De dicto

Dienstag, 30. September 2008

"Die CSU ist am Ende. Das Nachtreten, die Schadenfreude, stinkt mir gewaltig. Man macht sich nicht lustig über einen Menschen, der am Boden liegt, man tritt nicht nach, man ist menschlich."
- BILD-Zeitung, Franz Josef Wagner am 30. September 2008 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Es mag schon etwas Wahres in diesen Worten liegen, selbst wenn sie aus der Feder eines Schmalzpoeten wie Wagner stammen, der wiederum diese Einsicht nicht aus sich selbst heraus erzielte, sondern eines Schopenhauers benötigte. Und obwohl man in Wagners Reaktionen nach der Bayernwahl erkannte, dass er große Sympathien für die Christsozialen hegt, muß doch festgehalten werden, dass man eigentlich nicht schadenfroh sein sollte. Selbst dann nicht, wenn es nicht ein Mensch ist, der am Boden liegt, sondern eine Partei, ein abstraktes Gebilde folglich - und gleichzeitig doch nicht derart abstrakt, ist sie doch eine Vereinigung von Menschen.

Man sollte eigentlich nicht schadenfroh sein? Eigentlich? Gibt es denn Ausnahmen? - Ethisch betrachtet vielleicht nicht, aber menschlich besehen selbstverständlich. Manchmal ist Schadenfreude mehr als Bösartigkeit, eher das Gegenteil: sie ist Ausdruck von Befreiung, Anzeichen für eine Verkehrung der Situationen. Anders: War es nicht die CSU, besser gesagt ihre (Selbst-)Darsteller, die oftmals auf jene herumritten, die in dieser, in der bundesrepublikanischen Gesellschaft, ganz unten standen? Man bräuchte alleine nur diese letzte Legislaturperiode heranziehen, um einen Sündenkatalog christsozialer Schadenfreude entwerfen zu können, der so dick wie ein Telefonbuch wäre. Da war Markus Söder, der auf Langzeitarbeitslose eindrosch, der ihnen die Bezüge kürzen wollte, damit sie ihre Faulheit endlich überwinden - von allerlei Zwangsmaßnahmen, die er sich selbst in aller Beschränktheit entwarf, soll gar nicht erst die Rede sein; oder Haderthauer, wie sie ausländischen Mitbürgern vorwarf, sie wollten sich nicht integrieren, wollten die deutsche Leitkultur nicht anerkennen, weswegen man ihnen die Bezüge aus deutschen Sozialkassen sperren sollte - gerade so, als wäre jeder Ausländer Sozialhilfeempfänger; und was war mit Stoiber, der von der Bühne herunter spöttelte, die Ostdeutschen als Dummköpfe bezeichnete, weil sie sich bei Wahlen häufig für die LINKE entschieden; von der Schadenfreude der Stoiberianer, als man Gabriele Paulis Privatleben in der Öffentlichkeit breitgeklopft hatte ganz zu schweigen.

Als die CSU obenauf war, als sie über Wolken schwebte, allmächtig und allgegenwärtig, da zügelte sie sich nicht in Sachen Schadenfreude und Zynismus. Seinerzeit gehörte es zum guten Ton der politischen Szenerie in Bayern, auch mal auf solche einzuschlagen, die sich nicht wehren können, die hilflos den Frechheiten der hohen Damen und Herren ausgeliefert sind. Da ist es doch ein Akt der Befreiung, wenn nun der CSU mit Schadenfreude begegnet werden, wenn man jetzt die Gestalten dieses herrschaftlichen Auftretens vorführen und verspotten kann. Freilich wird es nichts ändern, natürlich wird die CSU, dann wohl im Bunde mit der FDP - die im Wahlkampf noch mit dem Slogan warb: "FDP - der deutlichste Kontrast zu Schwarz", damit Unvereinbarkeit der Positionen suggerierte -, ihre zynischen Auftritte und ihre Verächtlichkeit gegenüber Wehrlosen nicht aufgeben. Doch im Moment ist eben die CSU dran - gönnen wir also denen die Freude, die bald wieder unter der Knute christsozialer Arroganz stehen werden.

9 Kommentare:

Anonym 30. September 2008 um 10:55  

"[...]von der Schadenfreude der Stoiberianer, als man Gabriele Paulis Privatleben in der Öffentlichkeit breitgeklopft hatte ganz zu schweigen.[...]"

Frau Pauli hat ja Gewinne für die "Freien Wähler" eingefahren, denen sie beigetreten ist - CSU-Verlust ergo Paulis Rache an den CSU Amigos? Man stelle sich mal vor sie wäre den Vorschlägen der Linkspartei gefolgt, und denen beigetreten, wie so manches Ex-CSU-Mitglied in Bayern.

Die Schlagzeilen würden wohl ähnlich wie bei Frau Ypsilanti klingen - Verrat, Rache an Huber und Beckstein etc.

Tja, so ist Frau Pauli aber einer konservativen "Freien Wähler"-Partei beigetreten, und der Mainstream-Konservativen-Medienwald schweigt dazu, während man genüßlich weiter auf Frau Ypsilanti (SPD) rumreitet, und zwar wie oben erwähnt...

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 30. September 2008 um 11:51  

Merkwürdig, da BILD gerade bei den Arbeitslosen unentwegt nachtritt....

Anonym 30. September 2008 um 15:43  

@klaus baum

Es wird noch merkwürdiger, schau mal bei http://www.nachdenkseiten.de vorbei - genau dem Punkt mit der zynischen Überschrift der "Financial Times Deutschland" unter Punkt 1 b "Stütze vom Staat".

Nein, es sind diesmal nicht die angeblich faulen, schmarotzenden Sozialparasiten gemeint - die Ftd meint explizit die Bank die mal aus der Hand - ohne Widerstand seitens unserer Großkopferten - etwas über 26 Milliarden Euro geschenkt bekommt - für die private Zockerei.

Sogar in den USA regt sich über eine solche Frechheit der US-Bürger auf. Deutschland? Das Schweigen im konservativen Blätterwalde (Bild, SPIEGEL etc.), aber wehe man ist HartzIV-Empfänger oder arbeitslos, da wird mit Terrorismusverdacht und allem Schwachsinn nachgetreten den sich unsere angeblich unabhängige Presse so leisten meint zu müssen.

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

PS: Bei den Milliarden-Beträgen ist noch etwas merkwürdig - die Sache war schon vor der Bayern-Wahl bekannt, d.h. man hatte vor die CSU zu retten und ein Erstarken der Linkspartei zu verhindern, also verschwieg man diese Schweinerei bis nach der Wahl :-(

Anonym 30. September 2008 um 17:29  

Oh, Mann. Wenn Typen wie Franz Josef Wagner den Intellektuellen heraushängen lassen wollen, kann das ja nur schief gehen. Das betreffende Zitat findet sich nämlich nicht in Schopenhauers "Ethik" (das es auch gar nicht gibt), sondern in "Parerga und Paralipomena", Teil I, in dem Kapitel 8, das: "Zur Ethik" heißt, und dort in Abschnitt § 114.

Anonym 30. September 2008 um 18:09  

http://www.youtube.com/watch?v=mzJmTCYmo9g

Hast Du dies schon gesehen. Sprachwitz vom Feinsten, in ihrer Berührung mit den Sachgehalten. John Bird und John Fortune über die Subprime Crisis. Der Link auf den Nachdenkseiten stimmt leider nicht.

Anonym 30. September 2008 um 20:01  

@klaus baum

Danke für den Hinweis.

Vielleicht informierst du die bei Nachdenkseiten mal darüber über den Link?

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 30. September 2008 um 20:53  

was du schreibst über das recht auf schadenfreude, ist völlig zutreffend. es gab zeiten, da hat der volksmund - es war, glaub ich, im 19. jahrhundert - krasser reagiert, und zwar mit dem satz: "heute noch auf hohen rossen, morgen durch die brust geschossen." und von hybris haben die gegenwärtigen herrenmenschen auch noch nichts gehört.

Anonym 1. Oktober 2008 um 23:21  

Danke. Sehr schöner Text. So fein und höflich kann ich allerdings nicht gegenüber der CSU formulieren.
Habe soeben den Text in meinem Blog verlinkt:
http://ungenannter.wordpress.com/

Anonym 24. September 2012 um 11:58  

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