Ernährungsberater

Montag, 22. Dezember 2008

Während die Lafers, Lichters und Schuhbecks sich durch das Fernsehprogramm brutzeln, erklären wie man Garnelen nicht zu trocken und Wachteln schön knusprig brät, sitzen Menschen vor dem Fernsehapparat, die an Garnelen oder Wachteln gar nicht denken dürfen. Sie sind in einem engen Budget gefangen, in dem Krustentiere aus den Weltmeeren keinen Platz finden, können zwar zusehen, wie sie mit dem Produkt umgingen, hätten sie die finanziellen Mittel dazu, aber in die Wirklichkeit umsetzen werden sie ihr angeglotztes Wissen wohl nie. Landauf landab wird gebacken, gebraten, gerührt - jeder TV-Sender hat mindestens ein Sendeformat mit dem Schwerpunkt "Kochen". Mal kochen Starköche, mal blutige Amateure, die mit den Produkten despektierlich umgehen, sie vergewaltigen und misshandeln, aber trotz dieses Umstandes dennoch beste Qualität verwursten dürfen - hochwertige Qualität für alle, selbst für die Küchenidioten, nur für solche nicht, die mittellos sind!

Aber auch denen wird geholfen. Man zeigt ihnen auf, wie sie mit "Tafel"-Produkten und allerlei drittklassiger Ware ihren knapp bemessenen Finanzalltag bändigen können und dennoch nicht hungern müssen. Thilo Sarrazin war da der Vordenker, hat einen Speiseplan entworfen, bei dem es zwar an allerlei mangelte - Getränke berechnete er gar nicht -, der es aber möglichst gut meinte mit den Beziehern von Arbeitslosengeld II. Und die beiden mittellosen Kochgenies, die unlängst bei Jauchs Märchenstunde - Stern TV - auftraten, um ihr neues Hartz IV-Kochbuch anzupreisen, sprangen auf diesen drittklassigen und teilweise menschenverachtenden Zug nur mit auf. All jene erklären, wie man auch mit wenig Geld satt wird - nicht wie man genießt, wie man sich am Essen erfreut, sondern wie man den Bauch füllt, um nicht leiden zu müssen.

Einige dieser Ratschläge sollen aufgelistet werden: So findet man beispielsweise "Ratschläge, wie mit Ersatzfett, mit Haferflocken und ganz ohne Eier eine vorzügliche, schmack- und nahrhafte Torte" herstellen könne; oder "statt des Fleisches, das ohnedies sehr ungesund sei", empfiehlt man den "guten Dörrfisch". Und "über die Verwendung von schimmliger Marmelade" heißt es: "Hat sie ein paar kleine Tropfen [nämlich Schimmel], heben wir diese ab und verwenden die Marmelade sofort zu einer Süßspeise oder Marmeladenschnitten." Sollte viel Schimmel darauf sein, so hebe man diesen ab und auch "etwas Marmelade darunter", koche sie erneut ab und verwende sie schnell. "Auch ranzige Butter wird man (...) keinesfalls verkommen lassen: Die kostbare Butter schmeckt ranzig. Wir kneten sie in Salzwasser gut durch, genügt das noch nicht, braten wir sie mit Zwiebeln aus und können sie dann gut für Bratkartoffeln, Fleischbraten oder Gemüse verwenden." Sofern Fleischbraten und Gemüse im Haus ist, versteht sich.

Eine kleine Auflistung von Ernährungsexperten unserer Tage? Mitnichten. Hier erzählte uns Erika Mann aus dem Alltag von "Zehn Millionen Kindern", die der Kargheit des nationalsozialistischen Regimes unterworfen wurden. Auch seinerzeit wurde denen, die es sich nicht leisten konnten, qualitativ hochwertige Lebensmittel einzukaufen, erklärt, wie sie mit billigen Mitteln zu etwas "Genuss" kommen könnten. So weit sind wir vielleicht heute noch nicht, aber nur vielleicht, denn die fröhliche Rattenjagd, wie sie aus Berlin angeraten wurde, darf getrost als erster Schritt zum Jäger- und Sammlertum begriffen werden, in dem womöglich bald empfohlen wird, wie man mit ranziger Butter, schimmliger Paprika und ausgetrockneten Zwiebeln doch noch einen feinen Rattenspieß zubereiten könne. Daran, dass maßlos, doppelt und dreifach gesättigte Kreise Ernährungsratschläge an solche weitergeben, die davon bedroht sind, maßlos hungrig zu bleiben, erkennt man die Annäherung an deutsche Verhältnisse, die wir uns geschworen haben, nie wieder dulden zu wollen. Man legt den Armen ans Herz, sie mögen Ratten fangen und dann wundert man sich, wenn sie sogenannten "Rattenfängern", als die man Lafontaine oder Gysi tituliert, in die Arme laufen. Gleichzeitig mästet sich diese Elite, die solche unverfrorenen Ratschläge erteilt, wie die Made im Speck - und dies ist dann die Demokratie, die man als Maß aller Dinge verklärt.

Die Hungerpolitik der Oberschichten nähert sich mit schnellen Schritten Zuständen an, die wir niedergerungen glaubten. Wir erzählen den Menschen heute wieder, dass deren Armut ein Segen ist, weil sie dadurch zu sparsameren Ernährung gezwungen seien, die ja objektiv besehen nur allzugesund sei. Dabei kommt einem jener Moment in Dickens "Oliver Twist" in den Sinn, in dem Oliver vor den Leiter des Armenhauses geschleppt wird, weil er es wagte, einen Essensnachschlag einzufordern. Der Leiter, ein fetter und schmieriger Kerl, sitzt entrüstet am Kopf des Tisches, Fett trieft von seinen Mundwinkeln, er kaut und ein Stückchen Essbares hängt ihm noch über die Lippen. Er fragt ungläubig "Nachschlag?" und mokiert sich darüber, dass die Kinder im Armenhaus gar nicht wüßten, wie gut sie es doch hätten. So sitzen die Beratschlager unausgewogener Mangelernährung heute ebenso an den Köpfen ihrer Tische, schieben ihren Kaviar zur Seite, streichen sich ein Gänseleberbrot und geben gutgemeinte Empfehlungen weiter, wie man mit 4,32 Euro am Tag - das ist die Summe, die laut SGB II für die tägliche Ernährung eines Erwachsenen aufzuwenden sei; bei Kindern sind es nur 2,59 Euro täglich - sein Leben zu fristen hätte. Das besserwisserische Bonzentum war auch zu einer Zeit Realität, in die wir nicht zurückwollen, aber zwangsläufig zurückkehren...

16 Kommentare:

Anonym 22. Dezember 2008 um 11:31  

Leider wieder treffend....

Ich verweise hier sogar auf eine Rede Gregor Gysis, und darauf wie er auf einen Zwischenruf antwortet:

"[...]Lassen Sie mich noch etwas zu Ihrem Vergleich mit den Entwicklungsländern sagen. Herr Kollege, ich weiß, dass die Bedingungen in Deutschland anders sind als die in Uganda. Aber damit können Sie sich nicht ernsthaft herausreden; denn der Maßstab für Hartz-IV-Empfänger ist Deutschland und nicht Uganda, und das auch zu Recht.

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich auf einen weiteren Gesichtspunkt zu sprechen kommen: die Gleichmacherei. Eigentlich wird immer uns Linken vorgeworfen, dass wir dazu tendieren, Gleichmacherei zu betreiben.

(Dirk Niebel (FDP): Gleiches Taschengeld für alle!)

Aber Sie betreiben bei Hartz IV die größte Gleichmacherei in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Das will ich Ihnen beweisen. Nehmen wir als Beispiel einen Ingenieur und einen Pförtner. Beide arbeiten 30 Jahre, der eine als Pförtner, der andere als Ingenieur. Sie werden mir recht geben, dass sich die beiden einen unterschiedlichen Lebensstandard aufbauen, weil der Pförtner deutlich weniger verdient als der Ingenieur. Nach 30 Jahren werden beide arbeitslos. Dann bekommen beide ein Jahr lang Arbeitslosengeld I; das sind etwa 60 Prozent dessen, was sie zuvor verdient haben. Damit können sie so gerade ihren jeweiligen Lebensstandard im Kern aufrechterhalten, wenn auch unter schwierigeren Bedingungen. Sie, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, sagen nun: Ein Jahr später gilt für beide absolut das Gleiche, bei der Größe der Wohnung, beim Sparguthaben, beim Auto, generell. Sie sagen dem Pförtner: „Dein Lebensstandard muss noch ein Stück sinken“, und dem Ingenieur: „Dein Lebensstandard muss meilenweit sinken“; denn wir behandeln euch völlig gleich. - Ich muss sagen: Das ist die größte Gleichmacherei in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, nicht von den Linken angerichtet, sondern von Ihnen. Das muss man der Gesellschaft deutlich sagen.[...]"

Quelle und mehr:

http://www.linksfraktion.de/rede.php?artikel=1383675989

Wer jetzt noch auf die Horror-Koalition aus CDU/FDP baut, dem ist auch nicht mehr zu helfen....

Die CDU/FDP vergleicht doch die Verhältnisse für Hartz IV-EmpfängerInnen allen Ernstens mit den Verhältnissen eines Entwicklungslandes.

Mein Fazit:

Klaut den CDU/FDP-Abgeordneten ihre Diäten oder noch besser: Schickt die mittellos nach Uganda, damit die ihre Medizin selbst schmecken können, die die "sozial Schwachen" neuerdings verordnen wollen - was nicht heißen soll, dass SPD/Grüne anders sind. Die sprechen es nur nicht so brutal aus, wie CDU/FDP - das ist der einzige Unterschied...und ich wähle, wenn überhaupt....nur noch die Linkspartei....

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 22. Dezember 2008 um 11:39  

der gedanke fasziniert mich, daß man den armen empfiehlt, rattenfänger zu werden, denn der begriff ist ja hoch metaphorisch. wenn man aber gysi und lafontaine als rattenfänger bezeichnet, dann sind ja ihre wähler ratten. ...
ich höre hier auf, weiterzudenken.

Anonym 22. Dezember 2008 um 11:57  

schlimm ist es, wenn die wohlhandenden, die ihre wohlhabenheit auch noch der verarmung anderer verdanken, wenn sie nicht mehr merken, wie peinlich solche gesten sind, wie man sie u.a. bei jauch beobachten kann.

Anonym 22. Dezember 2008 um 12:28  

Das habe ich mir auch schon oft überlegt, was das eigentlich soll, diese ganzen Kochshows im Tagesprogramm...An wen wendet sich dieses Programm wohl? Will man die Millionen von Arbeitslosen noch zusätzlich fertig machen, in dem man ihnen leckere Steaks vorbrutzelt?


Die Macher der Programme werden sich schon was dabei gedacht haben.Ich glaube nicht an Zufälle, vor allen Dingen was das Fernsehen betrifft, nicht.

Thomas 22. Dezember 2008 um 13:54  

Diese Ratschläge in dem Kochbuch für Harz IV-Empfänger sind eine Frechheit. Sie sind wohl eher als Satire zu verstehen?

Anonym 22. Dezember 2008 um 15:21  

Das ist einfach nur noch wiederlich, was da abgeht.
Jetzt spricht man HartzIV-Empfängern schon das Essen ab. Kann doch irgendwo nicht sein, dass in einem der reichsten Länder der Erde Menschen hungern müssen oder sich von verdorbener Nahrung ernähren müssen.

Wieso wollen eigentlich noch immer so viele Afrikaner nach Deutschland kommen?
Hier müssen sie genauso hungern wie zu Hause.

Anonym 22. Dezember 2008 um 17:21  

"[...]Wieso wollen eigentlich noch immer so viele Afrikaner nach Deutschland kommen?
Hier müssen sie genauso hungern wie zu Hause.[...]"

Man sollte es den "Afrikanern" vielleicht einmal erzählen, dass deutsche Konservative neuerdings HartzIV - mit der Begründung auf ein afrikanisches Entwicklungsland namens Uganda - für zu hoch halten, und es auf ugandisches Niveau runterschrauben wollen.

Übrigens, es hat vielleicht noch einen Grund, derselbe warum wir schon seit 1945 - in der BRD - für die, ach so reichen, USA schwärmen - der mediale Kulturimperialismus der EU in afrikanische Länder.

Ich sah mal etwas, wo sogar in der Gemeinschaftshütte des Dorfes ein Fernseher aufgestellt war, dies ist jetzt 10 Jahre her, der immer wieder die Segnungen des ach so superreichen Westens brachte, aber kein Wort der Kritik, z.B. dass es auch dort schon Arme und Reiche innerhalb einiger EU-Staaten gab.

Langer Rede kurzer Sinn:

Der weltweite, neoliberale Kulturimperialismus ist wohl der Grund, dass immer mehr "AfrikanerInnen" nach Europa wollen.

Spätestens bei der Ankunft am Mittelmeer wissen die dann über den wahren Charakter der "Festung Europa" bescheid, aber dann ist es zu spät, denn entweder sind sie ertrunken, in einem libyischen Auffang"camp" oder - sollten sie es doch geschafft haben - in Abschiebehaft nach Hause oder in ein angeblich "sicheres Drittland"....

Pervers finde ich übrigens Vergleiche zwischen Entwicklungsländern und Deutschland noch aus einem ganz anderen Grund - die ganzen Gesetze, die zur Ausgrenzung von Menschen aus unserer dt. Gesellschaft geprägt wurden - stammen ursprünglich aus dem Bereich "Kampf gegen Illegale & AsylantInnen".

Deswegen verstehe ich auch den Haß mancher Arbeitsloser auf "Ausländer" so gar nicht - dank Schröder,Fischer, Merkel & Co. sitzen die Betroffenen mit den "Ausländern" und "AsylantInnen" im selben Boot, d.h. sind fremde im eigenen Land geworden.

Und wo ist die gemeinsame Gegenwehr? Die - in diesem Fall tatsächlich - rassistische Taktik des "sozial Schwache" gegeneinander ausspielens funktioniert in Deutschland mal wieder perfekt....

Warum eigentlich? Haben AsylantInnen, "Ausländer" & Arbeitslose eigentlich noch etwas zu verlieren, dass die sich gegeneinander statt gegen ein System stemmen, dass diese Gruppen beide aus offenbar sozialrassistischen Gründen ausgrenzen will?

Ich fand z.B. toll, dass dt. Protestanten in Hamburg griech. Mitbürger unterstützt haben als die vor kurzem gegen die Zustände im eigenen Land demonstriert haben. Es wird Zeit, dass auch andere Gruppen gegen unsere Neoliberalen gemeinsam protestieren statt sich von diesen Sozialrassisten in Berlin gegenseitig aufeinander hetzen zu lassen.

Parole nicht mehr:

"Scheiß Ausländer" sondern "Scheiß Neoliberale"....

Jetzt! Auf! Es ist fünf vor Zwölf!...

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 23. Dezember 2008 um 00:04  

In einen Land, in dem von denen, denen es noch gut geht darüber nachgedacht wird, Transferleistungsempfängern Lebensmittelgutscheine zu geben, da die doch sonst all das schöne Geld versaufen und verqualmen wundert mich in dieser Hinsicht irgendwie gar nix mehr. Es ärgert mich aber dennoch.

Das Zitat von dem FDP-"Menschen" im ersten Kommentar ist ja auch sowas von herzallerliebst niedlich. Wenigstens ist der Mann ehrlich. *grübel* Nebel, ist das nicht der Vorsitzende oder Sprecher dieser Bande...

Anyway, zum Artikel selber bleibt mir nur zu sagen: sehr treffend analysiert und dargelegt. *applaus*

Ich weiß schon warum ich lieber Gerichts- anstatt Kochshows gucke im Trash-TV-Wunderland in dem alles möglich ist.

Weihnachtlich ärgerliche Grüße über den Zustand dieses Landes, ja der Welt. *winkers*

Anonym 23. Dezember 2008 um 02:11  

@Nachdenkseiten-Leser:

Deswegen verstehe ich auch den Haß mancher Arbeitsloser auf "Ausländer" so gar nicht - dank Schröder,Fischer, Merkel & Co. sitzen die Betroffenen mit den "Ausländern" und "AsylantInnen" im selben Boot, d.h. sind fremde im eigenen Land geworden.

Und wo ist die gemeinsame Gegenwehr? Die - in diesem Fall tatsächlich - rassistische Taktik des "sozial Schwache" gegeneinander ausspielens funktioniert in Deutschland mal wieder perfekt....


Ja, aber es funktioniert nur deshalb, weil manche, sorry, Idioten immer noch den Sprüchen Glauben schenken, dass die Überfremdung schuld daran ist, dass sie keinen Job mehr kriegen. Ich muss allerdings aus eigener Erfahrung sagen (und ich kenne viele Arbeitslose, gehöre schliesslich selbst zu der Reservearmee), dass darauf wohl nur Leute reinfallen, die entweder selbst schon rassistisch geprägt sind, oder einfach nicht besonders intelligent sind. Ein guter Teil der Betroffenen weiss aber schon wem sie ihre (kärgliche) Existenz zu verdanken haben.

Der zu lasche Widerstand hat allerdings einen ganz anderen Grund. Die meisten sind so mit ihrem eigenen Schicksal beschäftigt, dass ihnen entweder Kraft oder schlicht Lust fehlt sich noch irgendwo gross einzubringen. Oder sie haben (wie ich) das Problem, dass sie hin und her getrieben werden, dass man ständig praktisch in einer Ungewissheit lebt, ob man nicht plötzlich zu irgendwelchen sinnfreien Massnahmen verdonnert wird, die einem nur Zeit und (das wenige) Geld stehlen. Ich glaube, das ist auch der einzige Sinn der gesetzlich vorgeschriebenen ständigen Bereitschaft, denn wer am Abend nicht weiss was ihm der nächste Tag bringt, wird sich mit Sicherheit nicht mit Dingen beschäftigen, die eine gewisse Vorbeireitungszeit haben und wo es wichtig ist, dass man dran bleibt.

Da beisst sich eben die Katze selbst in den Schwanz und deshalb ist auch gerade von den Arbeitslosen am wenigsten mit Gegenwehr zu rechnen. Viele sind nämlich schon durch das Herumschikanieren so müde geworden, dass sie nur hoffen, dass sie pünktlich ihr Geld überwiesen bekommen und man sie sonst in Ruhe lässt. Die Zermürbungsstrategie wirkt jedenfalls und das in einem Ausmass, der schon erschreckend ist...

Anonym 23. Dezember 2008 um 08:04  

Da der Sowjetspuk endlich der Vergangenheit angehoert und selbst Russland und China zu Vorbildkapitalisten mutiert sind, hat unsere Leistungselite jegliche Furcht vor dem Urnenpoebel verloren.

Ich kenne diese Eistellung leider nur zu gut:
"Nach dem Staat rufen ist einfach, aber zur Selbsthilfe sind diese Leute unfaehig."
"Die Leute sollen sich endlich einmal bewusst werden, dass sie auch Pflichten haben und nicht nur Rechte."
"Ich habe mir alles selbst erarbeitet, und dann sollen meine Steuergeldern diesen Faulenzern in den Rachen geworfen werden."
usw. usf.

Ein Bewusstsein, was die Vaeter und Muetter des Grundgesetzes im Sinn hatten, als sie die Bewahrung der Menschenwuerde zur Maxime staatlichen Handelns erklaert haben, ist in diesen Kreisen nie entwickelt worden.

Und solange sich fast die Haelfte des (theoretischen) Souveraens sich bei den Wahlen nicht aufrafft, es vielleicht gar nicht mehr kann, wird es so weitergehen.

Ganz nach dem Motto: "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Ratten essen."

Anonym 23. Dezember 2008 um 11:21  

@Manul

Du schreibst:

"[...]Ja, aber es funktioniert nur deshalb, weil manche, sorry, Idioten immer noch den Sprüchen Glauben schenken, dass die Überfremdung schuld daran ist, dass sie keinen Job mehr kriegen. Ich muss allerdings aus eigener Erfahrung sagen (und ich kenne viele Arbeitslose, gehöre schliesslich selbst zu der Reservearmee), dass darauf wohl nur Leute reinfallen, die entweder selbst schon rassistisch geprägt sind, oder einfach nicht besonders intelligent sind. Ein guter Teil der Betroffenen weiss aber schon wem sie ihre (kärgliche) Existenz zu verdanken haben. [...]"

Deiner Beschreibung kann ich eigentlich nur zustimmen. War selbst Arbeitsloser, und bin gefährdet es wieder zu sein, ohne es zu wollen. Ich denke es liegt auch daran, dass es eben die Masse "die Arbeitslosen" gar nicht gibt - es gibt auch hier diverse Meinungen, die wohl verschiedene Gründe haben (z.B. ich bin ja bald wieder mit Arbeit versorgt also was gehen mit die mitarbeitslosen Versager eigentlich an?, Vielleicht liegt es ja an mir, dass ich arbeitslos bin? Ja, es soll auch Arbeitslose geben - wie ich aus dem eigenen Verwandtenkreis kenne, die Schröders neoliberale Parolen einfach gedankenlos nachplappern - genug der Beispiele, du kennst sicher auch solche zuhauf - als Mitbetroffener). Was den Rassismus in Deutschland angeht, der ist ein weites Feld, und wohl ein gesamtgesellschaftliches Problem, dass oft geleugnet wird, und bei Diskussionen um gewisse NPD-Verbote allein auf die rechtsextremen Dumpfbacken abgeschoben wird - die Friedrich-Ebert-Stiftung, spd-nah, hat da eine völlig andere Meinung, nämlich - nach einer Studie - dass Deutschland eben, trotz weitgehend medialer Leugnung, immer noch ein durch und durch rassistisches, antisemitischen und sozialdarwinistisches Land ist. Ich weiß nicht, ob unsere Polit-Fritzen die Studie kennen, aber mir gab die wirklich zu denken - wenn ich Geld dazu hätte, und die entsprechenden Sprachkenntnisse mit dem Geld erwerben könnte wüßte ich schon wohin ich auswandere - egal ich schweife ab, sorry.

"[...]Der zu lasche Widerstand hat allerdings einen ganz anderen Grund. Die meisten sind so mit ihrem eigenen Schicksal beschäftigt, dass ihnen entweder Kraft oder schlicht Lust fehlt sich noch irgendwo gross einzubringen. Oder sie haben (wie ich) das Problem, dass sie hin und her getrieben werden, dass man ständig praktisch in einer Ungewissheit lebt, ob man nicht plötzlich zu irgendwelchen sinnfreien Massnahmen verdonnert wird, die einem nur Zeit und (das wenige) Geld stehlen. Ich glaube, das ist auch der einzige Sinn der gesetzlich vorgeschriebenen ständigen Bereitschaft, denn wer am Abend nicht weiss was ihm der nächste Tag bringt, wird sich mit Sicherheit nicht mit Dingen beschäftigen, die eine gewisse Vorbeireitungszeit haben und wo es wichtig ist, dass man dran bleibt.

Da beisst sich eben die Katze selbst in den Schwanz und deshalb ist auch gerade von den Arbeitslosen am wenigsten mit Gegenwehr zu rechnen. Viele sind nämlich schon durch das Herumschikanieren so müde geworden, dass sie nur hoffen, dass sie pünktlich ihr Geld überwiesen bekommen und man sie sonst in Ruhe lässt. Die Zermürbungsstrategie wirkt jedenfalls und das in einem Ausmass, der schon erschreckend ist...[...]"

Stimmt auch wieder - kenne ich auch aus eigener Erfahrung. Ich bin zwar, derzeit noch, Mitglied in 2 Organisationen, aber mangels Geld und Mobilität auch nicht mehr lange - bin, wie eben erwähnt (noch) nicht arbeitslos, aber ich weiß nicht was nächstes Jahr auf mich zukommt.

Was du schreibst kann ich nur unterschreiben, aber mich regt auch auf, dass die Gewerkschaften, trotz Mundparolen, immer nur auf der Seite derer stehen, die (noch) "gute Arbeit" (Zitat: Die Linke) haben, aber sobald du Geringstverdiener oder Arbeitsloser bist kein Interesse mehr an dir zeigen.

Ich glaube, dass war damals - bei der letzten großen Weltwirtschaftskrise 1929 - völlig anders, da gab es noch Gewerkschaften, die echte Solidarität mit den Schwachen der Gesellschaft zeigen, und sich - mit Kampfparolen - in die Suppenküchen getraut haben.

Heute hingegen:

Bist du mal einem "Linken" oder Gewerkschafter bei den "Tafeln" begegnet, der nicht arbeitslos war? Ich nicht.

Es ist eine total verrückte Zeit, sogar die Kirchen, die damals 1929 wohl auf der Seite der Schwachen standen, schweigen sich aus, und dies in einer Zeit wo die "C"DU neuerdings verlangt, dass die Mess-besuche, ich geh eh nicht - mir geht es aber ums Prinzip, nur für eine bestimmte "Elite" offen sein sollen....

Wirklich wahr, die evangelische Kirche hat zwar diplomatisch reagiert "die Kirchen sind für alle offen, man hat ja einen missionarischen Auftrag", aber nicht entschieden genug....

Die "C"DU hätte von mir - in der Rolle eines Kirchenvertreters gehört:

"Nett, Jesus wurde nackt und arm in einer Krippe geboren, und stand zeitlebends für die Kranken, Armen und Schwachen ein - die "C"DU hingegen hat das "christlich" nicht mehr verdient, denn die will nun Arme, Kranke, Alte und Schwache sogar an Weihnachten aus den Kirchen aussperren. Schämt euch, ihr Heuchler aus der CDU/CSU!"

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 23. Dezember 2008 um 11:26  

@Goldener Reiter

Tja, du sagst es leider, und die Mitte meint immer noch Teil der "Elite" im Land zu sein, dabei wird die genauso ausgebeutet wie die Normalarbeitnehmer und die Gering(st)verdiener.

Die weiß es nur nicht, von Einzelfällen - unserem z.B. - abgesehen.

Mein Vater ist vor 3 Jahren verstorben, dass Finanzamt "vergaß" Geld Vorsteuer einzukassieren, und verlangt dies nun so eiskalt zurück, dass uns für die Monate bis zum Saisonbeginn am 15. März nicht gerade sehr viel Geld, dass wohl auch noch vom Finanzamt einkassiert wird, wenn wir uns nichts einfallen lassen, übrig.

Da sag noch einer - zynisch gesehen - dass der deutsche Staat auf Tote Rücksicht nimmt, oder gar auf seine Erben. Das gilt wohl nur für Superreiche wie Flick & Konsorten - die keine Steuern zahlen.

Ich hab da übrigens einen furchtbaren Verdacht:

Sind es gar die Steuern, die man bei uns - und anderen mittelständischen Unternehmen - eiskalt einkassiert, die man bei Flick & Konsorten spart?

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 23. Dezember 2008 um 11:32  

Das merkwürdige an einer solchen Politik ist doch, dass diese Kreise glauben, mit solchen Sprüchen und Aktionen Mehrheiten für ihre nächste Wahl sammeln zu können.

"Neues aus der Anstalt" kommt für eine Stunde im Monat am Dienstagabend im TV, aber im Politik- und Wirtschaftsleben haben wir die Anstalt täglich, wöchentlich, jährlich....immer.
Bei diesem ganzen Mist, der immerwährend abgesondert wird könnte man meinen, wir sind alle in der Anstalt und wer auch immer im Universum schaut sich das zu seiner Belustigung an.

Könnte ich mit leben, wenn es nur nicht so traurig wäre, wie die Würde des Menschen immer wieder auf's Neue mit Füßen getreten wird, statt genau das Gegenteil erreichen zu wollen.

Anonym 23. Dezember 2008 um 12:06  

@Nachdenkseiten-Leser: Wäre es vielleicht möglich, dass du deine Thesen in jeweils einem Kommentar unterbringst? Ich meine, du darfst und sollst weiterhin so viel und oft etwas unter die Artikel schreiben, wie dir beliebt. Aber diese ständigen doppelten Bei- bzw. Nachträge deinerseits machen es dem Leser doch recht mühsam, die Diskussion zu verfolgen und auch deine Gedanken entsprechend zu würdigen.

Ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Komm schon, alle anderen schaffen es doch auch. ;-)

Anonym 23. Dezember 2008 um 14:58  

@Nachdenkseiten-Leser:

(...) es gibt auch hier diverse Meinungen, die wohl verschiedene Gründe haben (z.B. ich bin ja bald wieder mit Arbeit versorgt also was gehen mit die mitarbeitslosen Versager eigentlich an?, Vielleicht liegt es ja an mir, dass ich arbeitslos bin? Ja, es soll auch Arbeitslose geben - wie ich aus dem eigenen Verwandtenkreis kenne, die Schröders neoliberale Parolen einfach gedankenlos nachplappern - genug der Beispiele, du kennst sicher auch solche zuhauf - als Mitbetroffener).

Ja, durchaus. Ich kenne auch Menschen direkt aus meinem Umfeld, die der Propaganda aufgesessen sind und die auch nicht die Gelegenheit verpassen den Mist einem gegenüber auch noch nachzuplappern. So manchen würde ich vielleicht ignorieren, aber wenns eigene Familie ist, die ständig so tut, als wäre man an der Situation selbst schuld (weil man vor über 10 Jahren eine Ausbildung mal abgebrochen hat und andere sich ja auch für einem Slavenverleiher für 3,50 EUR bücken, ohne grosse Ansprüche zu haben), dann bleibt mir manchmal nur noch beissender Zynismus übrig. So manchein Vorwurf klingt nämlich so, als würde derjenige damit sagen wollen, dass wenn man schon eine 'gebrochene Biographie' hat, dann solle man gefälligst sich wenigstens einen Job als Putze suchen, statt zu hause herum zu sitzen. Sicher, ich bekomme auch viel Hilfe, aber so manchein Kommentar tut schon echt weh. Wie man aber sieht, schafft die sch****-Propaganda selbst in die Familien einen Keil zu treiben, dass man als Betroffener sogar im Privaten ständig damit konfrontiert wird, was einen Druck schafft, dem man nicht mehr entrinnen kann.

Was den Rassismus in Deutschland angeht, der ist ein weites Feld, und wohl ein gesamtgesellschaftliches Problem, dass oft geleugnet wird, und bei Diskussionen um gewisse NPD-Verbote allein auf die rechtsextremen Dumpfbacken abgeschoben wird - die Friedrich-Ebert-Stiftung, spd-nah, hat da eine völlig andere Meinung, nämlich - nach einer Studie - dass Deutschland eben, trotz weitgehend medialer Leugnung, immer noch ein durch und durch rassistisches, antisemitischen und sozialdarwinistisches Land ist.

Ja, die Studie kenne ich und war schon etwas geschockt. Mag sein, dass ich einiges deshalb nicht mitbekomme, weil ich einen ziemlich multikulturellen Bekanntenkreit habe, wo auch einige Linke drunter sind, aber so manche Kommentare einiger lassen mich auch schon eine gewisse Gesinnungsrichtung vermuten. Der latente Rassismus ist jedoch spürbar und je kleinbürgerlicher und 'spiessiger' die Leute werden, umso stärker wird sein Hauch. Ich betrachte allerdings das Problem nicht so sehr als ein 'deutsches Problem', sondern eher als ein Problem aller Europäer und derer, die europäischer Abstammung sind, denn derartigen ethnischen Fanatismus und die Überzeugung von der Überlegenheit der eigenen Ethnie habe ich sonst nur sehr selten erlebt (und ich bin auch schon etwas in der Welt herum gekommen).

So gesehen also hat die Studie mehr oder weniger nur meine Erwartungen erfüllt, denn wo noch vor wenigen Jahrzehnten Menschen aufgrund ihrer Ethnie zur allgemeinen Belustigung zur Schau gestellt wurden, man ihnen die Menschenrechte abgesprochen hat und sie gar gezielt ausrotten wollte, da kann man einfach nicht erwarten, dass die Enkel und Urenkel sich von diesem düsteren Menschenbild völlig distanzieren und sich als eine Spezie sehen, wo einfach aufgrund der Evolution gewisse Unterschiede vorhanden sind. Genau deshalb funktioniert auch heute die neoliberale sozialfaschistische Propaganda, denn in vielen Köpfen ist die Vorstellung noch da, dass es Menschen erster und zweiter Klasse gibt. Sicher, all das entschuldigt natürlich nicht die Umtriebe mancher Extremisten, ist aber eine plausible Erklärung, denn wirklich ändern wird sich da nur etwas, wenn die Menschheit endlich erwachsen wird und das wird noch sehr lange dauern.

Was du schreibst kann ich nur unterschreiben, aber mich regt auch auf, dass die Gewerkschaften, trotz Mundparolen, immer nur auf der Seite derer stehen, die (noch) "gute Arbeit" (Zitat: Die Linke) haben, aber sobald du Geringstverdiener oder Arbeitsloser bist kein Interesse mehr an dir zeigen.

Ach, die Gewerkschaften sind mittlerweile genauso korrumpiert wie viele andere Organisationen auch, die aber immer noch so tun, als würden sie für irgendwas kämpfen. In Deutschland haben sich die Gewerkschaften spätestens da zu Statisten selbst degradiert, als sie die Schröderschen Arbeitsmarktreformen mitgetragen haben und durch die schwachen Abschlüsse ihren Teil zum Lohndumping beigetragen haben.

Die Kirchen sind auch leider genauso ein Zahnrad in diesem gesamten Mechanismus geworden, wo zwar immer wieder Vertreter im Fernsehen von Menschenwürde und blabla reden, die kirchlichen Einrichtungen aber genauso Lohndumping betreiben, wie andere auch. Es ist überhaut der reinste Wahnsinn wer heute sich alles als 'christlich' bezeichnet, im Grunde genommen aber sehr unchristlich handelt. Vor einiger Zeit haben ja auch die (anti)christlichen Gewerkschaften einige Berichte fabriziert, wo man nur den Entschluss fassen konnte, dass diese 'Gewerkschaften' einzig nur dafür gegründet wurden, um den DGB tariflich zu unterlaufen.

Es ist echt ein Jammer... so aber haben diejenigen, die am Rande der Gesellschaft leben nun wirklich kaum eine nennenswerte Lobby. Für die Unterdrücker ist das eigentlich die Idealbedingung schlechthin und ehrlich gesagt sehe ich auch kaum einen Streif am Horizont. Dennoch habe ich noch einen kleinen Funken Hoffnung, weil ich weiss, dass das kein Dauerzustand ist. An schlechten Tagen allerdings überkommt mich schon die Angst, eben weils kein Dauerzustand sein kann und die möchtgern-Herrenmenschen sicherlich noch einige Abartigkeiten aufm Lager haben.

Ich wünsche dennoch allen ein wunderschönes Weihnachtsfest und hoffe, dass es friedlich bleibt.

Anonym 23. Dezember 2008 um 16:35  

"[...]Ich wünsche dennoch allen ein wunderschönes Weihnachtsfest und hoffe, dass es friedlich bleibt.[...]"

Dir auch...

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP