sieht er noch gut aus und suggeriert einen Hauch von Minderheit.
Beschränken wir uns aber auf die kognitiven Ressourcen dieses Herrn, sind wir mitten im Problem: Jemand wie Obama wäre hier schlicht ein "Demagoge". Dasselbe Schicksal würde übrigens auch Willy Brandt treffen, wäre er heute Politiker.

Anonym 3. Februar 2009 um 12:38  

Lieber Roberto,

vielen Dank für Ihren Artikel.

Nun ja, diese "Obamania" erzeugt in mir kein gutes Gefühl. Mir war es schon immer suspekt, wenn Massen von Menschen Ihre Hoffnung auf eine Person konzentrieren.
Die Unwissenheit, Verzweiflung, Ratlosigkeit, Unsicherheit der Menschen muss sehr, sehr groß sein, um in einem anderen Menschen eine "Messias" oder neuen "Jesus" zu sehen.

Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag als die Mauer fiel und die Massen elektrisierte. Allerdings habe ich auch nicht vergessen, dass bald danach der Satz: "Ich würde ein Monatsgehalt geben und die Mauer noch höher bauen." die Runde machte.

In Zeiten von Hochstimmung denken die wenigsten an die Konsequenzen. Wenn dann die Ernüchterung kommt, ist das Geschrei groß. Wie z.B.: "Der Kohl hat uns mit den blühenden Landschaften belogen".

Nach meiner Einschätzung, kann nur der belogen werden, der sich belügen lässt.
Mich jedenfalls hat er nicht belogen.

Liebe Grüße
Margitta Lamers

Anonym 3. Februar 2009 um 16:15  

Was mich an dieser Obamania sehr stört, ist der rassistische Gedanke, der genaugenommen dahintersteht: Wow, ein schwarzer Präsident! Zumindest ist das ein Zeichen für Amerikas Schwarze, dass mit einem schwarzen Präsidenten der Rassismus noch lange nicht erledigt ist, solange ein schwarzer Präsident nicht die Regel ist. Genauso schnell, wie die Suppe hochkochte, kann sie auch überlaufen.

Ich habe mir Obamas Berliner Rede, soweit die Medien sie übertrugen, angehört und muss Ihre Worte, Roberto Lapuente, bestätigen: Es kommt schon lange nicht mehr auf Inhalte an, es kommt auf die Frisur, den Schlips und das demagogische Auftreten an. Das einzig Greifbare war in seiner Rede die Forderung nach deutschen GIs, und prompt ist Steinmeier genau aus diesem Grunde heute in Washington.

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