Kampf gegen AIDS - Vom Stereotyp zum Feindbild

Montag, 1. Dezember 2008

Zum heutigen Welt-AIDS-Tag:

Das Unendliche, Grenzenlose, Nicht-Endende ist der direkten menschlichen Erfahrung unzugänglich. Es wird durch eine liegende Acht symbolisiert.


Achtmal bemühte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede beim Empfang anlässlich des 25. Jubiläums der Deutschen AIDS-Hilfe die Metapher des „Kampfes gegen AIDS“.

Frau Dr. Merkel ruft die Politik, die medizinische Forschung, die gesamte Zivilgesellschaft – und somit letztlich jeden Einzelnen in unserer Gesellschaft auf, sich in die "Phalanx gegen AIDS" einzureihen. Die Phalanx war eine im antiken Griechenland übliche Schlachtformation - eine dicht geschlossene, lineare Kampfformation schwer bewaffneter Infanterie mit mehreren Gliedern.

Mit diesen Worten möchte die Bundeskanzlerin erreichen, dass sich weniger Menschen infizieren und die Krankheit besiegt wird.

Es muss die Frage erlaubt sein, ob diese kriegsmetaphorische Ausdrucksweise der Sache respektive den Menschen mit HIV und AIDS gerecht wird.

Im folgenden deshalb eine kurze Schilderung der gegenwärtigen Situation in Deutschland aus Sicht der betroffenen Patienten:

Falsche Angst vor Ansteckung
Die Zeiten, in denen es noch Unklarheiten über mögliche Ansteckungswege gab, sind vorbei. Jedermann ist sich bewusst, wann er in Gefahr ist und wie er sich wirksam schützen kann.
Daher ist es unverständlich, dass noch im Jahr 2008 die Adressen von Zahnärzten, die Patienten mit einer HIV-Infektion ohne Vorbehalt behandeln, unter den Betroffenen als Geheimtipp gehandelt werden.

Ärztliche Beratung in Gefahr
Die Behandlung ist mit jedem Patienten individuell zu klären. Mögliche Nebenwirkungen und die Lebenssituation des Patienten müssen aufeinander abgestimmt werden.
Daraus ergibt sich ein hoher Aufwand an Beratungszeit. Im Gegensatz zu medizintechnischen Maßnahmen sind diese Gespräche nicht kostendeckend abzurechnen. Aus diesem Grund wurde eine Vereinbarung über eine Sonderziffer zur Abrechnung der Behandlung eingeführt.
In Anbetracht der Wettbewerbssituation, die sich für die Krankenkassen mit der Einführung des Gesundheitsfonds zum 1.1.2009 ergibt, wurde diese Vereinbarung von nahezu allen Krankenkassen für Patienten in Hamburg gekündigt.

Weltweite Einreisebeschränkungen
In mehr als 70 Ländern gelten Einreisebeschränkungen für Menschen mit HIV und Aids, 30 Länder weisen Positive aus. Zu den 30 Ländern, die Menschen alleine wegen ihrer HIV-Infektion kriminalisieren, gehören unter anderem: die russische Föderation, Saudi Arabien, China und die Vereinigten Staaten von Amerika. In Deutschland bestehen in Bayern immer noch Sonderregelungen.

Die genannten Beispiele aus Sicht der Betroffenen zeigen, dass neben der Reduzierung der Neuinfektionen auch die angemessene Versorgung und gesellschaftliche Integration von über 65.000 Menschen mit HIV und AIDS in Deutschland als gemeinsame Ziele zu setzen sind.

Das Motto des ersten Welt-AIDS-Tages 1988 war "Schließt Euch den weltweiten Bemühungen an". Wünschenswert ist, sich heute erneut daran zu erinnern und nicht in Metaphern zu schwelgen, die einer Dämonisierung der Krankheit und damit auch der Kranken Vorschub leisten.

Die Infektion ist für den Betroffenen der Beginn einer endlosen Auseinandersetzung mit seiner Lebenssituation. Er sieht sich einer unüberschaubaren Anzahl von Bedrohungen ausgesetzt. Deshalb ist die grenzenlose Unterstützung durch die gesamte Gesellschaft absolut notwendig.



Dies ist ein Gastbeitrag von Andreas Bemeleit.

Passend hierzu: Die Darlegung des Stereotyps des HIV-Infizierten, wie es der öffentliche Konsens sich zurechtzimmert. Es ist ein schrittweises Auflisten von Ressentiments basierend auf Unwissen, Moralisieren und das miteinbeziehen ökonomischer Faktoren:
  • Im ersten Schritt steht die Sichtbarmachung, die Erkennbarkeit gewährleisten soll.
  • Im zweiten Schritt wird versucht, Aussagen über das Sexualleben der Stigmatisierten zu treffen.
  • Diese Aussagen erlauben, als dritten Schritt, auf die Lasterhaftigkeit des Kranken hinzuweisen.
  • Womit, im vierten Schritt, mittels moralischer Urteile die Betroffenen und ihre Angehörigen als nicht gesellschaftlich konform ausgegrenzt werden.
  • Im fünften Schritt werden ökonomische Aspekte herangezogen. Es wird versucht mit Begriffen wie "Arbeitsausfall", "Betreuungskosten", "Ausgabenflut" etc. zu suggerieren, dass HIV-Infizierte/AIDS-Kranke wirtschaftliche Schädlinge seien, die in der Lage sind, das gesamte erwirtschaftete Potenzial zu verschlingen, das einen Staat und damit die gesamte Gesellschaft am Leben halten soll.
  • Im sechsten Schritt werden die Infizierten und Kranken kriminalisiert, weil ihnen unterstellt wird, ein potentieller Ansteckungsherd für die Allgemeinheit zu sein.
Das Gesamtbild der aufgezeigten Stereotypen führt letztlich zum Schluß, dass HIV-Infizierte/AIDS-Kranke für die Gemeinschaft schlicht gefährlich seien und eine akute Bedrohung darstellten, ganz besonders, weil im Laufe der Erkrankung auch ein Fortschreiten des geistigen Verfalls zu beobachten sei. Gefährlich scheint hier der "ansteckende Mensch", der aufgrund mangelnder Selbstkontrolle zum unkalkulierbaren Risiko wird.

Um den "Kampf gegen AIDS" überhaupt jemals erfolgreich bestreiten zu können, hat zunächst der "Kampf gegen die HIV-Infizierten/AIDS-Kranken" ein Ende zu finden.

1 Kommentare:

Anonym 16. Dezember 2008 um 06:42  

Gerade in den letzten Monaten gibt es zum Thema erstaunliche Neuigkeiten in Amerika (leider nur in Englisch!) hier:
http://exlibhollywood.blogspot.com/2008/07/gallos-egg.html
(Eine Untersuchung im Vorfeld der Verleihung des Semmelweis "Clean Hands Award 2008")
und hier:
http://www.fearoftheinvisible.com/home
(Ein Buch von Janine Roberts, das im Sommer erschienen ist und das Robert Gallo massiven Betrug bei der "Entdeckung" des HIV Virus nachweist...)

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